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Dich kriegen wir weich. Joachim Widmann
Читать онлайн.Название Dich kriegen wir weich
Год выпуска 0
isbn 9783738043860
Автор произведения Joachim Widmann
Жанр Социология
Издательство Bookwire
„Erwartungen an die Persönlichkeit eines Mitarbeiters des MfS im Umgang mit Straf- und Untersuchungsgefangenen
Die Mitarbeiter der Abteilung XIV stehen in ihrem täglichen Dienst Staatsverbrechern gegenüber, deren Ziel es war, die Machtverhältnisse zu verändern und damit die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung zu beseitigen. Das setzt bei den Mitarbeitern der Abteilung XIV voraus, daß jedem Genossen aus tiefster, innerster Überzeugung klar ist, daß es sich bei diesen Häftlingen um wirkliche Feinde des Arbeiter- und Bauern-Staates und damit um Feinde des gesamten sozialistischen Lagers handelt und welche hohe Verantwortung bei der Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben diese Mitarbeiter zu erfüllen haben.
Im Entwurf der Dienstanweisung über politisch-operative Dienstdurchführung in den Diensteinheiten XIV der Organe des MfS vom 7. 5. 1969 heißt es: ,Der Umgang mit Häftlingen erfordert ein hohes Klassenbewußtsein und unbedingte Treue zur Partei der Arbeiterklasse und zur Regierung unseres sozialistischen Staates. Deshalb müssen die Angehörigen der Diensteinheiten XIV der Organe des MfS bei der Ausübung ihres Dienstes höchste revolutionäre Wachsamkeit, militärische Disziplin und eine hohe Einsatzbereitschaft beweisen.‘ Diese Feststellung zeigt, welche hohen Anforderungen an die politisch-ideologische Reife, an den Charakter, das Wissen, die Haltung sowie an das Gesamtverhalten eines Mitarbeiters der Abteilung XIV zu stellen ist.
1. Persönlichkeitsmerkmale, die bei einem Mitarbeiter der Abteilung XIV im Vordergrund stehen
Bei der Auswahl der Genossen für den Dienst in der Abteilung XIV ist zu beachten, daß der beste und bewußteste Genosse, der allen Erwartungen entsprechen würde, nicht in der Abteilung XIV arbeiten könnte, wenn er bestimmten körperlichen Anforderungen nicht entspräche.
Somatische (körperliche) Anforderungen:
– Der Genosse darf von seiner Statur her (Körpergröße) nicht kleiner als 1,65 m sein, um ohne Hilfsmittel durch die Spione in die Zellen schauen zu können;
– Der Genosse sollte in der Regel nicht jünger als 25 Jahre sein; (...)
– Der Genosse sollte nach Möglichkeit sportlich veranlagt sein und zumindest die Grundbegriffe der Selbstverteidigung beherrschen bzw. gewillt sein, Judo zu erlernen, um bei evtl. Vorkommnissen sich erfolgreich wehren zu können;
– Der Genosse muß ordnungsliebend und sauber an sich selbst sein sowie über eine straffe Körperhaltung verfügen, um vor dem Häftling nicht lächerlich zu wirken;
Bildungsmerkmale sowie Charaktereigenschaften:
– Der Genosse muß über ein bestimmtes politisches Grundwissen verfügen (Klarheit in den Grundfragen der Politik von Partei und Regierung) und muß bereit sein, sich im Marxismus-Leninismus ständig weiterzubilden;
– Er muß sich bemühen, die Grundfragen der sozialistischen Strafgesetzgebung zu beherrschen, er muß die Strafprozeßordnung kennen und die Befehle und Weisungen der Untersuchungshaft beherrschen und befolgen;
– Er muß ein der Partei treu ergebener Kämpfer sein und festes Vertrauen zum MfS besitzen, er muß ein wahrer Freund der SU sein und bereit sein, aus den geschichtlichen Erfahrungen der Freunde zu lernen;
– Es dürfen sich in seinem Verhalten keine weichen Charakterzüge zeigen, die dem Feind gegenüber Mitleid verspühren (!) lassen. Er muß frei sein von Angst bzw. aufkommende momentane Angstgefühle überwinden können;
– Er muß die Fähigkeit besitzen, im Verhalten gegenüber dem Feind Stolz, Härte, Unnahbarkeit, Kälte und Überlegenheit zu demonstrieren. Bei dem Gegner muß der feste Eindruck entstehen, daß an diesen Mitarbeiter, der sich korrekt verhält, auf keinen Fall heranzukommen ist, keine Kontaktaufnehme möglich ist, und daß dieser Mitarbeiter des MfS mit seiner gesamten Persönlichkeit fest hinter Partei und Regierung steht.
