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in der Hand hattest. Du hast getan, was du konntest.” Tröstend zog er mich in seine Arme und drückte mich an sich.

      Eine Weile ließ ich mich von ihm halten. Seine Wärme war für mich beruhigend. Seine Stärke gab mir das Gefühl, sicher zu sein. „Du hast es gewusst, nicht wahr?”, fragte ich ihn und sah traurig zu ihm auf. „Du hast gewusst, dass es niemand glauben würde, oder?”

      Pater Michaels Gesicht verzog sich schmerzlich. „Ich habe es nicht gewusst, Ada. Aber ich hatte eine Ahnung, dass es so laufen könnte”, gab er seufzend zu.

      „Na toll!”, rief ich aus und entzog mich seiner Umarmung. „Wieso hast du mich dann nicht aufgehalten? Wieso hast du es mir nicht ausgeredet?”

      Pater Michael sah mich mit großen Augen an. Die Verwirrung zeichnete ihm Falten auf die Stirn. „Ich habe doch versucht, dich davon abzuhalten. Aber du wolltest mir nicht zuhören. Du warst felsenfest davon überzeugt, dass es der einzige Weg war!”, erinnerte er mich unnötigerweise.

      Natürlich wusste ich noch von den Diskussionen, die wir geführt hatten. „Ich weiß, ich weiß. Tut mir leid”, entschuldigte ich mich bei ihm und trat auf ihn zu. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss als Wiedergutmachung. „Tu mir bitte einen Gefallen, ja?”, sagte ich und stellte mich zurück auf die Füße. Aufmerksam blickte er mir in die Augen. „Wenn ich das nächste Mal so eine blöde Idee habe, dann hau mir eine runter oder fessle mich an den Altar!”, verlangte ich von ihm.

      Pater Michael schmunzelte über meine Bitte. „Nun, das könnte ich tun. Allerdings”, sagte er und kratzte sich nachdenklich am Kinn, „glaube ich nicht, dass dich das aufhalten würde. Meinst du nicht?” Schelmisch zwinkerte er mir zu und betrachtete mein verblüfftes Gesicht.

      Mein Mund schnappte vor Empörung auf und zu. Welch eine Frechheit, so etwas zu behaupten! „Du hast wahrscheinlich Recht”, gab ich dann aber kleinlaut zu und wurde puterrot. Verlegen blickte ich hinunter auf meine Schuhe. Plötzlich hörte ich das schallende Lachen des Paters, das durch die Kirche polterte. Was war denn nun schon wieder? „Du bist wirklich einmalig, Ada”, bemerkte er und wischte sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel.

      Ich zog einen beleidigten Flunsch. „Schön, wenn ich so sehr zu deiner Belustigung beitragen kann”, warf ich ihm an den Kopf und schob mich an ihm vorbei, wobei ich es nicht vermeiden konnte, ihn unsanft anzurempeln. Wütend stapfte ich davon. Diese Nacht war echt scheiße!

      Plötzlich packte mich eine Hand am Arm und hielt mich fest. Auf dem Absatz wirbelte ich herum und stand dicht vor dem Pater. „Du hast mich nicht aussprechen lassen”, sagte Pater Michael und sah mich verärgert an. Offensichtlich machte ich heute alles falsch! „Ich wollte sagen, dass du einmalig bist und unglaublich bezaubernd, wenn du sauer bist.”

      Ich war verwirrt. War das ein Kompliment? Ich war mir nicht sicher. „Und ich liebe dich, Ada”, fügte er mit einem zärtlichen Lächeln hinzu.

      Schlagartig verflog der Rauch um meinen Kopf. Wie konnte ich ihm bei diesen Worten noch länger böse sein? Und wieso war ich überhaupt böse auf ihn gewesen? Mhh, egal. Jetzt war ja alles wieder in Butter. Erst recht, als mich der Pater in seine Arme zog und küsste.

