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Hier setzt nun wieder die Definitionsmacht von Psychologie und Pädagogik ein. Denn sobald die sensibilisierten Erzieher an die Grenzen einer intakten Erziehung kommen, dieses sind bei einer prinzipiellen Infragestellung schnell erreicht, werden sie angehalten, sich den Experten anzuvertrauen. Kompetenzen Rat suchen, gehört ja mittlerweile zur sozialen Rolle des „aufgeklärten“ Erziehers (Illich empfiehlt hier bekanntlich seine entfremdungstheoretisch begründete Rückkehr zum einfachen Leben, zur Pädagogik in Selbstverantwortung).

      Zwar hat die Institutionalisierung / Professionalisierung zweifellos auch zu einer Steigerung individueller Handlungschancen im Erziehungsbereich geführt – ich vermute jedoch, dass infolge der Entlastung durch Institutionen bzw. Experten, den Erziehern wesentliche Erfahrungen verwehrt bleiben, denn nicht selten stürzt die Steigerung individueller Handlungschancen die Betroffenen in eine neue Zwangslage: Es sind dies die Erfahrungen mit den Möglichkeiten „falschen Handelns“ sowie der Umgang mit den bewusst gewordenen Risiken der Erziehung. In solchen Fällen ist man dann nämlich wieder auf den Experten angewiesen.

      Der Monopolprozess der Erziehung kann die Betroffenheit durch schwere Konflikte und Krisen in der Erziehung jedoch nicht abdecken. Es gehört wohl zu den allgemeinen Erfahrungen von Erziehern, dass wirkliche Hilfe in Problemfällen der Erziehung durch soziale Institutionen, Beratungsdienste, pädagogische Literatur, nicht oder nur unzureichend gesichert ist. Man kann vielleicht daher von einer soziogenen Angst vor Verlassenheit in Situationen äußerster Hilfsbedürftigkeit sprechen. Sie entsteht nach der Theorie der Zivilisation mit der Existenz gesellschaftlicher Monopolinstitute, die Erziehung als Risiko auch im Bewusstsein der Einzelnen ausdifferenzieren. Die öffentliche Diskussion über Erziehungsfragen setzt eine Suche nach zusätzlichen Hilfsangeboten und Garantien in Gang. Eine antizipierende Vergegenwärtigung der eigenen Hilflosigkeit, das Bewusstsein der eigenen latenten Fehlbarkeit, motiviert den Versuch, Verpflichtungen und Bindungen bei den Personen (Eltern) zu erzeigen, die sich dem Ersuchen um Hilfe durch einen Hinweis auf gesellschaftliche Institutionen entziehen könnten.

      Das Material der Untersuchung – „Ratgeber – Frau und Familie“

      Erscheinung und Auflage:

      Die monatlich erscheinende Zeitschrift „Ratgeber – Frau und Familie“ kam 1982 im 77. Jahrgang heraus. Seit 36 Jahren ist der „Ratgeber“ auf dem Zeitschriftenmarkt vertreten. Aus der Kundenzeitschrift der Firma Weck22 wurde im Jahr 1950 eine Publikumszeitschrift, von der zum Preis von 0,40 DM bei einer Druckauflage von knapp 100 000 Heften über 72 000 Exemplare verkauft wurden. Im ersten Halbjahr 1982 kam lt. IVW-Meldung23 die durchschnittlich verkaufte Auflage auf 440 196 Exemplare. Davon wurden 93% im Abonnement, die restlichen Hefte im Einzelverkauf abgesetzt. Ein Heft kostete im Jahr 1982 2,50 DM. Der am Zeitschriftenkiosk auch seines kleinen Formats wegen kaum in Erscheinung auftretende „Ratgeber“ nimmt im Vergleich mit den Auflagen anderer Frauen- und Familienzeitschriften eine gute Mittellage ein24.

      Leserschaft und Verbreitung

      Laut Media-Analyse 8225 sind 63% der Ratgeber-Leser Frauen. Das ist vom Titel der Zeitschrift her auch zu erwarten. Früher nannte sie sich „Ratgeber für Haus und Familie“, vormals trug sie den Titel „Frischhaltung, Ratgeber in allen Haushaltsfragen“.

      Über 50% der Ratgeber-Leser sind zwischen 20 und 50 Jahre alt; 7% sind jünger und 40% älter. Dieser Altersstruktur entspricht, wie wir noch sehen werden, gewissermaßen auch die Inhaltsstruktur der Zeitschrift26.

      Die Volksschule mit anschließender Lehrer haben 37% besucht; eine weiterführende Schule ohne Abitur 27% und 10% der Leser haben Abitur mit Hochschulausbildung. Dies entspricht in etwa der Verteilung in der Gesamtbevölkerung.

      Überdurchschnittlich sind unter den Ratgeber-Lesern die Berufstätigen mit 51% (48% in der Gesamtbevölkerung) und die Nicht-Berufstätigen mit 26% (22% in der Gesamtbevölkerung) vertreten. Letztere dürften in der Regel „Nur-Hausfrauen“ sein, da in der MA’82 Rentner und Pensionisten eigens aufgeführt werden.

