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gegenseitigen Beziehungen, in die Aktoren zueinander treten können und müssen. „Die Elemente dieser Beziehungen sind einmal die Aktoren selbst (also Eltern und Kinder, d. V.) und zum anderen die Regeln (oder Normen), die den Verkehrsformen dieser Aktoren unterliegen, an denen sich ihr Handeln orientiert“15.

      Wir betrachten hier die Aktoren nicht mit dem Blick auf die ganze Vielfalt ihrer möglichen Eigenschaften, sondern grenzen die Perspektive durch die Auswahl einer bestimmten Merkmalsmenge (Eltern als Erzieher und Kinder als zu Erziehende) ein. Wenn sich die Familie als soziale Struktur mit Hilfe der Begriffe „Kollektiv“ und „Regeln“ definieren lässt, dann kann die Beschreibung von Veränderungsprozessen die Veränderung eben dieser Kollektive und Regeln nicht unberücksichtigt lassen.

      Darüber hinaus müsste natürlich auch das faktische Handeln der Aktoren selbst in den Blick kommen etwa über Fallbeispiele mit illustrativem Charakter.

      Betrachtet man die Familie als Reproduktionssystem, sind die Randbedingungen oder Ressourcen für die Aufrechterhaltung, Absicherung und Veränderung von Verhaltensstandards zusätzlich zur Erklärung heranzuziehen, wenn man nicht einseitig individualistischen Erklärungsmodellen den Vorzug geben möchte.16 Die Randbedingungen wirken zwar regelmäßig auf das Gelingen familialer Reproduktionsleistungen ein, können sich aber auch völlig unabhängig von diesen verändern. „Bleiben diese Umweltfaktoren aber konstant, so können sie für die anfallenden Reproduktionsprozesse als externe Parameter gelten, deren Einfluss zu kennen sicherlich von Gewinn ist, die wir praktisch aber oftmals erst dann entdecken, wenn sie sich verändert haben, sei es aufgrund der kollektiven Handlungsfolgen des Reproduktionsprozesses selbst oder unberührt hiervon.“17

      In jedem Fall gerät eine Struktur wie die Eltern-Kind-Beziehung mit ihrem Regel- und Normensystem wie andere soziale Strukturen auch bei sich wandelnden Umweltfaktoren unter Selektionsdruck und es wird fraglich, ob Form und Inhalt des Sozialisationsprozesses auch weiterhin so bleiben können, wie sich das über Generationen hinweg „eingespielt“ hat. „In solchen Situationen kann es passieren, dass alternative Erziehungs- und Sozialisationsformen, sofern sie zur Verfügung stehen, selektiv prämiert werden18. Sie werden sich bei günstigen Randbedingungen mit erhöhter Chance durchsetzen und im Extremfall alte und überkommene Regeln und Kollektive entweder in bestimmte Nischen zurückdrängen oder gänzlich eliminieren. Voraussetzung ist freilich auch, dass es gelingt in Korrespondenz zu den sich verändernden Umweltbedingungen die alternativen Erziehungsvorstellungen zu institutionalisieren. Erst dann nämlich können sich neue Formen und Regeln für Verhaltensweisen in der Eltern-Kind-Beziehung reproduzieren.

      Die Familie wird nun solange ihre Reproduktionsleistungen der Form und dem Inhalt nach beibehalten können, solange dies die Umwelt zulässt. Eine strukturelle Krise stellt sich dann ein, wenn dies nicht länger möglich ist. Nach Schmid können zwei Gründe dafür ausschlaggebend werden: „Zum einen können die faktischen Folgen des Reproduktionsprozesses dessen eigene Voraussetzungen derart verändern, dass jene Handlungen, welche die Sozialstruktur konstituieren, fortschreitend an Wahrscheinlichkeit verlieren, wiederholt zu werden.19 Von einer strukturellen Krise wollen wir aber auch dann sprechen“, fährt Schmid fort, „wenn sich hiervon unabhängig die konstant geglaubten Umweltfaktoren und Ressourcen de facto als variabel erweisen und ihre Veränderung das Gelingen des Reproduktionsprozesses in Frage stellen kann.“

      Strukturwandel nach diesem Modell wird also dann vorliegen, wenn es neuen Kollektiven auf der Basis alternativer Regeln gelungen ist, angesichts der veränderten Umweltlage einen Reproduktionsprozess zu institutionalisieren und zu stabilisieren, der die eigene Existenz gegenüber den überkommenen Kollektiven und Regeln favorisiert.20

      Schmids Theorie erklärt demnach sozialen Wandel als Folge der differentiellen Selektion von reproduktionsfähigen Strukturen unter sich verändernden Umweltbedingungen.21 Ein solches Erklärungsmodell kann u. U. blinde Stellen der Zivilisationstheorie mit Erklärungen auffüllen.

