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Politik und des Darstellungshandelns. Auch wenn es zumeist nur um ein angemessenes Mehr geht, so sind doch viele der von Meyer aufgeführten Erscheinungen wie Stereotypisierung, Inszenierung, Personalisierung, Ästhetisierung seit der klassischen Rhetorik integrale Bestandteile politischen Handelns und nicht erst Erscheinungen der modernen Mediengesellschaft, jedenfalls soweit es um politische Rhetorik in Demokratien vor einem Massenpublikum geht; persuasive Rhetorik bedient sich grundsätzlich solcher Mittel, allerdings verdienen die spezifischen Ausprägungen und Funktionen in der modernen Mediengesellschaft durchaus Beachtung. Die Rhetorik ist jedenfalls seit Aristoteles ein ganzheitlicher Ansatz, der alle wesentlichen Dimensionen zur Gewinnung von Glauben bei einem Publikum einschließt und auch für die Analyse neuerer Entwicklungen taugt.

      Auch das sog. Politainment40, also die Politik als Mischung von Information und Unterhaltung in den Medien, ist nicht völlig einseitig – wie so mancher intellektueller Kulturkritiker es tat – als Verfall zu deuten, im Sinne eines „großen Verblendungszusammenhangs“, als Vernachlässigung politischer Information, als Entpolitisierung durch Verlust der Deliberation, was in der Perspektive geschichtsphilosophischer und kulturkritischer Dekadenzbetrachtung als große Zerstörung, ja kollektive Gewalt wahrgenommen wird. Die politische Unterhaltungskultur zeichnet sich zwar vor allem aus durch Simplizität, Trivialität, Pointilisierung, Visualisierung, Personalisierung, Konflikthaftigkeit der Menschen und Vorstellungen, Erzeugung von Spaß und Spannung, spricht also zuvörderst emotionale Dimensionen an, aber sie hat zweifelsohne neben den negativen Auswirkungen speziell auf überzeugende Argumentation und Erläuterung komplizierter Sachverhalte auch positive: Gewinnung breiter Schichten der Bevölkerung für Politik und Reduzierung von Politikverdrossenheit, indem Politik sichtbar und sinnlich erfahrbar wird, Erzielung öffentlicher Aufmerksamkeit für politische Themen und Konstruktion politischer Vorstellungs- und Deutungsmuster, Vermittlung wichtiger Werte und Sinnverständnisse, die zur Konsensbildung und Integration der politischen Kultur beitragen, so vor allem im Bereich politischer Grundwerte und der Abgrenzung zu totalitären Ideologien.

      Andererseits ist insbesondere als negativ zu vermerken, dass Tendenzen verbreiteter politischer Korrektheit auf die Ausblendung von Normen, Werten und Einstellungen drängen, indem vor allem dominante Mehrheitsmeinungen im Medienangebot sind, eine große Unentschiedenheit bei der Vielfalt von Angeboten und das Prinzip der Beliebigkeit, des „Anything goes“, herrschen, nicht selten eine fast grenzenlose Toleranz gegenüber Mainstream-Meinungen bzw. der großen Vielfalt von Lebensstilen und Interessen, Werten etc. eingefordert wird, unter Ausblendung konterkarierender Kritik; schon allein die ökonomische Orientierung der Medien an Einschaltquoten, Verkaufszahlen, Werbeeinnahmen legt ein solches Verhalten nahe, neben der die Meinungsvielfalt bedrohenden Unterhaltungskultur. Die kritischen Schlagworte lauten: Zerstörung des Politischen durch Vermeidung überzeugender Argumentation und der Erläuterung komplizierter Sachverhalte, Zwang durch politische Korrektheit und Verschweigen von Meinungen, „Terror“ der auferlegten Vielfalt und Offenheit für alles, Rezeption im Modus des Konsums in der Erlebnisgesellschaft. Hier treffen sich linksintellektuelle und konservative Kulturkritik, die Bewusstseinsindustrie entfalte durchaus destruktive Wirkungen mit ihrer Unterhaltungskultur, der „Interpenetration von Show- und Polit-Business“ (Dörner)41, der Symbiose zwischen Politikern, Medienmachern und Publikum, dem emotionalen Zugang zur politischen Welt.

      Bei der Reflexion über politische Kultur und ihre Deformation wählt Erhard Eppler42 einen grundsätzlicheren, nämlich sprachkritischen Ansatz, indem er die Frage stellt, ob Sprache dem entgegenkommt, was den Erfordernissen und Aufgaben entspricht, vor allem in einer global ausgerichteten Risikogesellschaft, die sich nicht mehr so stark wie bisher von traditionellen Fortschrittsideen, Verwaltungsansätzen und dem Handeln in Stückwerksarbeit leiten lassen dürfe. Er beklagt insbesondere Mängel der Sprache an Präzision, Bildschärfe, Konkretheit, Differenzierung, Wirklichkeitsnähe, Verbindlichkeit, Ausdrucksstärke. Neue Handlungsnotwendigkeiten erforderten auch eine veränderte Sprache. Wandel der Herausforderungen und Wandel der Sprache bedingten sich wechselseitig. Eine Dominanz zu falschen Begriffsbesetzungen könnte dazu beitragen, den Druck auf die Politik, Kehrtwendungen vorzunehmen, zu reduzieren. Allerdings haben sich mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland in politischen Institutionen und bei der Bevölkerung zahlreiche ökologische Begriffe, Maßstäbe und Orientierungen herausgebildet, die sich aber leider häufig in einer apodiktischen, aggressiven, moralisierenden und auf Freund-Feind-Verhältnisse abstellenden und nicht verständigungsbereiten Sprache zeigen.