      13. Vorsicht ist besser als …

      Am nächsten Morgen bat ich den Pater um eine Trainingseinheit. Meine gestrige Unsicherheit, bevor ich die Kirche verlassen hatte, gefiel mir gar nicht. Sie lähmte mich zu sehr, und ich konnte das bei meiner ersten Jagdtour, die nicht in allzu weiter Ferne lag, wirklich nicht gebrauchen. Pater Michael sollte mir dabei helfen, den Wagemut und die Angriffslust, die in mir schliefen, wieder hervorzulocken. Ich übte mit Pfeil und Bogen, um zu testen, ob ich immer noch zielsicher war. Zu meiner Überraschung hatte ich nichts verlernt. Wie eh und je traf das Geschoss genau ins Schwarze. Dann drückte mir der Pater mein Schwert in die Hand. Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich es überhaupt würde halten können. Schließlich war mein Schmuckstück kein Leichtgewicht. Aber als ich meine Finger um den Griff schloss, fühlte es sich an, als würde ich einen alten Freund umarmen, den ich lange nicht gesehen hatte. Erinnerungen an gemeinsame Abenteuer stiegen in mir auf, und ich lächelte zufrieden. Es war ein gutes Gefühl. Pater Michael trat gegen mich und meine bedrohlich schimmernde Klinge an. Es tat gut, sich zu verausgaben. Aber ich spürte, wie er sich zurückhielt. Anscheinend wollte er mich schonen, nachdem ich so lange Zeit nicht mehr trainiert hatte. Auch ich hielt mich zurück, obwohl jede Menge Dampf unter meiner Oberfläche brodelte, der hinaus wollte. Doch dies war nicht der richtige Ort und auch nicht die richtige Zeit, um meine Wut und den Frust herauszulassen. Pater Michael sollte nicht wissen, wie sehr mich die Begegnung mit dem Reporter psychisch zurückgeworfen hatte. Nach ein paar Tagen verspürte ich wieder diesen Drang, der mich vor alledem in die Nächte hinausgezogen hatte. Ich wollte unbedingt auf Patrouille gehen. Der Pater brachte mich zur Tür. Er wirkte äußerst angespannt, und ich fühlte seine Augen auf mir, die mich unentwegt besorgt musterten. „Bitte sei vorsichtig”, mahnte er mich zum hundertsten Male, sodass mir schon die Ohren klingelten.

      Genervt rollte ich mit den Augen und seufzte laut. „Ja, ja. Sei unbesorgt. Ich passe schon auf”, meinte ich gelangweilt. Ich verstand nicht, wieso er sich solche Sorgen machte. Er hatte mich doch trainieren sehen. Ich war gut. Genauso wie vorher auch. In dieser Hinsicht hatte sich nichts geändert.

      „Bitte, Ada! Pass auf, und lass es zu keinem Nahkampf kommen. Nur aus der Ferne. Wie wir es besprochen haben, ja?”, erinnerte er mich an unsere Unterhaltung in der Küche.

      Ich zog einen enttäuschten Flunsch. Nur aus der Ferne? Wie langweilig! „Ich versuche mich dran zu halten”, sagte ich ihm gelassen.

      „Ada, bitte!” Seine Stimme klang leicht hysterisch, und er hüpfte nervös von einem Bein aufs andere.

      „Ich passe schon auf mich auf, Michael. Mach dir keine Sorgen”, erwiderte ich ihm und gab ihm einen beschwichtigenden Kuss auf den Mund. Schnell wandte ich mich um. Ich zog den Kragen meines Mantels enger um meinen Hals und betastete ein letztes Mal das Arsenal an Waffen, das an meinem Körper befestigt war. Entschlossen öffnete ich die Tür und sah in die Dunkelheit hinaus. Ein kühler Wind wehte mir entgegen und verpasste mir eine Entenpelle vom Feinsten. „Es ist eine gute Nacht, um zu töten”, sagte ich leise vor mich hin. Ein letztes Mal blickte ich zurück zum Pater und wusste sofort, dass er meine geflüsterten Worte genau gehört hatte. Denn er beäugte mich voller Argwohn. Er schien meinem Urteilsvermögen nicht zu trauen. Aber was soll’s, dachte ich. Jetzt ging es los. Die Nacht hatte mich zurück. Das war das Einzige, was zählte. Ich zwinkerte ihm grinsend zu. Dann sprang ich hinaus in die dunkle Welt.

      14. Die rote Welle

      Das Treiben meiner Feinde war bereits auf dem Höhepunkt angelangt. Ich hatte viel zu tun, aber ich tat es mit unverhohlener Freude. Was mich am meisten freute, war, dass ich nicht ein einziges Mal zögerte. Keine Spur von der Unsicherheit oder Angst war mehr in mir. Ich dachte nicht einmal daran, was diese Abgebrühtheit über mich aussagte oder zu welcher Art von Mensch ich geworden war. Es kümmerte mich einfach nicht. Ohne Atempause schickte ich die Monster in die Hölle zurück, aus der sie auferstanden waren. Ich bekam kaum mit, wie die Zeit verging, während ich durch meine Stadt rannte und dem nächsten Untier auf den Fersen war. Es fand sein Ende auf einem verlassenen Grundstück, in völliger Einsamkeit. Schwer atmend stand ich über ihm und starrte voller Abscheu auf das tote Ding hinunter. Mein Atem stieg in weißen Wölkchen in die kühle Nachtluft auf und wurde von dem Wind davongeweht. Als ich so dastand und die hässliche Kreatur anblickte, stiegen in mir die Wut und all der Ärger wieder auf, die ich vor dem Pater versteckt hielt. Mein ganzer Körper fing an zu beben, weil ich versuchte, gegen die rote Welle anzukommen, die sich in mir aufbaute. Sie bestand aus Wut und Hass auf diese Monster, weil sie existierten und ich deshalb hier war und mein Kind nicht hatte behalten dürfen. Es war die Wut auf die Menschen, weil sie so verdorben waren und sie es immer schlimmer machten. Und es war die Wut auf mich selbst, weil ich so dumm gewesen war zu glauben, ich könnte etwas daran ändern. Aber ich verlor den Kampf.

      Die wütende Welle

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