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sehr laut ausgesprochen, beinahe gebrüllt. Skhat entgegnete kühl: „Aber nun hast du keine Arbeit mehr, keinen Verdienst.“ „Und Ihr glaubt, dass mich das zu einem Verbrecher macht?“, Timmrin wurde noch zorniger ob der Tatsache, wie ihn der Alte einschätzte. Skhat aber blieb gelassen: „Nein, das glaube ich nicht. Auch weiß ich, dass du kein Verbrecher bist. Du bist einfach ein Knabe, der keine Arbeit hat und außerdem wütend darüber, was dieses System ihm Tag für Tag antut.“ „Woher wollt Ihr das wissen?“ „Ich sehe es in deinen Augen. Ich kann deinen Zorn sehen!“ Timmrin schwieg. Der Alte fuhr fort: „Du botst mir deine Dienste an. Ich hatte dich nicht danach gefragt. Wenn du nicht willst, dann sieh zu, dass du hier rauskommst. Behalte das Geld, meinetwegen, aber wage nicht, jemandem von unserer Begegnung zu erzählen.“ Timmrin sah dem Alten in die Augen - Augen die nichts verraten wollten. „Ich weiß nicht, wie man redet, wie man sich verhält im ersten Bezirk. Was soll ich sagen, wenn man mich nach dem Krieg frägt?“ „Das gleiche, was die anderen erzählen“, lautete die Antwort. „Was du davon bereits gehört hast. Oder du sagst, dass du nicht darüber reden willst, nicht darüber reden kannst. Stell dich stumm oder blöd, was weiß ich. Vermutlich wird dich niemand danach fragen.“ „Sehr hilfreich!“, spottete der frisch getaufte Timm und ging rüber zum Tisch um einen Blick in den Beutel mit dem Geld zu werfen. Es waren zahlreiche Fünf- und Zehn- Thamenmünzen, insgesamt etwa 200 Thamen. Skhat schien nichts auf Papiergeld zu geben. „Den Rest kannst du behalten“, erwähnte dieser beiläufig. Selbst wenn Timmrin sich mit stattlicher Kleidung eindeckte, würde ihm knapp die Hälfte bleiben – eine beachtliche Summe. Er dachte nach. Wenn er es einfach tun würde? Mit etwas Glück hätte er etwas Geld und eine Grundlage für die nächsten Tage. Vielleicht würde er wieder Arbeit finden – oder noch besser, die Stadt verlassen. Mit diesem Geld konnte Timmrin sich Vorräte kaufen, gutes Schuhwerk. „Nun, was genau soll ich im ersten Bezirk in Erfahrung bringen?“ „Das ist einfach: Ich will wissen, wo sich Argahl aufhält. Ich will wissen, ob er in der Kaserne wohnt, oder ob er einen Wohnsitz im ersten Bezirk hat.“ „Wieso sollte er denn nicht in der Kaserne wohnen? Er ist der Kommandant!“ „Weil es ihm dort zu unbequem geworden sein könnte.“ „Unbequem?“ „Stell dich nicht dümmer als du bist. Was denkst du halten die Rekruten, die an die Front müssen, von einem Mann, der selbst seit Jahren keinen Fuß in eine Schlacht gesetzt hat? Noch dazu, wenn er ihr Kommandant ist?“ Timm nickte verstehend. „Genau“, fuhr Skhat fort, „sie respektieren ihn nicht. Argahl ist zwar ein Veteran, aber kein Krüppel, wie viele Heimkehrer, nie ernstlich verwundet worden.“ „Und deswegen soll er sich nicht sicher fühlen?“ „Deswegen und weil er nicht alle Leute gleich behandelt, nicht alle Rekruten, nicht alle Väter. Aber das waren genug der Fragen. Geh und kauf dir etwas zum Anziehen. Geize nicht dabei, aber leiste dir auch nichts zu Nobles, Sachen eben, die ein Veteran tragen würde. Wenn jemand nach Wunden fragt: Du brauchst nicht unbedingt welche gehabt zu haben - du bist auf Heimaturlaub. Die Beurlaubung wurde dir als Belohnung erteilt für deine herausragenden Dienste im Feld.“ Der Alte hatte diese Dinge so erzählt, als wären sie wirklich passiert. „Wie lange bin ich beurlaubt?“, fragte Timmrin. „Zwei Monate sind üblich in solchen Fällen, um die „Helden“ ausreichend in der Heimat zu präsentieren.“ „Das wäre alles?“, erkundigte sich Timm. „Nicht ganz. Besorge dir außerdem noch ein Messer für den Notfall. Trage es aber nicht im Stiefel oder übertrieben versteckt. Veteranen dürfen Blankwaffen offen tragen. Mit einer verborgenen Klinge erregst du nur Verdacht.“ Timmrin lief ein kalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. „Wo genau soll ich in Erfahrung bringen, was Ihr wissen wollt?“ „In den Tavernen, auf der Straße! Fang ein Gespräch an, welches du auf dieses Thema lenkst. Das wirst du ja wohl fertig bringen! Vermeide den Kontakt mit anderen Kriegsheimkehrern. Die werden dir schnell auf den Zahn fühlen.“ „Das hört sich alles sehr leicht an, wenn Ihr es sagt!“, Timmrins Beunruhigung war ihm anzumerken. Der Alte aber verabschiedete ihn ebenso kühl wie schonungslos mit den Worten: „Ich erwarte dich heute Abend hier, nach Sonnenuntergang. Viel Erfolg!“ „Danke!“, verabschiedete sich Timmrin mit ironischem Unterton, „Bis später.“

      -4-

      Timmrin sah noch einmal an sich herunter, kurz bevor er die Nordbrücke erreichte, deren Zugang bewacht war.