      Stärker als im Bevölkerungsdurchschnitt (39% ) sind auch die Haushalte mit Kindern unter 14 Jahren mit 47% vertreten.

      Die Übersicht über die Verteilung des monatlichen Netto-Haushaltseinkommens zeigt uns, das 60% der Ratgeber-Haushalte mehr als 2 500 DM zur Verfügung haben. In der Gesamtbevölkerung sind das nur 52% der Haushalte.

      Ein Großteil der Haushaltsvorstände sind Angestellte und Beamte des einfachen und mittleren Dienstes. Facharbeiter sowie kleine und mittlere Selbständige (zusammen 78%), 11% fallen unter „sonstige Arbeiter“. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gehören auch hier zur Leserschaft des Ratgebers die etwas „Besser-Gestellten“.

      28% der Ratgeber-Leser finden sich in Wohnorten unter 5 000 Einwohnern, die Leserschaft ist damit in ausgesprochen ländlichen Gegenden, wo nur 14% der Bevölkerung wohnen, überproportional vertreten. Auf der anderen Seite kommen aber immerhin 45% der Leser aus Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern. Eine insgesamt uneinheitliche Verbreitung also. Der „Ratgeber“ ist in der ganzen Bundesrepublik einschließlich West-Berlin verbreitet. In Baden-Württemberg jedoch überdurchschnittlich stark27.

      Wie schon erwähnt, wird nahezu die gesamt Auflage der Zeitschrift im Abonnement bezogen. Das deutet auf den Charakter einer ausgesprochenen Lese-Zeitschrift hin. So wird denn auch der „Ratgeber“ zu 84% ausschließlich zu Hause gelesen28. Mit einer ermittelten Lesedauer von 4,3 Tagen nimmt er im Vergleich zu anderen Zeitschriften (z.B. Stern mit 2,4 Lesetagen) eine Spitzenstellung ein. Die Lesezeit in Minuten gemessen beträgt 86 Minuten; für die Zeitschrift „Eltern“ werden 66 Minuten angegeben29.

      Lässt sich nun aus den genannten Prozentangeben bereits der typische Ratgeber-Leser, oder sagen wir besser die typische Ratgeber-Leserin, angeben? Die sozio-demographischen Daten ergeben hier nur sehr grobe Anhaltspunkte – die Analyse der Inhaltsstruktur wird das Bild des typischen Lesers etwas abrunden helfen. Zunächst sei nur folgender Trend festgehalten: Die Leserin des Ratgebers ist mehrheitlich zwischen 30 und 50 Jahre alt, sie ist verheiratet, hat Kinder zu versorgen und ist sowohl berufstätig als auch Hausfrau. Sie hat die Volksschule besucht und eine Lehrer abgeschlossen. Sie ist ebenso auf dem Land wie in der Stadt zu Hause. Sie verfügt über ausreichend Haushaltsgeld ist aber andererseits auch gehalten sorgfältig die Preis/Wert-Relation beim Einkaufen zu beachten und sparsam zu wirtschaften. Wollte man eine Schichtzuordnung vornehmen, scheint mir eine Zuweisung des Ratgeber-Lesers zur unteren Mittelschicht bedingt gerechtfertigt zu sein30.

      Zur Inhaltsstruktur des „Ratgebers“ - Anspruch und Selbstdarstellung:

      Die Analyse der Inhaltsstruktur des „Ratgebers“ soll ergeben, was die Zeitschrift ihren Lesern anbietet – gleichzeitig wird damit deutlich werden, an wen sich der „Ratgeber“ wendet. Wir können also durch qualitative Auswertung der Inhaltsverzeichnisse, der Titelbilder, der Werbung in eigener Sache und der jeweiligen Vorschau aufs nächste Heft auch die Konturen des Adressaten der Zeitschrift besser erkennen, ganz abgesehen davon, dass uns eine solche Analyse den zeitschriftenimmanenten Rahmen für die Interpretation der erziehungsrelevanten Beiträge mitliefert.

      Qualitativ ist diese Auswertung insofern, als aus dem Vorhandensein bzw. dem Nichtvorhandensein gewisser Statements auf Anspruch und Selbstdarstellung der Zeitschrift geschlossen werden kann.

      Das Inhaltsverzeichnis:

      Die verschiedenen Beiträge werden im „Ratgeber“ wie allgemein üblich in einzelnen Sparten zusammengefast und ermöglichen dem Leser so einen ersten Überblick. Die folgende Auflistung zeit eine Gegenüberstellung dieser Sparten für die Jahre 1955, 1965, 1975 und 1982.

      Sparten im Jahrgang

      Die Inhaltsverzeichnisse der aufgeführten Jahrgänge lassen sich auf 7 thematische Kategorien reduzieren. Der Wegfall einiger Themenbereiche, die noch in den 50er Jahren eigens aufgeführt werden, wie etwa die „Jugendseite“, „Allgemeines“

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