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zweite Akte gab Auskunft, dass er in einem Hotel in der Schweiz gefunden worden war. Tot, für seine Verhältnisse ein ziemlich unangenehmer Zustand. Scheinbar hatte er die Rechnung des Hotels nicht bezahlt. Sollten sich die Schweizer drum kümmern. Mord war ein internationales Geschäft, war es auch schon gewesen, bevor die EG alle Grenzen geöffnet hatte.

      Prosser?! Woher kannte ich diesen Namen nur? Es... es musste irgendetwas Unangenehmes gewesen sein, da war ich mir mittlerweile ziemlich sicher. Aber was? Seufzend lehnte ich mich wieder zurück, es gab nichts zu tun, und starrte die Wand an. Was für ein Tag? In Kürze würde ich einen neuen Chef bekommen, mein alter Chef würde in das größte Dorf Deutschlands versetzt und seine Tochter würde die Stadt nicht verlassen. Es war das übliche Chaos. Ich sah auf den Kalender. Natürlich. Es war Montag!

      Kapitel 1

      „...erfordert es, dass ich die Versetzung in eine andere Dienststelle antreten werde“, schloss Kronzucker seine Rede vor seiner ehemaligen Mannschaft, der Mordkommission. Lohmann hatte Tränen in den Augen, Schlüter wischte seine Brille, sogar die Fischer konnte sich ein Schniefen nicht verkneifen. Und da war auch dieses hinreißende Fräulein Rausch, das herzallerliebst in sein reizendes Taschentüchlein hineintrauerte. Sie sah zu mir herüber und lächelte traurig. Fast alle hier hatten Kronzucker gemocht. Oder sie hatten einfach mehr über diesen Prosser gehört als ich? Jedenfalls schienen sie geknickt, dass Kronzucker uns verließ.

      Wir hoben die Sektgläser und stießen an. Schon wieder Alkohol im Dienst. Ich hatte mich gerade erst von meiner letzten Beschäftigung damit erholt. Wahrscheinlich würde bald ein anderer Wind wehen, und wenn sich meine Befürchtung bewahrheiten sollte, würde sich die laue Brise in einen kalten, scharfen Zug verwandeln.

      Dies war der letzte Tag unseres alten Chefs, wenn nicht plötzlich jemand ermordet wurde, konnten wir den ganzen Tag feiern. Morgen würde schon der neue Mann kommen – und der neue Wind, wie zu befürchten war. Prosser? Prosser??? Warum klang das nur so unangenehm bekannt… wobei die Betonung auf unangenehm lag! Hmmm... Das Büro-ja-es-war-eins-im-Gegensatz-zu-meinem Kronzuckers war leer geräumt, seine Sachen befanden sich auf dem Weg zu seinem Bestimmungsort. Ein trostloser Job, der da auf ihn wartete. Ich fragte mich, warum man einen so fähigen Mann abgeschoben hatte. Auch der Polizeipräsident kam kurz vorbei, schüttelte Kronzucker die Hand und sagte, er hoffe, dass er auch in seiner neuen Position Erfolg haben werde. Mit einem Seitenblick zu mir meinte er, er wünsche ihm auch eine Mannschaft, die zu guter Polizeiarbeit fähig wäre – und zu mehr Disziplin! Dann ging er.

      Wir machten früh Schluss an diesem Tag. Warum auch nicht? Es gab nichts zu tun und eigentlich nichts zu feiern. Die bedrückte Stimmung, die aufgekommen war als der Polizeipräsident erschien, hatte sich nicht abgebaut sondern verbreitet. Also machten wir den Laden dicht. Traurig sah Lohmann zu mir. Ich nickte. Es war eine Schande. Aber was sollte man dagegen machen? In Hamm brauchten sie jemanden, der beim Tag der Offenen Tür die Eröffnungsworte sprach!

      Mein Finger löste sich vom Klingelknopf. Ich hörte leise Schritte auf dem Linoleumfußboden und dann öffnete sich die Tür. Kronzucker sah mich mit schiefem Lächeln an. „Sie haben sicher meine Tochter erwartet, was?“

      Ich sah mich vorsichtig um. „Also doch eine Falle?“

      Er lächelte. „Seien Sie beruhigt.“

      Ich war es nicht, diesem Mann war alles zuzutrauen.

      „Kommen Sie doch herein.“

      Eins musste man Kronzuckers Tochter wirklich lassen: sie mochte mich! Aber sie war leider auch eine schreckliche Nervensäge. Sie konnte sich stundenlang mit jemandem unterhalten, ohne dabei irgendeine Regel des Dialogs zu verletzen. Außer der, dass normalerweise mehr als eine Person daran teilnahm! Hatte ich jedenfalls gehört, selbst getroffen hatte ich sie noch nie. Kronzucker sah mich von oben bis unten an. „Wo haben Sie denn den Smoking her?“

      Ich hob die Schultern.

