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die anderen. Ulrich war für Kinder seltener als Andreas, Leon oder Thomas. Dies meinte Ulrich und er hatte auch Recht. Auf seiner Schule gab es mehrere Kinder, die Thomas, Leon oder Andreas genannt wurden. Ulrich war aber allein.

      Ulrich war zu Hause auch allein. Meistens. Sein Vater war auf der Arbeit und seine Mutter lebte woanders. Sie hatte eine neue Familie. Wenn Ulrich also spielte, dann spielte er meist allein. Es sei denn, sein Vater hatte Zeit. Dann spielte dieser mit Ulrich. Das war aber selten.

      So schlimm, wie es vielleicht klang, war es für Ulrich nicht. Ulrich hatte ein eigenes Zimmer. Es war nicht klein. Es war aber auch keine Turnhalle. Ulrichs Zimmer war in etwa so groß, wie das Wohnzimmer. Sein Vater schlief nur in einem halben Zimmer. Auch wenn Ulrich ein großes Zimmer besaß, er konnte den Platz nicht nur für sich selbst nutzen. In seinem Zimmer standen auch einige Kleiderschränke und sein Bett. Der restliche Platz reichte aber aus, um viel Platz zum spielen zu haben.

      Ulrich baute sich eine kleine Stadt auf. Es gab viele Häuser und noch mehr Autos. Von seinem Taschengeld kaufte sich Ulrich LKWs und Busse, PKWs und Legospielzeug. Zu einer Stadt gehörten Menschen. Menschen, die mit dem Auto fuhren, aber auch Menschen, die mit dem Bus fuhren.

      Woher wussten die Menschen, wann und wohin ein Bus fuhr? Im realen Leben gab es einen Fahrplan. In Ulrichs Spielwelt auch. Ulrich bastelte sich selber einen Fahrplan. Ulrich überlegte sich, wie die Busse heißen sollten. In seiner Stadt wurden sie 501, 502 und so weiter genannt. Dieses Schema übernahm Ulrich. Es gab den 501, der zum Altstädtischen Markt fuhr. Es gab den 502, der zwischen Rosenthaler Platz und Patendamm pendelte.

      Insgesamt gab es acht Buslinien in Ulrichs Spielwelt. Sie fuhren von A nach B und kreuzten sich teilweise. Viele der Buslinien hatten eine gemeinsame Haltestelle. Es war der Altstädtische Markt. Dort konnten die Menschen in Ulrichs Spielwelt umsteigen. Von einem Bus in den anderen, sofern der Bus dort hielt.

      Ulrich orientierte sich bei der Gestaltung des Fahrplanheftes an den Busfahrplan aus seiner Stadt. Nur das Deckblatt wich davon ab. Auf diesem stand nur "Busfahrplan der Stadt Merseburg" gefolgt von der Jahreszahl, in dem der Fahrplan gültig war. Die zweite Seite, die Rückseite vom Deckblatt, war leer. Erst auf der dritten Seite folgte das Inhaltsverzeichnis. Diesem konnte jeder entnehmen, auf welcher Seite die Abfahrtzeiten der Buslinien standen. Zu jeder Linie gab es eine Haltestellenübersicht. Von wo bis wo fuhr der Bus und an welchen Haltestellen hielt er? Auf den nächsten zwei Seiten folgten tabellarisch die Abfahrtzeiten an den jeweiligen Haltestellen. Auf der einen Seite in die eine Richtung und auf der zweiten Seite für die Gegenrichtung.

      Nachdem die einzelnen Seiten, Vorder- und Rückansicht, fertig waren, klebte Ulrich die Seiten aneinander und fertig war der Busfahrplan. Dieser war meist für ein Jahr gültig. Im Frühling, Sommer, Herbst und so wie jetzt im Winter. Am ersten Januar gab es meist einen neuen Fahrplan. Auch da wich Ulrich vom Original ab. Der Busfahrplan in seiner Stadt wurde schon Mitte Dezember geändert. Aber in einer Spielwelt darf es immer anders sein als in der Realität. Auch in deiner Spielwelt.

      Elfter Februar

      Es war einmal ein blondes Mädchen, das nicht normal war. Es war ein spezielles Mädchen. Ein ganz spezielles. Dieses Mädchen war nämlich die Tochter eines Ritters und wurde Undine genannt.

      Undine lebte mit ihrem Vater auf einer großen Burg. Es war eine riesengroße Burg. In der Burg gab es einige Häuser. Die Diener und Pagen lebten dort. Auch ein paar Tiere wurden dort gehalten. Hühner, Schweine und natürlich Pferde gab es dort. Was war ein Ritter ohne Pferd? Nichts. Oder zu mindestens fast nichts.

      Rundum die große Burg des Ritters gab es Land. Es war viel Land. Dort lebten viele Menschen. Viele davon waren Bauern und arbeiteten auf dem Feld. Das Feld gehörte den Bauern nicht. Dafür hatten sie gar nicht genug Geld. Sie pachteten das Land vom Ritter und mussten dafür Abgaben leisten. Meist musste ein Zehntel des Ertrages abgegeben werden. Manchmal wollte der Ritter kein Getreide, Karotten oder sonstiges, was auf dem Feld wuchs. Manchmal wollte der Ritter Gold sehen. Gold, das eine Mindestmenge betragen musste.

