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der Menge kollektiv verbindlicher Entscheidungen, damit gestiegene Aufmerksamkeit für das politische System; kontinuierliche Erweiterung des Programmangebots, auch an politischen Informationen, vor allem durch Zulassung privater Sender und dementsprechende Einbeziehung politischer Öffentlichkeitsakteure; Wertewandel und Auflösung sozialstruktureller Milieus, Pluralisierung und Individualisierung – vor allem nachlassende Bindung an politische Gruppierungen, mit der Konsequenz eines wachsenden Bedarfs an Überzeugungskommunikation und der Erzeugung von Zustimmung zu Programmen und Entscheidungen. Die gesellschaftliche Entwicklung ist gekennzeichnet durch die abnehmende Verbindlichkeit von Traditionen, reduzierte soziale Kontrollen, eine erhöhte Bereitschaft, sich bietende Wahlfreiheiten zu nutzen, durch eine entsprechende Pluralisierung der Lebensstile. In der Politik zeigen sich diese Entwicklungen ebenfalls in der Weise, dass tradierte politische Milieus aufweichen und soziale Gruppenbezüge für politische Orientierung und Meinungsbildung an Bedeutung verlieren. Wachsende Wahlenthaltungen, ein beweglicheres Wahlverhalten und konsequenterweise weniger Stammwähler, Stagnation oder gar Schrumpfen der Mitglieder in den großen Volksparteien beweisen die nachlassende Bindungskraft in der Politik und eine eher instrumentelle bzw. stimmungsabhängige, gefühlsbetonte Einstellung der Bevölkerung.

      Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der öffentlichkeitssoziologische Ansatz mit dem rhetorischen Paradigma auch insofern Gemeinsamkeiten hat, als hier von so manchem Autor an Kommunikationsstrukturen und eine Sphäre öffentlichen Handelns gedacht wird mit bestimmten anspruchsvollen Merkmalen und Funktionen. Hier werden nämlich Kriterien in einem Modell von Öffentlichkeit entwickelt wie die Inklusion möglichst aller Beteiligten in die öffentliche Kommunikation, die Reziprozität von Hörer- und Sprecherrollen in den Beziehungen, eine weitgehende Offenheit für Themen und Beiträge, eine adäquate Kapazität der öffentlichen Sphäre zur Bearbeitung von Problemen und schließlich eine „diskursive“ Struktur der Debatten. Die öffentlichen Kommunikationen in solch hochwertigen Diskursen sollen zu reflektierten Überzeugungen und Urteilen des Publikums und zu rationalen politischen Entscheidungen führen. „Auseinandersetzungen über Problemdefinitionen und Lösungsvorschläge werden mit Argumenten ausgetragen, die Anspruch auf eine kollektive Akzeptanz erheben, welche auf geteilter, zwanglos erzielter Überzeugung beruht“29. Die diskursive Kommunikation erfolgt mit Bezug auf andere Akteure, mit Begründungen auf einem hohen Rationalitätsniveau; Resultate sind der Konsens oder eine argumentativ gestützte Mehrheitsmeinung, Legitimität der Entscheidungen und Gemeinschaftsbildung durch Diskurs. Bisweilen wird eine diskursive Öffentlichkeit in Verbindung gebracht mit bürgernahen individuellen oder kollektiven Akteuren sog. Zivilgesellschaft (zu denen das sog. politische Zentrum und die großen Interessenverbände nicht hinzuzählen), die die Öffentlichkeit dominieren sollen. Habermas unterscheidet eine „autochthone“ von einer „vermachteten“ Öffentlichkeit, wobei bei ersterer vor allem an soziale Bewegungen, freiwillige Assoziationen und informelle Milieus gedacht wird.

      Gegen solche normativen Konzepte von Öffentlichkeit gibt es vielerlei berechtigte Einwände, die wichtigsten seien kurz genannt:

      1 Das geforderte hohe Maß an politischer Teilnahme und Initiative im politischen Prozess ist illusorisch, weltfern und mit moderner Demokratie nicht vereinbar. Dahrendorf hat schon sehr früh in einer „grenzenlosen“ aktiven Öffentlichkeit aller Bürger einen fundamentaldemokratischen Irrtum gesehen. Dahrendorf unterscheidet in seiner bereits klassisch gewordenen Definition zwischen aktiver, latenter und passiver Öffentlichkeit und kann in hoher politischer Teilnahme keineswegs ein Zeichen „gesunder“, also gefestigter und verlässlicher politischer Verhältnisse erkennen, vielmehr signalisiere sie politische Störungen oder politischen Zwang. Ein erhebliches Maß an politischer Teilnahmslosigkeit gehe durchaus mit repräsentativer Demokratie zusammen, ja sei sogar wünschenswert: „Initiative verlangt Initiatoren (und natürlich Realisierung Realisatoren und Kontrolle Kontrolleure). Dass alle prinzipiell Berechtigten dies leisten, ist unwahrscheinlich, zu fordern, dass alle prinzipiell Berechtigten es leisten sollen, ist für den politischen Prozess hinderlich, wenn nicht vernichtend“30.

