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hatten, lehrten die Nonnen uns, die Bedürfnisse der anderen am Tisch vor unseren eigenen zu erkennen. Außerdem zeigten sie uns, wie Gabel, Messer und Löffel zu halten sind und natürlich nicht mit vollem Mund zu sprechen. Es wurde uns auch beigebracht, gerade zu sitzen. Die Stuhllehnen waren nicht dafür da, um den Rücken anzulehnen. Eine der Nonnen hatte die Aufgabe, mit einem langen Lineal um den Tisch zu laufen und bei jedem Mädchen das Lineal zwischen Rücken und Stuhllehne durchzuziehen, um sicher zu machen, dass keines der Mädchen ihren Rücken ausruhte.

      „Sitz aufrecht, liebe Jan!“

      Jeder Tisch mit acht Mädchen hatte eine Sprecherin, auch Präsidentin genannt. Sie überwachte den Tisch und stellte sicher, dass jedes Mädchen genug Essen auf dem Teller hatte, bevor sie sich selbst bediente. Als ich das nötige Alter erreicht hatte, um Präsidentin zu sein, wollte ich besonders fair sein. Mit meinem Messer teilte ich die Butter in acht gleiche Portionen auf und reichte diese auf einem Teller herum, im festen Glauben, dass alle damit einverstanden waren. Der Teller wurde herumgereicht, aber keines der Mädchen nahm etwas davon. Sieben vorwurfsvolle Augenpaare schauten mich an, als der unberührte Teller wieder bei mir ankam. Ohne Worte glättete ich die Butterstücke zu einem Klumpen aus, bis dass keine Unterteilungen mehr zu sehen waren und reichte den Teller erneut herum. Die Mädchen lächelten mich befürwortend an und als der Teller wieder bei mir landete, fand ich genau das Stück Butter vor mir, wie ich es haben wollte. Nicht, dass ‘wollen’ bei uns auf der Prioritätenliste stand, aber es war genau so viel Butter, wie ich brauchte. Dieser Butter-Vorfall, wie ich ihn in Erinnerung habe, lehrte mir zwei wertvolle Lebensweisheiten: Erstens, versuche nicht, anderen deine Meinung aufzudrängen. Zweitens, keiner will gleich behandelt werden. Einige wollten mehr von der Butter, andere wollten weniger und zwei Mädchen wollten sogar gar keine. Bis zu meinem Vorfall hatte es niemals ein Problem mit der Butterverteilung gegeben. Die Kinder hatten es ohne fremde Hilfe gelöst und dazu noch ohne Worte. Diese Einsicht war mir mehr Wert als Lesen, Schreiben und Rechnen lernen.

      Im Winter gab es leckeren Haferbrei, in den ich genießerisch einen goldenen Sirup, bestehend aus geschmolzenem braunen Zucker, einrührte. Im Sommer gab es ein gekochtes Ei mit Toastbrot und frische Milch von den Jersey-Kühen, die dem Kloster gehörten. Die Milch blieb frisch, wenn sie drinnen gelagert wurde. Aber wenn sie im Sommer für längere Zeit in der Morgensonne stand war sie für unseren späteren Morgensnack schon angesäuert. Es bedurfte nur eines von uns, diese anekelnde Brühe zu probieren und schon bewegte sich ein Strom kleiner Mädchen mit ihren gefüllten Milchgläsern auf die Hecke zu, um dort ihre Gläser auszuschütten, was nach Jahren dieser Tätigkeit ein ziemlich großes Loch hinterließ. Danach nahmen wir unsere kleinen harten Kuchen und setzten uns auf eine Mauer, um diese zu verzerren, die wirklich so hart wie Stein waren. Als ich Jahre später den gleichen Kuchen in einem Café aß, war dieser wunderbar weich. Also nahm ich an, dass diese steinähnlichen kleinen Kuchen im Internat einen Teil unseres spartanischen Lebens ausmachen sollten. Davon abgesehen sollten diese angeblich unsere Zähne schärfen und Kiefermuskeln stärken. Gerne verfütterte ich meine Steinkuchen an die Elstern oder warf sie einfach in die Hecke, wenn gerade keine Elstern da waren, die die Krümel später aufpickten.

      Wir spielten viele Spiele; Fangen, Seilspringen und Pferde. Weil ich so gut wiehern und schnauben konnte, war ich in der Regel das Pferd. Ein Springseil wurde um mich herum gebunden, zwei Mädchen hielten sich an den Enden fest und gaben laute Anweisungen:

      „Galopp, Galopp, lauf Pferdchen lauf“, und ich rannte schnaufend und kopfschüttelnd los. Bei gelegentlichem Wiehern scharrte ich mit meinen Schulschuhen in dem staubigen Boden. Wir waren total außer Atem, kicherten und keuchten und plapperten aufgeregt durcheinander. Wenn die Seile nicht für Pferdespielen im Einsatz waren, benutzten wir sie zum Seilspringen. Das machte großen Spaß, besonders wenn wir zwei lange Seile gleichzeitig durch die Luft schwangen und so viele Mädchen wie möglich versuchten, in die sich immer kreisende Schlaufe hineinzuspringen, um gleichzeitig hüpfen zu können.