      „Steht Ihnen überraschend gut. Wird meiner Tochter sicher auch gefallen...“

      Sofort hatte ich meine Walther im Anschlag, oder ein intellektuelles Gegenstück.

      „Seien Sie locker, Harry, es wird Ihnen schon nichts passieren.“

      Er hatte leicht reden. Dafür reichte er mir wenigstens einen Scotch.

      „Nett, dass Sie gekommen sind. Auch trotz der lauernden Gefahren.“

      Das Essen verlief in ruhigen Bahnen und auch wenn Kronzucker es sich nicht nehmen ließ, mich das eine oder andere Mal zusammenzucken zu lassen, erschien seine Tochter nicht nur nicht überraschend sondern schlicht gar nicht. Als ich ging begleitete mich mein ehemaliger Chef zur Haustür, schüttelte mir noch einmal die Hand und meinte: „Lassen Sie sich nicht unterkriegen, Harry.“ Ich versprach, mich bei ihm zu melden und wir gingen auseinander. Immerhin wartete ein neuer Arbeitstag auf mich. Und ob er erfreulich werden würde war noch zu bezweifeln. Zum Glück war Sommer. Ich schwang mich auf mein Rad und fuhr, ohne Licht, nach Hause. Wenn im Sommer nicht alle durchdrehen, passiert nicht viel. Jedenfalls nicht in meinem Zuständigkeitsbereich. Hoffentlich blieb es so.

      Wie üblich kam ich am nächsten Tag zu spät. Da ich nur Whisky und kein Bier getrunken hatte, war ich auch kaum verkatert. Aber ganz wohl fühlte ich mich auch nicht. Noch unwohler fühlte ich mich, als das reizende Fräulein Rausch in meine Sprechstunde kam, sie schwebte förmlich in mein Büro-das-diesen-Namen-weiß-Gott-nicht-verdiente-aber-durch-ihre-Anwesen­heit-mehr-als-veredelt-wurde und sagte himmlisch, aber mit Unheil verkündendem Unterton: „Guten Morgen, Harry.“ Dann näherte sie sich meinem Schreibtisch, legte ein paar dünne Akten darauf und fügte hinzu: „Der Neue will Sie sehen.“

      Das klang nicht gut.

      „Das klingt nicht gut. Klingt es gut?“

      Sie schüttelte den Kopf.

      „Haben Sie ihn gesehen?“ fragte ich und rieb mir die Stirn.

      Sie nickte.

      „Und?“

      Sie hob die Schultern.

      Das war alles sehr aufschlussreich. Sie entschwand, ich sah ihr nach, raffte mich auf und machte mich dann auf den Weg in die Höhle des Löwen. Auf dem Gang kam mir Lohmann entgegen. Sein Gesichtsausdruck war Unheil verkündend.

      „Sind Sie auf dem Weg zu ihm?“ fragte er. Ich nickte.

      „Seien Sie vorsichtig“, sagte er ohne zu lächeln. Dann ging er vorsichtig weiter.

      Als ich den Vorraum betrat, legte die Sekretärin gerade den Hörer des Telefons auf die Gabel. „Guten Morgen“, sagte ich.

      „Guten Morgen, Herr Rhode“, sagte sie und lächelte. Dann wurde ihr Gesicht dunkel. „Ich melde Sie.“ Sie drückte auf den Knopf der Sprechanlage und sagte: „Inspektor Rhode ist jetzt da.“

      „Schicken Sie ihn rein!“ antwortete eine kalte, dunkle Stimme befehlsgewohnt, korrekt, sauber und fortstrebend. Sie nickte mir zu und ich ging durch die Tür in das Büro-das-eins-war-und-jetzt-einen-neuen-Herrscher-hatte. Der etwas altmodische Charme Kronzuckers hatte den Raum für immer verlassen. Statt seiner war kalte nüchterne karrierebewusste strebsame Geschäftigkeit eingezogen. Wo früher Bilder mit warmen Farben die Wände geschmückt hatten, zeigten jetzt schwarzweiße kalte Photographien Frank Prosser, verschiedenen Persönlichkeiten die Hände schüttelnd.

      Hinter seinem Schreibtisch saß er in Fleisch und Blut, jedoch ebenfalls ohne die geringste Farbe. Er trug einen grauen Anzug, seine Stirn war kahl, sein Gesicht geschäftsmäßig. Und mir unangenehm bekannt. Er erhob sich nicht, als ich eintrat. Er blieb hinter seinem Schreibtisch, vor sich ein paar sauber geordnete Akten und blickte mich aus seinen brillenlosen kalten Augen an. Langsam trat ich näher. Er war mir spontan unsympathisch.

      „Sie sind also Inspektor Harry Rhode.“

      „Korrekt“, sagte ich und lehnte mich gegen den Besuchersessel.

      „Ich habe Sie eben nicht in

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