      2 Zur Politik gehört auch, dass viele Fragen sich nicht durch Konsens bzw. Kompromissfindung lösen lassen, sondern durch Mehrheitsentscheid.

      3 Die Akteure im Zentrum der Politik sind in hohem Maße durch Wahl legitimierte Akteure, und es gibt in den verschiedenen Verfahren der Interessenvermittlung wahrscheinlich kein gerechteres Verfahren der Interessenabbildung als das des allgemeinen und gleichen Wahlrechts: „Insofern können die kollektiven Akteure, die durch Wahlen legitimiert sind, auch eine besondere Legitimation in der Öffentlichkeit für sich reklamieren“, meint Gerhards31.

      4 Eine diskursiv begründete Mehrheitsmeinung kann für sich nicht mehr Legitimation beanspruchen als eine Mehrheitsmeinung, die ohne anspruchsvollen Diskurs zustande gekommen ist: „Der öffentlich aggregierte Gesamtwille ergibt sich aus der Aggregation der Individualmeinungen. Qualitätskriterien zur Beurteilung der öffentlichen Äußerungen werden abgelehnt, weil sie eine Instanz der Beurteilung voraussetzen, die jenseits der Individuen liegt“32.

      5 Die Akteure des sog. politischen Zentrums und der großen Interessenverbände werden systematisch diskriminiert, weil ihnen die den Sprechern der autochthonen Zivilgesellschaft zugeschriebenen Qualitäten wie Spontaneität, Kreativität, Diskursivität, Freisein von Ideologie und speziellen Organisationsinteressen abgesprochen werden. Es wird ohne Begründung von einem hohen Rationalitätsniveau der „autochthonen“ gegenüber den „vermachteten“ Öffentlichkeiten ausgegangen, obwohl die Praxis häufig das Gegenteil zeigt.

      6 Politik kann in der sozialen Wirklichkeit nicht vor allem aus Deliberation und aufgeklärtem Diskurs bestehen, sondern auch aus Expressivität und symbolischer Aggression in Form von Verlautbarung und Propaganda. Das Publikum gelangt nicht nur über diskursive Kommunikation zu reflektierten Meinungen, sondern auch über die Transparenz der Vielfalt vorgetragener Meinungen, auf welchen Überzeugungsmitteln sie auch im Einzelnen beruhen.

      Trotz der Ablehnung der in Teilen der Öffentlichkeitssoziologie aufgestellten rigiden Forderungen an politische Kommunikationen bedeutet das keineswegs, dass es eines Fundaments an Normen und ihrer Einhaltung nicht bedürfte. Die Öffentlichkeitssoziologie hat zahlreiche Defizite in der politischen Kommunikation in demokratischen Ordnungen herausgearbeitet, die nicht auf politikfernen-utopischen Urteilen beruhen und unter dem Terminus symbolischer Aggression oder Gewalt subsumiert wurden; genannt seien Strategien wie Beleidigung, Signalisierung von Verachtung und Feindschaft, Täuschung und Manipulation, Motivverdächtigung, unangemessene moralische Aufladung. Da sich Kommunikationen in freier Gesellschaft vor allem in der Form der Auseinandersetzung um Personen und politische Positionen vollzieht, wurden die Fragen der normativen Postulate an politische Kommunikation in der Hauptsache unter dem Begriff der Streitkultur diskutiert.

      4. Gewaltfreie Streitkultur

      Der Ausschluss gewaltbesetzter politischer Kommunikation in freiheitlicher Ordnung und demokratischer Gesellschaft ist eine zentrale Aufgabe, entsprechend gilt es eine angemessene Streitkultur zu bewahren bzw. herzustellen33.

      Dabei sind grundlegende Gesichtspunkte zu beachten. Die Diskussion von Meinungen, auch in Form der Polemik, des Streitens, gehört zu einem Staat, in dem Freiheit herrscht. Zahlreiche staatsphilosophisch-politologische Denker von Aristoteles über Montesquieu und Tocqueville bis hin zu Popper haben auf die Unverzichtbarkeit des Streitens in offener Gesellschaft hingewiesen. Es gehöre geradezu zum Wesen eines freiheitlichen Staates, Pluralität und Heterogenität zuzulassen und konsequenterweise auch Meinungsvielfalt und Konflikte. Konkurrenz von Meinungen in demokratischer Ordnung verhindert, dass eine Idee verabsolutiert wird; sie trägt dazu bei, dass der Kampf um Ideen und die beste Gestaltung der Politik zu einem lebendigen wie gedeihlichen Austrag kommt und infolge zu einem guten Zusammenleben in einer Gesellschaft führt.

      Allerdings bedarf es zur Umsetzung dieser fundamentalen Anforderung vor allem institutioneller Vorkehrungen zur Gewährleistung einer der freiheitlich-demokratischen Grundordnung adäquaten Konfliktaustragung, weiterhin aber auch eines darüber hinausgehenden Konsenses, welche Formen der Auseinandersetzung legitim und wo Grenzen für Polemik zu ziehen sind. Es stellt sich die Frage nach einer demokratischen

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