      Beim Fangen rannten wir alle wild herum, um es dem Fänger zu erschweren, eine von uns zu schnappen. Weil wir aber so viele waren, griff die Fängerin einfach blindlings in die Menge und war dabei oft erfolgreich. Die gefangenen Mädchen hielten sich dann an den Händen; die Reihe wurde immer länger, bis die Freien keine Chance mehr hatten, sich vor der langen Reihe zu retten. Es war trotzdem schwierig, die letzten Mädchen einzufangen, weil die lange Reihe immer unhandlicher wurde; sie schwankte von vorne nach hinten, während die Mädchen an den Enden versuchten, die letzten freien Mädchen einzufangen. Diese schlüpften flink durch die Mitte der Reihe auf die andere Seite und entkamen somit glimpflich der Gefangenschaft.

      Es wurde angekündigt, dass ab dem folgenden Jahr Reitunterricht angeboten würde. Toll! Sollte das heißen, dass ich über diese herrlichen und temperamentvollen Wesen lernen würde? Ich konnte es kaum erwarten. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemanden gefragt hätte, aber im nächsten Schuljahr stand mein Name auf der Liste für Reitunterricht. Ich brüllte vor Freude und noch schöner war es, dass die Namen meiner besten Freundinnen auch auf der Liste standen. Der Reitlehrer kam mit seinen schon gesattelten Ponys und, bekleidet mit Reithose, Reiterstiefeln und Hut, brachen wir auf zur Weide. Vor Aufregung rannten und jodelten wir den ganzen Weg, bis wir uns ruhig neben unserem zugeschriebenen Pferd aufstellen mussten.

      Das Reiten-Lernen machte besonders Spaß, weil keine Nonne während der Reitstunden anwesend war, die Anweisungen gab, mit uns schimpfte oder das Signal gab. Es waren nur die Pferde und wir – Himmel auf Erden für kleine unschuldige Mädchen!

      Man zeigte uns, wie man die Zügel hält, die Füße in die Steigbügel steckt und aufs Pferd steigt. Die meisten schafften das ohne Problem und denjenigen, die mit dem Gesicht auf dem Sattel landeten oder auf der anderen Seite wieder herunter plumpsten, wurden von Herrn Johns geholfen. Nachdem wir die Längen der Gurte und Steigbügel richtig eingestellt und überprüft hatten, schwang er sich auf sein eigenes Pferd und ließ uns in einer Doppelreihe gemächlich hinter ihm im Laufschritt hergehen. Unsere Ponys trotteten langsam vor sich hin und wir lachten uns glücklich an – wir lernten reiten! Ich, das Stadtmädchen, lernte reiten! Okay, diese Ponys waren eindeutig nicht die herrlichen und temperamentvollen Wesen, die ich vom Zug aus beobachtet hatte, aber was blieb mir noch zu wünschen übrig? Herr Johns drehte sich hin und wieder zu uns um und trabte bis zum Ende unserer Doppelreihe, um zu checken, ob alles in Ordnung war. In den nächsten Wochen lernten wir zu traben und dann – oh Gott – im leichten Galopp zu reiten! Wenn die kleinen Ponys das Ende des Ausflugs spürten und den Hügel hoch galoppierten, um schnell zurück in ihren Stall zu kommen, flogen unsere Hüte weg und unsere Zöpfe und Haare wehten im Wind.

      Nachdem wir uns an das Reiten gewöhnt hatten, wurde von uns erwartet, vor dem Satteln und Zäumen selbst unseren Sattel und das Zaumzeug zu überprüfen. Eines Tages kam ich zu spät, denn ich hatte vorher eine überlange Klavierstunde gehabt. Ohne vorher den Sattelgurt zu überprüfen, schwang ich mich in den Sattel. Wir gingen im Trab durch die Gasse und dann durch das Tor auf die große Weide, die hinunter zum Bach führte. Als wir schräg bergab trabten, spürte ich eine Verschiebung in meinem Sattel. Ach so, beruhigte ich mich, der Sattel passt sich dem Winkel an. Es dauerte nicht lange und der Sattel gab der Neigung nach und rutschte mit mir vom Pferd herunter. Ich versuchte noch, mich mit meinen zusammengedrückten Knien am Pferd festzuhalten, aber es klappte nicht. Ich hing halb vom Pferd, als ich einen Schrei von mir gab, die Gurte losließ und mit dem Rücken auf dem Boden aufprallte. Mein Pony machte einen Satz nach vorne und stieß in das Nächste, was die ganze Reihe in Unruhe brachte. Alle drehten sich um.

      „Jan ist ’runtergefallen, Jan ist ’runtergefallen“, rief Mary Sue. Ihre Schadenfreude war nicht zu überhören.

      „Ich bin nicht heruntergefallen“, antwortete ich zu meiner Verteidigung.

      „Jan ist ’runtergefallen, Jan ist ’runtergefallen“, rief sie noch einmal.

      Ich hatte vorher schon gemerkt, dass sie es genoss, wenn ich Probleme hatte. Jetzt hatte sie schon wieder ihren Spaß auf meine Kosten.

      „Ich bin nicht heruntergefallen, Mary Sue Swan. Nein! Der Sattel ist heruntergerutscht!“

      „Oh, der Sattel ist heruntergerutscht“, lachte sie, „den solltest du vorher checken, du Besserwisserin!“

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