      Die zivilisatorische Entwicklung hin zu einer modernen Gesellschaft und freiheitlich-demokratischen Ordnung wäre ohne Einschränkung von Emotionen, ohne „Affektdämpfung“, ohne Bändigung von destruktiven Kräften wie Hass, Wut, Aggression, gerade auch in verbal-rhetorischer Form, nicht möglich gewesen. Hass gilt als das Zerstörende, das Extreme, das sich im äußeren und inneren „Staatsfeind“ verkörpert, der in demokratischer Ordnung zum einzigen Objekt legitimen Hasses werden darf. Hass als Extremform der Verneinung und Lust auf „Vernichtung“ des anderen gilt ansonsten als infam und unterliegt starker Tabuisierung, ebenso auch andere Regungen wie Rache, unkontrollierter Zorn; es findet sich kaum jemand, der solche Dispositionen zu verteidigen oder zu propagieren bereit wäre. Sie sind niedrige Instinkte, die bestenfalls hingenommen werden dürfen (müssen), wenn Verstöße gegen grundlegende Prinzipien und Ordnungen freiheitlicher Gesellschaft erfolgen.

      In extremen Ideologien finden sie jedoch Akzeptanz, ja sie werden geradezu eingefordert, zumeist für ausgegebene hohe und höchste Ziele wie Schutz von Volk und Nation, der Rasse, Klasse, von Weisen der religiösen Hingabe; Feindschaft gerät zu offenem Hass auf Personen und Gruppen, die als zutiefst verabscheuungswürdig dargestellt werden. Leidenschaftliche Verneinung des Feindes ist dann moralisch, wenn sie der Bewahrung hoher Werte dient. Maßhalten bezüglich der Affekte ist Verrat, Maßlosigkeit gegenüber dem Feind gehört zu den propagandistischen Postulaten.

      Es gibt aber auch in unserer Demokratie außerhalb der Verurteilung von Extremismus häufig Hass, Zorn, Wut, die ein beachtliches Maß an Akzeptanz erfahren, vor allem in Gestalt demonstrativen Protests, wie der vielfach positiv besetzte Begriff des Wutbürgers signalisiert. Hier geht es zumeist nicht um Infragestellung fundamentaler Werte und Ordnungen, sondern um vehemente Kritik an einzelnen Vorhaben, Praktiken, Gestaltungen etc., wobei die sich als Gutmenschen Verstehenden einen hohen, ja überlegenen moralischen Status gegenüber anderen, zumeist schweigenden Mehrheiten beanspruchen, auch wenn es sich primär um eigene Interessen und Vorteile handelt. Der Glaube an den hohen Wert der vertretenen Sache ist unabdingbar, damit nicht die fanatische Gesinnung unglaubwürdig wird und selbst bei den Protestlern ein schlechtes Gewissen wachruft. Für solche Phänomene der öffentlichen Demonstration ist der Begriff des Protestes angemessen, der auf eine relativ sanfte Kultur rhetorischen Drucks hinweist.

      Politische Führung wird heute herausgefordert durch in jüngster Zeit recht stark gewordene Protestformen und soziale Bewegungen wie beispielsweise Stuttgart 21, Occupy mit ihrer Kapitalismus- und Globalisierungskritik, Anti-Atomkraft-Demonstrationen, durch öffentlichen Dauerwiderstand gegen Flughafenausbau und Fluglärm, Piraten und Piratenpartei, vor allem auch durch Aktivitäten im Internet, das im Rahmen der vielfältigen öffentlichen Protestkultur zunehmend an Bedeutung gewinnt43. Die Formen des Protestes reichen von eher passiv-demonstrativen über provokativ-aktivistischen bis zu gewaltbereiten Protesten, und ganz unterschiedliche Ideen und Ziele liegen diesen Phänomenen zugrunde, oft in einer schwer zu entwirrenden Mischung: anarchistisch, kommunitaristisch, basisdemokratisch, antietatistisch und auf kleine Einheiten abstellend. Immer geht es um eine größere Partizipation im öffentlichen Raum, um eine Art demokratische Eroberung von unten nach oben, vielfach getragen von dem Leitmotiv „Empört euch!“. Der Bahnhof Stuttgart wurde zum Symbol für den Typus des neuen sog. Wutbürgers, der die Missachtung seiner Ziele für großes Unrecht hält und protestierend auf die Straße geht, oft über Wochen und Monate in regelmäßigen Zeitabständen, aber auch bei ganz konkreten Anlässen, wobei die Anliegen in einen Kontext mit hehren Werten wie Umweltschutz, Freiheitsrechten, Gesundheit, Lebensschutz etc. gebracht werden, man sich häufig nicht scheut, den eigenen Protest in großer Anmaßung in den Zusammenhang mit den Montagsdemonstrationen in Leipzig zu DDR-Zeiten oder den Befreiungsbewegungen in der arabischen Welt zu stellen, entsprechend Abscheu, Wut, Spott, Hass gegen Andersdenkende verbreitet, Starrsinn und Unbelehrbarkeit zeigt

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