      Doch woher bekamen die Bauern das Gold? Sie verkauften das Getreide an den Müller. Sie verkauften die Karotten auf dem Markt. Der Markt, der in der Regel in der nächsten Stadt zu finden war. Manchmal gab es genug Gold, um den Ritter zu bezahlen, aber nicht immer. Nicht immer konnte der Bauer alles verkaufen. Nicht immer war das Getreide gefragt. Nicht immer wollten die Stadtbewohner Karotten kaufen.

      Manchmal gab es ein Überangebot an Waren. Das Getreide stapelte sich beim Müller. Er nahm nichts mehr an. Er hatte für die nächsten Monate genug Getreide. Unverrichteter Dinge musste der Bauer wieder nach Hause gehen. Mit seinem Esel, der den Wagen zog. Der Wagen, der mit Getreide beladen war. Ohne Einnahmen verließ der Bauer oder seine Frau den Markt. Dort gab es genügend Karotten. Jeder Marktstand verkaufte Karotten. Doch so begehrt waren sie nicht. Zu mindestens jetzt nicht.

      Es kam, wie es kommen musste, der Bauer verschuldete sich. Manch ein Ritter fand es nicht toll, doch die meisten hatten ein Einsehen. Ein paar Schulden waren nicht schlimm. Bald sollte alles besser werden. So hofften der Bauer und der Ritter gleichermaßen. Schulden zu machen, kam öfters mal vor. Wenn die Ernte schlecht war oder es ein Überangebot auf dem Markt gab. Im nächsten Monat oder Jahr war der Bauer schuldenfrei. Das war in den meisten Fällen so, aber nicht immer.

      Vor einiger Zeit traf es einen Bauern besonders hart. Im letzten Jahr gab es ein Überangebot an Waren. Alles, was er anbaute, bauten auch andere an. Der Bauer verkaufte nahezu nichts auf dem Markt. Einige Karotten konnte er selbst nutzen, doch der Rest wurde Müll. Leider. Früher gab es noch keinen Kühlschrank. Im Kühlschrank hätten sich die Karotten länger halten können. Doch so verdarben sie nach einigen Wochen.

      Im darauffolgenden Jahr hätte er die Karotten gebrauchen können. In diesem Jahr gab es viel Regen. Sehr viel Regen. Zu viel für das Getreide. Zu viel für die Karotten. Die Ernte ging unter.

      Es stand so viel Wasser auf den Feldern, dass fast alles verdarb. Das, was übrig blieb, war nicht viel. Die Pacht damit zu bezahlen war unmöglich. Als der Ritter es erfuhr, wurde er sauer. Wieder hatte er keine Einnahmen. Der Bauer kam in den Kerker. Ja und wenn der Ritter den Bauern nicht begnadigte, dann sitzt der Bauer noch immer im Kerker fest und hofft auf Gnade.

      Zwölfter Februar

      Es war einmal ein Tag im Februar. Genauer gesagt, war es der zwölfte Februar. Obwohl es ein Wintertag war, sah es keiner. Auch Vincent sah keinen Wintertag. Nirgendwo war etwas weißes zu sehen. Nirgendwo lag Schnee. Dafür waren die Temperaturen zu hoch.

      Es waren zwar keine sommerlichen Temperaturen, doch bitterkalt war es auch nicht. Am Tage und in der Nacht zeigte das Thermometer immer Plusgrade an. Selbst in einer sternenklaren Winternacht, fiel die Temperatur nicht unter null Grad Celsius. Niederschlag gab es trotzdem. Vor allem heute gab es Niederschlag - natürlich nicht in Form von Schnee. Es regnete. Mal regnete es mehr, mal weniger.

      Vincent hatte keinen Regenschirm, wenn er unterwegs war. Brauchte er auch nicht. Seine Mutter hätte es gern gesehen, Vincent hätte einen gehabt. Doch Vincent wollte nicht. Seine dunklen Haare konnten ruhig nass werden. Aus Zucker waren sie nicht. Und sollte es doch etwas zu viel regnen, so gäbe es immer noch ein Handtuch. Mit diesem könne er seine Haare trocken reiben. Dies sagte er immer wieder zu seiner Mutter.

      Vincent musste heute im Regen laufen. Von seiner Schule ging es rund einen halben Kilometer bis zur U-Bahn. Vincent hätte auch die Straßenbahn nutzen können, doch viel gebracht hätte es nicht. Er hätte rund zweihundert Meter bis zur Haltestelle in die entgegengesetzten Richtung laufen müssen. Dann wäre er in die Straßenbahn eingestiegen. An der nächsten Haltestelle wäre er wieder ausgestiegen und zur U-Bahn gelaufen.

      Vincent lief zu Fuß. Als er losging, regnete es kaum. Es gab ein paar Pfützen auf dem Bürgersteig, aber nichts Weltbewegendes. Die paar Pfützen umkurvte Vincent locker und leicht. Während er lief, fuhr eine Straßenbahn vorbei. Vincent lief nur geradeaus. Es ging dabei bergab. Zweihundert Meter vor dem Ziel musste er eine Straße überqueren, und dann war er schon fast an der U-Bahn-Station.

      Vincent

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