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Fenster an der Nordseite des Langhauses, woraufhin die Kirche auf das 10./11. Jahrhundert datiert wurde.“ „Wahnsinn!“, rief Magda begeistert. Die Frau sah sie drängend an. „Gehen wir hinein? Er wollte noch etwas für den Pfarrer auf den Gabentisch stellen. Er verlässt uns nämlich, und geht als Dekan zum Dekanat Odenwald“, erklärte sie und deutete auf den Weg. „Vielleicht steht es auf dem Tisch! Dann wissen wir, dass er hier gewesen ist!“ Sie zog Magda am Jackenärmel hinter sich her, zur Kirchentür hinein. Die Ermittler betraten leise die Kirche und sahen sich bewundernd um. „Das ist aber mal eine wirklich schöne Kirche!“, entfuhr es Magda leise und Eddie nickte zustimmend. Andächtig betrachteten sie den Altar mit dem Kreuz darauf, mit einer schönen Jesusfigur und den beiden dunkelmarmorierten, wie Korkenzieher gebogenen Säulen rechts und links davon. Die hohen Kerzen, die aufgeschlagene Bibel und der Blumenstrauß, mit den Amaryllis, vor dem Kreuz, wirkten irgendwie gemütlich - der Tisch davor mit dem Adventskranz gab ihm ein wohnliches Aussehen. Ein hölzernes Krippchen stand rechts neben dem Altar, auf einem runden Tischchen, mit violetter Tischdecke und ein hell erleuchteter, großer Christbaum vor der prachtvollen, ganz in weiß, schwarz und Gold gehaltenen Kanzel. Der hellere Aufgang war fast gänzlich hinter dem mächtigen Baum verborgen. „Wahnsinn!“ Eddie sah sich begeistert um. „Ja, unsere Kirche ist klein, aber fein“, pflichtete ihm Frau Lang bei und sah sich stolz um. Dann trat sie wie magnetisch angezogen zu einem improvisierten Gabentisch, der zwischen der linken Bankreihe installiert war. Auf einer runden, weißen, rotgesäumten Tischdecke standen einige Geschenke. Magda betrachtete eingepackte Flaschen, ein Körbchen mit kleinen Geschenken – Bildern, beschrifteten Steinen und Andenken – dominiert von dem gerahmten Bild einer kleinen Kirche mit Zwiebelturm in der Mitte. Bewundernd deutete sie darauf. „Das ist aber nicht diese Kirche hier! Es sind Wiesen drumherum und außerdem ist der Turm ganz anders.“ „Das muss die evangelische Lützel-Wiebelsbacher Bergkirche sein“, erklärte die Frau, bedrückt nickend und kramte dabei im Körbchen herum. Aufgeregt zog sie ein Bild heraus, auf dem zwei Männer zu sehen waren. „Das ist von meinem Erhard!“ Sie deutete auf den linken Mann. „Das ist er und der andere Mann ist unser ehemaliger Pfarrer.“

      Die Ermittler beugten sich interessiert über das Bild, das die Dame ihnen hinhielt.

      „Ihr Mann ist ein gutes Stück älter als sie?“ Forschend betrachtete Magda Frau Lang, die sie auf Mitte der Fünfzig schätzte, nahm das Handy hoch und fotografierte es. „Ja, er ist zwanzig Jahre älter, aber das hat uns nie gestört“, gab die etwas unfreundlicher zurück. Eddie dachte: Das hat sie anscheinend schon öfter gehört.

      Magda nickte, auch ihr war der genervte Unterton nicht entgangen. „Fällt ihnen hier noch etwas auf? Wenn nicht, möchte ich gerne weiter, vielleicht braucht ihr Mann unsere Hilfe!“ Die Frau nickte, wieder blass geworden und Magda knickste zum Altar hin, dann verließen die drei die Kirche und gingen zügig zum Auto. Eddie folgte den Anweisungen Frau Langs und als sie am Brunnen links den Weg hochfuhren, waren sie froh, die Frau mitgenommen zu haben, denn wer weiß, ob sie den Brunnen so schnell gesehen hätten. Vielleicht kommt es auf jede Minute an, das kann man schließlich nie wissen, dachte Magda beunruhigt.

      An einer Rechtskurve standen zwei Bänke in der Wintersonne, zu denen einige Stufen hinaufführten. Im Vorbeifahren fiel Magda auf der linken, eine aus Holz ausgeschnittene Figur ins Auge. Das Männlein sieht aus, als habe es einen grünen Mantel an, dachte Magda. „Hast du die Figur gesehen?“ Eddie wandte ihr den Blick zu. „Ich fahre, da kann ich nicht alles neben der Straße sehen!“ Die Frau mischte sich ein. „Erhard hat mir vorgestern davon erzählt. Er meinte, es hätten Kinder angemalt und hingelegt.“ Magda nickte zustimmend. „Das denke ich auch.“ Dann waren sie auch schon oben, am Scheitelpunkt angelangt. Rechterhand standen einige Bäume, doch Eddie war bereits daran vorbeigefahren, als die Frau rief: „Halt, da unten ist die Johannesruh!“ Eddie bog links in eine Auffahrt zu einer kleinen Feldscheune ein und zog wieder rückwärts heraus. Magda machte vorsichtshalber die Augen zu, falls irgendwo ein Graben sein sollte.

      Doch Eddie parkte schon gekonnt links am Wegrand, ein Stück auf dem Acker, falls ein Bulldog kommen sollte und die drei stiegen schnell aus. Magda öffnete die Heckklappe und hob endlich den geduldig wartenden Hund heraus.