      Er hatte sich einen langen, jägergrünen Samtgehrock mit Lederknöpfen und leicht tailliertem Schnitt zugelegt – ein kostspieliges Kleidungsstück. Darunter trug er ein weißes Hemd, unter dessen Kragen er eine breite, dunkelrote Schleife gezogen hatte, deren enden sich im Ausschnitt des Gehrocks aufbauschten. Auf eine Weste hatte er verzichtet und bei der Wahl der Beinkleider auf eine eher schlichte, beige Hose gesetzt. Geschnürte Wildlederstiefel – ein klarer Stilbruch – ragten ihm bis zu den Knien. Sein wirres, fettiges braunes Haar hatte er zu einem Zopf zusammengebunden und sich einen schwarzen Hut mit schmaler Krempe aufgesetzt, die an der rechten Seite mit einer Eisenbrosche nach oben geschlagen war. Unter dem Rock steckte in einer Lederscheide am Gürtel jetzt auch ein kleines, aber scharfes Messer.

      Von dem Geld im Beutel waren ihm gerademal 40 Thamen übriggeblieben. Er musste sparsam sein, bei den Preisen, die ihn in der Gastronomie des Reichenviertels erwarteten.

      Timmrin war zufrieden mit seinem Äußeren. Es verlieh ihm ein geradezu beflügelndes Gefühl. Sein Gang und seine Haltung hatten sich geändert. Der Schnitt seiner neuen Kleidung, die leicht gepolsterten Schultern des Gehrocks, all dies begünstigte ein verändertes Erscheinungsbild.

      Gut, dass Timmrin so gut wie keinen Bartwuchs hatte. Der Barbier hätte ihm die letzten Thamen aus der Tasche gezogen.

      Als er die Brücke erreichte, blickte er in die scharf spähenden Augen des vordersten Wachpostens, der links am Weg stand und jeden begutachtete, der über die Brücke ging. Die anderen beiden Wächter standen mit geschulterten Gewehren am Tor.

      Timmrin blieb neben dem Vorderen stehen und deutete kurz auf seinen Orden, den er sich unterhalb der rechten Schulter angesteckt hatte. Der Soldat nickte leicht. Timmrin ging weiter. Er musterte im Vorbeigehen einen der beiden anderen Wächter, der ihn mit großen Augen anstarrte.

      Timmrin trat auf den mächtigen Rundbogenbau. Auf der Mitte der Brücke, dem höchsten Punkt angekommen, blieb er stehen und blickte nach Süden. In einiger Entfernung konnte er die Dukorbrücke sehen, die beide Ufer der Stadt mit der Kasernenanlage verband. Wieder regte sich die Erinnerung, die er erneut verdrängt hatte. Panischer innerer Schmerz überkam ihn. Er begann schneller und hastig zu atmen.

      Sofort suchte Timmrin diese Gedanken zu vertreiben. Er konzentrierte sich darauf, langsam und gleichmäßig Luft zu holen, dachte wieder an seine Aufgabe.

      Er musste herausfinden, wo Argahl lebte, oder vielmehr, wo er nächtigte.

      Warum war der Alte nicht selber nach drüben gegangen, um sich umzuhören? Dafür musste es Gründe geben. Sicher wurde er wegen irgendetwas gesucht. Kein Wunder, falls sich Ereignisse, wie jenes in der Taverne „Aller Herren“, schon öfter in Zusammenhang mit seiner Person zugetragen hatten.

      Warum konnte er überhaupt derartig kämpfen und das in diesem Alter? Sicher war er ein Veteran. Wo sonst sollte dieses Schwert herkommen, wenn Skhat nicht jemanden dafür…Timmrin blockierte den Gedanken.

      Auf was hatte er sich da eingelassen?

      Nun, was immer Timm tat, es konnte kaum wagemutiger sein, als mit einer Horde Alter und Krüppel, mit Stöcken und Fackeln bewaffnet, zu versuchen, die Dukorkaserne niederzubrennen.

      Timmrins Gedanken führten ihn abermals zurück in die Nacht des Überfalls.

      Um die eigentlichen Mauern der Kaserne zog sich ein weiterer Wehrring, der von beiden Seiten des Flusses über die zwei Brückenteile frei betretbar war. Eine kleine Mauer umsäumte die Ränder der riesigen künstlichen Plattform, die von unzähligen Pfählen in einer Untiefe im Fluss getragen wurde. In ihrer Mitte war die Kaserne gebaut.

      Das eigentliche Gebäude hatte innerhalb seiner Mauern einen großen Innenhof, der zu Ausbildungszwecken genutzt wurde. An jeder Ecke des Gebäudes befand sich ein kleiner Rundturm mit Aussichtsplattform, darüber Spitzdächer, an deren Enden die Fahnen Thamhalls im Herbstwind flatterten.

      Timmrin

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