Die Treue zur Sache muß in seinem gesamten Verhalten zum Ausdruck kommen.
– Er muß reaktionsfähig sein, schnell im Denken und Handeln und bei plötzlich auftretenden Situationen richtig reagieren und entscheiden können.
– In seinem Wesen muß sich eine bewußte Diszipliniertheit, Tapferkeit, Mut, Kühnheit, Standhaftigkeit, Gewissenhaftigkeit, Entschlossenheit, Selbstaufopferung, Willenskraft, Zähigkeit, Ausdauer, Beharrlichkeit, Heroismus und Patriotismus widerspiegeln.
Der Patriotismus und der Haß gegen die Feinde dürfen sich nicht nur als eine Deklaration zeigen, sondern muß (!) zur Tat d. h. zur ständigen Wachsamkeit werden.
Ein Mensch mit solchen Charaktereigenschaften muß gleichzeitig die Menschen achten und schätzen, er muß ihre Arbeit achten und lieben. Er muß eine gesunde Einstellung zum Kollektiv haben, muß kritisch und selbstkritisch sein, er muß Offenheit und Ehrlichkeit seinen Genossen gegenüber zeigen. Er muß kameradschaftlich und großzügig. (!)
Egoisten sind weder Freund noch Kamerad.
Er muß weiter solche moralischen Eigenschaften besitzen, wie Fleiß, Beharrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Rechtschaffenheit, Einfachheit und Bescheidenheit, Konsequenz sich selbst und anderen gegenüber, er muß unbeugsam in der Erreichung gesetzter Ziele sein. (...)
Der Mitarbeiter in der Abteilung XIV muß sexuell normal veranlagt sein und ordentliche, saubere Beziehungen zum anderen Geschlecht haben.
Es müssen sich feste Ansichten und Überzeugungen für das sittliche Verhalten herausbilden.
Zu beachten ist, daß ,trotz guter Absichten‘ viel Unheil angerichtet werden kann, wenn sich ein Mensch zum Beispiel nur vom Gefühl leiten läßt, wo solche verinnerlichten Charakterzüge nicht mit Überzeugung und Wissen gefestigt sind. Überzeugung und Wissen verleiht dem Menschen die Möglichkeit, moralische Prinzipien in einer konkreten Situation richtig anzuwenden. Großzügigkeit und Wahrhaftigkeit z. B. können sich in ihr Gegenteil verwandeln, wenn man die listigen, hinterhältigen Schlichen des Feindes nicht beachtet bzw. unterschätzt, wenn man keine politische Wachsamkeit übt. (...)“
Die unbeabsichtigte Selbstentlarvung, die in der hierarchischen Differenzierung zwischen „Feind“, „Mensch“ und „Genosse“ gipfelt, erklärt, warum es nicht nur für „Feinde“ und „Menschen“, sondern auch für den einen oder anderen Genossen eine Genugtuung und eine Erleichterung war, als das System endlich zusammenbrach.
Dessen „Feinde“ knüpften besondere Hoffnungen an die Wende von 1989/90. Vieles änderte sich auch wunschgemäß. Einen Wendepunkt, an dem die früheren Täter und Teilnehmer des Systems zur Einkehr gezwungen worden wären und die Opfer plötzlich ihr Recht erhalten hätten, gab es jedoch nicht – so wenig eine antikommunistische „Rachejustiz“ auszumachen ist.
Natürlich wurde den Opfern das Recht eingeräumt, sich juristisch rehabilitieren zu lassen, natürlich wurden sie finanziell entschädigt, soweit sie Unrechtsjustiz und Haft zu erleiden hatten.
Unterhalb dieser Grenze wurde der Schaden vielfach nicht einmal moralisch kompensiert. Denn auf der anderen Seite gingen die meisten Täter straffrei aus, da ein Großteil der Delikte, wie etwa der Bruch des Postgeheimnisses, die Telefonüberwachung oder die lückenlose Ausforschung einer Privatwohnung, nach den DDR-Gesetzen mit einer geringfügigen Strafe belegt oder legal war und daher heute nicht bzw. allenfalls als Beihilfe zu Rechtsbeugung oder einer Tat, die nach jüngsten höchstrichterlichen