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ging ein paar Meter, dann erhellte ein Feuerzeug kurz sein von Narben zerfurchtes Gesicht.

      Der Geruch von Zigarettenrauch erfüllte den engen Gang und das Licht des Glimmstängels beleuchtete einsam das müde und zerfurchte Gesicht des Mannes. Die Tür stand noch einen Spalt offen und Heinrich konnte erkennen, dass eine Karte an dem Gürtel des Wachpostens baumelte. Geräuschlos schlich er sich an, schnitt das Plastikband mit einem Messer durch und wurde wieder eines mit der Dunkelheit.

      Der Wachposten rauchte in aller Ruhe seine Zigarette fertig, ließ sie, immer noch glimmend, achtlos fallen, trat auf sie drauf und kreiste mehrere Male kräftig mit dem Fuß, als würde es sich um ein ekeliges Insekt handeln, bevor er tief seufzte und zurück zu seiner Arbeit ging. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Das Personal wechselte alle sechs Stunden. Heinrich wartete seine Zeit ab. Dann, eine halbe Stunde bevor die Ablösung kam, zog er die Karte durch den Scanner. Ein grünes Licht erschien, ein leises Summen folgte.

      Heinrich zog an der Tür und sie öffnete sich gehorsam. Das Licht war schlecht und er versteckte sein Gesicht im Schatten seiner Kappe.

      „Wird auch Zeit, dass du kommst! Ich stehe mit hier die Füße in den Bauch und ein leckeres Abendessen wartete auf mich“, sagte der Mann mit einer tiefen, ungesunden Raucherstimme. Ohne auch nur einen wirklichen Blick auf Heinrich zu werfen, ging er durch die Tür und ließ sie ins Schloss fallen. Heinrich sah sich im Raum um. Alles war steril, die Wände abgedichtet mit Stahlplatten. Der Raum war keine 20 Quadratmeter groß. Es gab nur einen Tisch und einen Stuhl. Zwei Türen. Die, durch die er gekommen war, und parallel auf der anderen Seite eine weitere.

      Die Tür war schwer und es war ebenfalls einen Scanner angebracht. Heinrich zog die Karte des Wachmanns durch. Es dauerte etwas, bis das grüne Licht erschien und das Summen erklang. Er zog die Tür auf, ging hindurch und wurde wieder eins mit dem Schatten. Heinrich fand sich in einem schmalen Korridor wieder. Er konnte nach links oder rechts und entschied sich für rechts. Ein langer Gang führte ihn zu einer weitern Tür. Ebenfalls gesichert. Er zog seine Karte erneut durch und öffnete sie vorsichtig. Wieder ein Korridor. Doch dieses Mal ein breiterer, an dem sich sieben Türen befanden. An jeder Seitenwand drei und eine an der gegenüberliegenden Wand. Es waren Stahltüren mit viereckigen Fenstern, vermutlich aus Panzerglas.

      Heinrich blickte in die erste Tür links. Bis auf einen seltsamen Liegestuhl mit einer Kopfquetsche und verschiedenen Apparaturen, war der Raum leer. Leer und weiß. Er ging zur gegenüberliegenden Tür. Der Raum war schwarz mit weißen und roten Runen auf Boden, Wände und Decke. Einige Zeichen kamen ihm bekannt vor, doch sie schienen verdreht und falsch. Die nächsten beiden Türen sahen genauso aus. Links Weiß und klinisch, rechts schwarz mit seltsamen Zeichen.

      Dann kam er zur letzten Tür. Sie stand einen Spalt offen und er konnte Stimmen hören. Vorsichtig näherte er sich, spickte hinein. Zwei Männer in weißen Kitteln waren über einen dieser seltsamen Stühle gebeugt und hantierten an Geräten. Rauch stieg aus der Kopfquetsche, an der verschiedenfarbige Drähte angebracht waren. Dann stockte Heinrich der Atem. Er kannte den Jungen, der reglos im Stuhl saß. Vor drei Jahren hatte er ihn in Indien gefunden. Ein vielversprechendes Medium mit großem Potential. Seine Arme waren mit Ledergurten an die Lehnen geschnallt. Er trug ein weißes, langes Hemd, das mit Blut besudelt war. Seine Augen starrten ins Leere.

      „Versuchsnummer 04 ist also auch durchgebrannt“, hörte Heinrich eine vierte Person sagen. Er hatte ihn zuerst nicht gesehen. Heinrich wandte seinen Kopf, um den Sprecher sehen zu können, und erstarrte. Wie eine Salzsäule stand der zwei Meter Mann da. Die Hände waren auf dem Rücken verschränkt, der Kopf trotz der Größe hoch erhoben und das Kinn vorgestreckt. Grüne Augen fixierten den leblosen Körper des Jungen und wanderten abschätzig zu den zwei Männern in Kitteln, als habe er widerliche Insekten vor sich.

      Sein schwarzes Haar war nach hinten gegelt, passte sich perfekt der Schädelform an, ringelte sich im Nacken leicht nach außen und ließ freien Blick auf die kleinen, spitzzulaufenden Ohren. Die schmale Nase war lang, aber dank der hohen Wangenknochen und der hohen, delikaten Stirn nicht unproportional. Unmenschlich schön wirkte der schlanke, feingliedrige Riese. Nicht von dieser Welt, schien der schwarze Anzug, die grüne Krawatte und das weiße Hemd wie eine Farce, das Gesicht zu jung, unberührt von Alter und Zeit. Nur der lange Ledermantel, der bis zum Boden reichte, erschien Heinrich adäquat.

