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Mutterherz Teil 3. Julie Starke
Читать онлайн.Название Mutterherz Teil 3
Год выпуска 0
isbn 9783738042979
Автор произведения Julie Starke
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Du wusstest das?“
„Ich bin Ermittler.“
„Levin Hönig. Sie sind vor Ewigkeiten in der gleichen Schule gewesen. Er war der Bruder ihrer damals besten Freundin und sie wollte in den Ferien lieber bei den Hönig-Kindern sein, als bei uns. Unsere Eltern waren nicht sehr glücklich über diese Freundschaft. Christine hat mir gegenüber nie erwähnt, dass sie noch Kontakt hat. Nicht mal, als sie mir von Gorleben erzählte. Als wolle sie ihn verschweigen. Aber ich hab Fotos gefunden. Er sieht ein wenig“ – sie suchte ein passendes Wort „alternativ aus.“
„Wir haben ihn als Tatverdächtigen ausgeschlossen. Ihn und seine Schwester.“
„Werdet ihr den Täter je finden?“ seufzte Silvia mit gequältem Gesichtsausdruck.
„Wir sind dran!“ beeilte Tim sich zu sagen. „Deduktion bedeutet, dass wir nach und nach die Personen in Christines Umfeld ausschließen. Ein paar Kandidaten haben wir noch.“
Tim blieb bei Silvia Hänggi, bis der letzte Karton herausgetragen war. Sie verabschiedeten die Möbelpacker und Tim kehrte eigenhändig die leeren Räume aus, weil er irgendetwas tun wollte. Kaum eine Viertelstunde später gab Silvia in Tims Beisein die Schlüssel an die Vertretung der Hausverwaltung ab. Tim besah sich noch einmal die leeren Räume, die nach Reinigungsmittel rochen. Nichts erinnerte mehr an Christine Deubacher und ihr schreckliches Ende. Seine Schritte hallten merkwürdig laut. Das hier war der erste Tatort seines Lebens gewesen. Silvia unterschrieb, was zu unterschreiben war und sah beim Verlassen nicht zurück. Das Kapitel Wohnung in der Moltkestraße war endgültig zu Ende.
Sonntag, 29. April 2012
„Erzählst du mir was von deiner ersten Liebe?“ bat Silvia. Tim sah sie wortlos an.
„Das kann ja noch gar nicht so lange her sein“, piekte sie hinterher und grinste dabei. Tim blieb stumm.
„Oder bin ich etwa…?“
Tim schüttelte den Kopf. „Nein, den Gefallen kann ich dir leider nicht mehr machen. Meine erste Liebe hieß Nadine und war etwas älter als ich.“
„Ich merke schon, du hast ein Faible für ältere.“
„Das hatte ich auch damals schon. Sie war zwei Monate vor mir geboren.“
„Und, was habt ihr so gemacht?“
„Was man so macht eben…“
„Doktorspiele?“
„Ja, sicher. Und Fesselspiele à la Räuber und Gendarm, Indianer und Cowboy und Seeräuber und Piraten… Und nicht zu vergessen: Kaufladen!“
„Wie? Also, unter Räuber und Gendarm und den anderen Sachen kann ich mir noch etwas vorstellen… Aber was ist denn Kaufladen?“
„Sie hatte einen zu ihrem vierten Geburtstag bekommen und dazu eine Registrierkasse mit Piepsgeräuschen. Wir haben Stunden um Stunden damit gespielt!“
„Ich wollte etwas über deine erste Liebe wissen.“
„Sie hieß Nadine und war meine erste Liebe.“
„Und später? Ich meine, wann wurde es ernst?“
„Es war mir mit meinen Freundinnen immer ernst.“
„Hattest du viele Freundinnen?“
„Willst du, dass ich sie durchnummeriere?“ er sah sie provokativ an und knickte ein, als er in diese wunderbaren milchkaffeebraunen Augen sah.
„Mach doch diesen Augenblick nicht mit solchen Fragen kaputt.“
„Nein“, sagte Silvia sanft. „Das will ich nicht.“ Sie schwieg eine Weile. Dann hob sie doch denn Kopf.