      Der schüttelte sich, als sie die Leine an seinem Geschirr festgemacht hatte, machte ein paar Schritte zu einem höheren Grasbüschel und hob sofort das Bein. „Das war nötig, gell, mein kleiner Schlawiner!“, meinte Magda liebevoll und die Dame streifte ihn mit einem misstrauischen Blick. Anscheinend keine Hundefreundin, dachte Magda und sah an Eddie´s Blick, dass ihm der gleiche Gedanke durch den Kopf gegangen war. „Dort unten, ist die Johannesruh!“ Die Dame deutete ein Stück hinab, wo man einen kleinen offenen Pavillon ausmachen konnte. Ein Stückweit links daneben, grasten ein Norweger Fjordpferd und ein Esel friedlich auf einer Weide. Sie hoben kurz die Köpfe, betrachteten Fränzchen, der ihren Blick ruhig zurückgab, stuften ihn als ungefährlich ein und setzten die Futteraufnahme fort. „Da ist etwas!“ Eddie setzte sich erstaunlich schnell in Bewegung, als Magda eine hastige Bewegung neben sich spürte. Geistesgegenwärtig fiel sie Frau Lang in die Arme und hielt sie fest. „Bitte warten sie einen Moment. Eddie muss erst nachschauen, was dort ist.“ Die Frau nickte und Magda spürte ihr Zittern durch die dicke Winterkleidung.

      Die beiden sahen, wie Eddie sich mit düsterem Blick, aus der Hocke erhob, zu ihnen hochschaute und gleichzeitig sein Handy zückte. „Ein wenig Geduld noch“, bat Magda nervös. „Setzen sie sich bitte ins Auto. Ich schau kurz nach, was los ist und sage ihnen gleich Bescheid.“ Die Frau setzte sich wie in Trance ins Auto und Magda schloss leise seufzend die Tür hinter ihr. Dann band sie das aufgeregt schnüffelnde Fränzchen an den nächsten Baum und wandte sich Eddie zu. Als sie auf die Pergola zuging, sah sie schon von hier aus, eine Gestalt auf dem Boden liegen. Sie verglich den Mann in Gedanken mit dem Bild, auf dem der Pfarrer und Herr Lang abgebildet waren und begrub die Hoffnung, ihn lebend zu finden. Düster sah sie, dass er wohl schon länger dort liegen musste. Unter ihm hatte sich eine Pfütze gebildet, mit der Flüssigkeit, die anscheinend aus der Thermosflasche neben ihm, ausgelaufen war. Eddie hob den Kopf und sah ihr traurig in die Augen. „Ich hab schon Susi, Anne und Ben verständigt. Sie bringen den Spusikoffer mit. Bitte trete ein Stück zurück und pass vor allem auf, dass seine Frau nicht herunterkommt und alles zertrampelt.“ Magda nickte traurig. „Ich fahre sie am besten heim und lass dich kurz alleine hier. Ist das in Ordnung?“ „Klar“, brummte Eddie stirnrunzelnd, bereits wieder in seine Arbeit vertieft.

      Seufzend wandte sich Magda um und versuchte, ein neutrales Gesicht aufzusetzen, was ihr nur teilweise gelang. Sie war einfach nicht gut darin, sich zu verstellen und jeder Tote berührte sie tief. Sie trat ans Auto, öffnete die Tür und lächelte die Frau mitfühlend an, wobei sie sah, wie das Verstehen in ihre Augen trat und Entsetzen, die Angst darin ersetzte. Die Frau schlug die Hände vors Gesicht und machte Anstalten, auszusteigen, doch Magda schob entschlossen ihre Beine, die sie schon halb aus dem Auto gehoben hatte, wieder hinein und schloss die Autotür. Sie band Fränzchen los, vertröstete ihn auf später, führte ihn zum Auto und hob ihn hinein. Dann fuhr sie Frau Lang hinunter zu ihrem Haus. „Haben sie jemanden, der sich um sie kümmern kann? Eine Freundin vielleicht, oder Verwandte, die ich anrufen kann?“, erkundigte sich Magda und wandte sich fürsorglich zu ihr um. Die Frau schluckte angestrengt und runzelte die Stirn. „Seine Wanderfreunde mögen mich nicht und die Dorfbewohner wahrscheinlich auch nicht. Höchstens den Pfarrer, oder meine Nachbarin, die kennen mich besser und wissen, dass die Gerüchte nicht wahr sind, die im Dorf herumgehen.“ Leise schluchzte Frau Lang auf und Magda legte tröstend die Hand auf ihren Arm. Dann stieg sie aus und hakte die Frau unter. Zusammen gingen sie den Weg zum Haus. Frau Lang nahm mit zitternden Fingern den Schlüssel aus ihrer Jackentasche und versuchte, aufzuschließen, bekam den Schlüssel aber nicht einmal in das Schlüsselloch hinein. Vorsichtig nahm Magda ihn aus ihrer eiskalten Hand und schloss die Eingangstür auf. Dann zog sie der willenlosen Frau die Jacke aus, führte sie ins Wohnzimmer und setzte sie in den Sessel. Sie sah sich suchend um, nahm die Decke, die ordentlich gefaltet auf einem Hocker lag, legte sie über ihre Beine und steckte sie sorgfältig fest. „Ich gehe nur mal hurtig zur Nachbarin, bin gleich wieder da. Soll ich ihnen noch etwas bringen?“ Frau Lang schüttelte den Kopf mit leerem Blick und Magda ging leise hinaus. „Mist, jetzt hab ich gar nicht gefragt, auf welcher Seite die Nachbarin

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