      Der Großmeister! Schrecken durchfuhr ihn. Was suchte der Großmeister hier? Heinrich hatte ihn nur einmal bei einer Zeremonie von weitem gesehen, doch er war sich sicher. Diese Statur, Körperhaltung und Ausstrahlung! Grüne Augen in einem blassen Gesicht loderten vor Enttäuschung. Die Männer in Kitteln kauerten sich vor Angst zusammen und auch Heinrich spürte den Wunsch sich vor diesem Wesen, das kein Mensch sein konnte, in den Staub zu werfen und wie ein Wurm zu seinen Füßen herumzukriechen.

      „Entsorgt ihn! Ein verbrannter Geist und ein leerer Körper nutzen mir nichts. Wie viele sind noch übrig?“, die Stimme klang eisig, aber nüchtern.

      „Drei, Großmeister“, die Stimme des Kittelmannes zitterte.

      „Welcher ist am vielversprechendsten?“, in der Stimme des großen Mannes klang keine Ungeduld mit und doch machte sie selbst Heinrich Angst.

      „Nummer 09, eine Mädchen aus Japan“, beeilte sich der andere in Weiß, zu stottern.

      „Bringt sie mir in den Magieraum!“, reglos blieb der Großmeister stehen, bewegte nicht einen Muskel. Verwirrt und verzweifelt sahen sich die anderen Männer in die Augen, als sie sich eilig aufmachten, die Befehle zu befolgen.

      „Akiko!“, schoss es Heinrich durch den Kopf und er eilte lautlos zurück durch die Tür, ließ sie geräuschlos zufallen, lief durch den langen, schmalen Gang, an dem Wachraum vorbei und fand am Ende des Ganges auf der rechten Seite eine Tür. Er scannte die Karte, wartete ungeduldig auf das Licht und das Summen, huschte hindurch und fand sich in einem Gang wieder, der genauso aufgebaut war, wie der am anderen Ende. Sieben Türen. Doch es waren keine Eisentüren, sondern Gitter. Eine der Zellen war offen und Heinrich konnte gerade noch hineinschlüpfen und sich im Schatten verbergen, als auch schon das leise Summen erklang und die Tür hastig aufgerissen wurde. Die beiden Weißkittel kamen hereingeeilt. Sie hatten einen Rollstuhl dabei und liefen zielstrebig auf die letzte, rechte Tür zu.

      Heinrich konnte von seinem Versteck aus nicht viel sehen, erhaschte aber einen Blick auf eine kleine Gestalt mit schwarzen, langen Haaren in einem weißen Hemd, das bis zu den Knien reichte. Ihre Arme waren mit Ledergurten an den Rollstuhl geschnallt. Dann waren sie durch die Tür. Heinrich wartete einige Minuten, bevor er es wagte, sich zu bewegen. In seiner Zelle roch es nach Tod. Der Raum war aus Stein und es gab nichts außer Ketten. Er ging hinaus und blickte sich um. In der Kammer an der schmalen Seite des Korridors stand ein normales Bett mit Decke und Kissen. Er konnte sogar Spielsachen sehen. Raue Tapeten bedeckten die Wände, eine Nachtischlampe brannte. In der Ecke war ein abgeschirmter Bereich.

      Eine kleine Spielzeugkuh fing Heinrichs Blick ein. Sie kam ihm bekannt vor. Dann traf es ihn, wie ein Kugel aus einer Pistole, die man nicht hatte kommen sehen. Heinrich hatte dem indischen Jungen die Kuh geschenkt. Das musste der Raum des Jungen sein. Bilder überwältigten seinen Geist. Leere, tote Augen und ein blutverschmiertes, weißes Nachtgewand sprangen ihn an und brachten ihn aus dem Gleichgewicht. Heinrich taumelte. Ihm wurde schlecht und er besah sich den Raum rechts daneben, aus dem sie Akiko geholt hatten. Dort stand eine Pritsche, über die eine Wolldecke gelegt war. In der Ecke war eine kleine Toilette, für alle sichtbar. Die nächste Kammer war identisch.

      In der daneben lag ein junges, farbiges Mädchen. Mit glasigen Augen starrte sie auf die Decke, nahm ihn nicht wahr. Es dauerte ein wenig, bis Heinrich sie erkannte. Es war Malia. Vor zwei Jahren hatte er sie in Kamerun gefunden. Zwei andere Räume waren leer, in dem dritten fand er Pedro. Ihn hatte er vor zweieinhalb Jahren aus Mexiko nach Deutschland gebracht.

      Dann stand er sprachlos wieder vor dem Steinraum mit den Ketten. Als er sich genauer umsah, konnte er Blutflecken ausmachen. Auf dem Boden und an den Wänden. Dann hörte er wieder das Summen und sprang in den Schatten des Kettenraumes, wagte es nicht, zu atmen. Das Quietschen von Rädern übertönte seinen lauten Herzschlag.

      „Wir müssen

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