„Aber ich muss trotzdem noch etwas wissen.“
„Was?“
„Was bin ich für dich?“
„Was du für mich bist?“ wiederholte Tim überrumpelt. „Was willst du, was soll ich für dich sein?“
„Ich weiß nicht…“ sagte sie. „Auf keinen Fall darf mein Mann etwas davon erfahren und vor allem nicht die Kinder!“
„Ich stehe unter Schweigepflicht, falls dich das beruhigt. Nichts zwischen uns wird je nach außen gelangen, es sei denn, ich erhalte die ausdrückliche Erlaubnis.“
Silvia Hänggi seufzte und eine ihrer goldenen Locken fiel in die Stirn.
„Die wirst du nie erhalten. Nie!“ Sie pustete sich die Locke von den Augen. „Ich weiß, dass ich hier eine Lüge lebe. Meine Kinder sind mein Leben. Die Welt, in der sie aufwachsen, ist in Ordnung und das muss sie weiterhin sein. Mein Herz sagt mir, dass ich alles tun muss, um ihre Welt heil erscheinen zu lassen. Dazu kann man schon mal lügen.“
„Silvia…“ Tim klang bittend. Warum mussten Frauen die schönste Sache der Welt immer gleich analysieren und zerreden?
„Du weißt, dass das mit uns nicht funktioniert. Nicht funktionieren kann. Ich will, dass du das weißt.“
„Sei still!“ bat Tim und küsste sie.
„Nein, hör mir zu!“
„Ich will jetzt nichts hören!“ sagte Tim und küsste ihren Hals in Richtung Schulter. Sie stöhnte auf. „Tim!“
„Ich weiß, dass ich so heiße…“ murmelte er und drückte sie sanft in die Kissen. Er schob sich auf sie.
„Tim!“ flüsterte sie, aber es lag so viel Genuss in der Stimme, dass Tim sich sicher war, die richtige Ablenkung von den Fragen, die er weder hören noch beantworten wollte, gefunden zu haben.
***
Die Mittagssonne brannte, als hätte sie die letzten Wochen nur darauf gewartet, ihre ganze Kraft endlich entfalten zu dürfen. Tim trug seine Sonnenbrille und drückte das Gaspedal. Kellers eleganter BMW schnurrte wie eine Katze über die Autobahn A8, um Silvia Hänggi mit ihrem Gepäck und einem Strauß voller gemischter Gefühle zum nordöstlich gelegenen Augsburger Flughafen zu bringen. Sie sprachen kaum ein Wort und Tim war dankbar, dass das Radio lief. Ihm wäre die Stille peinlich gewesen.
Er brachte sie samt ihrem Trolley noch bis zum Rollfeld. Die Sonne leuchtete ihr ins Gesicht. Sie schob sich die Sonnenbrille hoch auf ihre blonden Locken und gab damit den Blick auf ihre Augen frei. Durch die blaue Tönung seiner Brille wirkten ihre sonst milchkaffeefarbenen Augen oliv. Feine Linien an den äußeren Augenwinkeln entstanden durch ihr Blinzeln. Der Wind ließ ihren gelben Seidenschal hin und her flattern. Tim brachte es nicht fertig, seine Sonnenbrille ebenfalls abzusetzen, obwohl er einen starken Drang dazu verspürte. Sie griff nach seiner Hand und Tim ärgerte sich. Nicht darüber, dass sie ihn berührte. Sondern drüber, dass ihr schönes Gesicht durch seine Brille bläulich und der gelbe Schal grünlich wirkte. Seine normale Brille lag in der Detektei und wenn er nun die Wahl zwischen bläulicher Silvia oder unscharfer Silvia hatte, fiel ihm die Abwägung nicht schwer. Er hoffte nur, dass er mit seiner Sonnenbrille cool wirkte und nicht unhöflich oder gar lächerlich.
„Auf Wiedersehen, Tim!“ ihre Stimme klang sehnsüchtig.
Würde es je ein Wiedersehen geben? Tim wusste es nicht. Möglicherweise war es besser für beide, wenn es keines gab. Er wählte seine Worte mit Bedacht. „Alles Gute, dir!“
Zum Abschied gab er ihr einen Kuss und als seine Lippen ihre berührten, flatterte der gelbe Schal in sein Gesicht. Der Duft Silvias hing in jeder Faser des Stoffes. Sie lachte hell und nahm den Schal ab.
„Lass ihn mir da“, bat Tim und griff danach. Sie sah ihn mit lächelnden Augen an und ließ den Schal los.
Tim blieb stehen, den wehenden Schal an einem Ende