      Exkurs: Die Anwendung zivilisationstheoretischer Kategorien für die Analyse von Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich der Erziehung

      Allgemeines Erkenntnisinteresse der Zivilisationstheorie von Norbert Elias ist es u. a. die Folgen des Sozialen Wandels für die individuelle Existenz herauszuarbeiten.

      Übertragen auf die vorliegende Arbeit hieße das die Frage aufzunehmen, wie sich etwa die normativen Erwartungen der Gesellschaft bezüglich der Kindererziehung auf die Betroffenen, Eltern und Kinder, sowie ihre Beziehungen zueinander, auswirken und wie sich diese und die Reaktionen darauf im Laufe der Zeit verändert haben. Dabei wird es mir mit Hilfe der Analyse der ausgewählten Ratgeber-Literatur möglich sein gewisse Trends und Veränderungen in den Anforderungen, Verboten und Geboten im Bereich familialer Erziehung zu beschreiben, nicht aber zu zeigen, wie sich diese Trends des Zivilisationsprozesses auf das denken, Fühlen und Handeln von Eltern und Kindern auswirken (Ein Thema von Jugendstudien etwa).

      Die Diagnose wird sich also auf die Klarlegung von Veränderungen im normativen Bereich beschränken, wobei allerdings nicht auf eine differenziertere Systematik verzichtet werden muss. Die Analyse wird zeigen können, wo etwa Verschiebungen in der Machtbalance zwischen Eltern und Kindern stattgefunden haben, welche Veränderungen sich etwa in der Einstellung der Erzieher zu sich selbst ergeben haben etc. Die Erklärung der festgestellten Trends soll dann probeweise mit Hilfe zivilisationstheoretischer Kategorien versucht werden. Dabei ist von folgenden Grundannahmen, die Elias in seiner Theorie der Zivilisation für andere, aber ähnliche Problemfelder herausgearbeitet hat, auszugehen:

      Die Monopolisierungsprozesse führen zur Institutionalisierung gesellschaftlicher Chancen. Elias hat dies paradigmatisch an der Soziogenese des Staates aufgezeigt: mit der Monopolisierung der körperlichen Gewalttat hat sich der soziale Habitus des einzelnen Individuums geändert.

      Annahme: Auch das, was man im Bereich der Pädagogik mit „Professionalisierung“, „Pädagogisierung der Gesellschaft“, „Expertenmacht“, „Beratungsboom“ etc. bezeichnet, steht für einen Prozess der Monopolisierung – für eine Monopolisierung der pädagogischen Kompetenz.

      Mit der Monopolisierung ändert sich die soziale Kontrolle individuellen Handelns (Nach Elias verändert Sozialer Wandel, der zur Monopolisierung gesellschaftlicher Chancen führt, die soziale Kontrolle der Betroffenen. Elias hat dies beispielhaft an den Verhaltensweisen der Hofgesellschaften gezeigt).

      Annahme: Auch mit der Monopolisierung pädagogischer Kompetenz hat sich durch die vorangetriebene Sensibilisierung für Fragen der Erziehung die soziale Kontrolle individuellen erzieherischen Handelns geändert.

      Für die erklärende Diskussion im Rahmen der Elias’schen Zivilisationstheorie ergibt sich damit für die Arbeit folgendes argumentatives Verlaufsschema:

      Figurative Veränderungen führen zu Monopolisierung und Institutionalisierung pädagogischer Kompetenz; das kann auch für die Figuration Familie gelten

      Monopolisierung heißt: der ehemals privilegierende Besitz erzieherischer Autorität und Kompetenz auf Seiten der Eltern (Erzieher) gerät in einen Prozess Sozialen Wandels:

      Dieser Prozess Sozialen Wandels führt zu einer gesellschaftlichen Ausdifferenzierung pädagogischer Kompetenz, zu einer Institutionalisierung der Erziehung neben und außerhalb der Familie; damit verbunden ist eine Verschiebung der erzieherischen Verfügungsgewalt;

      Mit dem Prozess der Monopolisierung pädagogischer Kompetenz ändert sich die soziale Kontrolle individuellen und erzieherischen Handelns (Elternkontrolle); Neben der Freisetzung neuer Handlungsmöglichkeiten für die Betroffenen, erreicht durch die Sensibilisierung für Fragen der Erziehung, entstehen neue Zwänge und Ängste, die ihrerseits einer weiteren Institutionalisierung und Professionalisierung Vorschub leisten.

      Eine Folge der Monopolisierungsprozesse in der Erziehung ist, dass die Menschen in einer ganz neuen Weise für Erziehung sensibilisiert werden. Dar damit verbundene mögliche Gewinn an Erfahrung wird jedoch durch die historisch gleichzeitig ablaufende und diese erst ermöglichende Pädagogisierung der Gesellschaft zumindest

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