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hatte ihn selten trinken sehen. Höchstens, wenn es um seine Tochter ging. Dann aber richtig.

      „Danke“, sagte er und stellte das leere Glas auf meinen Schreibtisch. „Das war jetzt nötig.“ Ich lächelte ihm zu, nippte an meinem Whisky und stellte das Glas dann langsam auf den Tisch. Wenn er mir seine Nachricht überbracht hatte, würde noch Gelegenheit sein, sie hinunterzuspülen. „Wie Sie sich sicher denken können, habe ich Ihnen etwas mitzuteilen“, fuhr er nun fort. „Sie sollten es als erster erfahren...“ Er lächelte peinlich berührt. Wenn es um meinen Rausschmiss ging, wollte ich auch darum gebeten haben, es als erster zu erfahren. „Es fällt mir nicht leicht, Ihnen das zu sagen. Immerhin betrifft es Sie fast genauso wie mich. Langer Rede kurzer Sinn:“ Ich wartete. „Wir werden nicht länger zusammenarbeiten können.“ Damit schien er alles gesagt zu haben. Er hatte damit auch fast alles gesagt. Nur das Unaussprechliche hatte er damit nicht gesagt, angedeutet wohl, aber es nicht gesagt.

      „Sehr bedauerlich“, murmelte ich.

      „Sie sagen es. Wir haben gut zusammengearbeitet. Viele Fälle gelöst. Tja, das wird jetzt wohl anders werden. Man hat mich versetzt!“

      „Bitte?“ Fast hätte ich meinen Whisky verschluckt, zum Glück hatte ich gerade erst zum Glas greifen wollen.

      „Versetzt!“ sagte er, als sei das von Anfang an klar gewesen. „Mich, nicht Sie!“ Er lächelte. „Meinen Sie, ich würde mich wegen Ihrer kleinen Eskapaden unnötig aufregen?“

      „Naja...“

      „Der Polizeipräsident war der Ansicht, man sollte einem Jüngeren Gelegenheit geben, sich auf meinem Posten zu bewähren.“

      „Das bedeutet, ich werde befördert?“

      „Nein, das bedeutet nur, dass ich wegbefördert werde.“ Kronzucker lächelte bitter und füllte sein Glas nach.

      „Wohin?“

      „Nach Hamm. Das ist...“

      „...eine große kleine Stadt. Ich muss es wissen, ich bin da groß geworden, jedenfalls so groß, wie ich jetzt bin.“

      „Und was ist da los?“ fragte er und leerte sein Glas.

      „Nichts“, antwortete ich und trank auf den Schrecken. „Man hätte Sie auch in ein Altersheim versetzen können. Da gäb’s mehr Leichen.“

      „Sehr witzig. Ich denke, Ihren Humor werde ich vermissen“, meinte er säuerlich. Ich bezweifelte es. „Jedenfalls wollte ich es Ihnen als erstem sagen.“

      „Ähm, übrigens hat es mir auch immer Spaß gemacht, mit Ihnen zu arbeiten. Sie waren ein guter Vorgesetzter.“

      „Und Sie waren ein eigenwilliger Untergebener! Und Ihre merkwürdigen Sachen… Wie war das, als Sie Ankers Kindesentführung auf eigene Faust untersucht und seine Ehe zerstört haben?“

      „Ähm, also das hat er schon selber getan!“

      Kronzucker grinste. „Jedenfalls war es eine nette Zeit. Ich fürchte, das ist nun vorbei.“

      „Ich wusste gar nicht, dass es in Hamm eine Mordkommission gibt.“

      „Ich werde es in ein paar Tagen am eigenen Leib erfahren.“

      „So schnell?“

      Während er sein drittes Glas in seinen Händen wog, sagte er leise: „In diesem Fall hat der Amtsschimmel überraschend schnell gearbeitet. Schneller als bei Ihrer missratenen Amrum-Versetzung. Es hat starke Veränderungen gegeben. Der Mann, dessen Posten ich einnehmen werde ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Der Ersatz muss schnell eingeführt werden, weil eine größere Aktion geplant ist.“

      „Eine größere Aktion? In Hamm??? Was soll das sein? Eine groß angelegte Überwachung der Radwege, um Radfahrer ohne Licht dingfest zu machen?“

      „Es geht um eine Wohltätigkeitsveranstaltung“, sagte er bitter. „Tag der offenen Tür, der Leiter der Polizei wird ein paar nette Worte sagen...“

      „Was für eine Verschwendung!“

      „Sie sagen es. Aber dieser Amtswechsel scheint schon länger geplant gewesen zu sein, der Zeitpunkt kam günstig dazu.“

      „Und wann ist es soweit?“ fragte ich und genehmigte mir noch einen.

      „Mittwoch verlasse ich meinen Posten in dieser Abteilung.“

      „Verdammt.“ Ich mochte ihn wirklich. Er war okay, manchmal zu sehr Staatsdiener, aber okay. Und kooperativ. Und er mochte mich. Ich hätte ihn heiraten sollen. Besser ihn als seine Tochter. „Wer wird Ihr Nachfolger werden?“

      „Ein Herr namens Frank Prosser.“

      „Hmmm?“ Kam mir irgendwie bekannt vor, aber mein Gesichtsausdruck schien etwas anderes auszusagen.

      „Er ist nicht ganz so alt wie ich und nicht ganz so jung wie Sie, aber offensichtlich mit sehr guten Ideen. Und er ist etwas, was Sie nicht mögen werden!“

      „Vater einer Tochter, wie Sie?“

      „Ehrgeizig!“

      Das war schlimmer! Wenn ich etwas nicht leiden konnte, also abgesehen von der ellenlangen Liste der Dinge, die sich unter der Bezeichnung „wenn ich etwas nicht leiden kann“ im Laufe der Jahre angesammelt hatten, dann waren das ehrgeizige Menschen. Nichts gegen ein bisschen Ehrgeiz, aber wenn Kronzucker es schon hervorhob, musste es sich um einen Karrieretypen handeln. Um jemanden, der alles tat, um weiterzukommen, um aufzusteigen. Ihm war sein eigener Ruhm wichtiger als die Arbeit selbst. Das war es, was ich an ehrgeizigen Leuten nicht leiden konnte. Und kann!

      „Ich nehme nicht an, dass Sie ihn mögen werden“, meinte Kronzucker grinsend, als wäre ich nicht schon selbst zu dieser Schlussfolgerung gekommen. „Er ist genau der Typ Polizist, mit dem Sie normalerweise Schwierigkeiten haben.“

      „Verleiden Sie ihn mir nicht“, antwortete ich und genehmigte mir noch einen kleinen Whisky. Auf nüchternen Magen wirkten die unheimlich gut. Vielleicht wäre es besser, heute etwas früher zu gehen. Noch vor dem Mittagessen. In ein paar Minuten, vielleicht?

      „Jedenfalls möchte ich Ihnen für alles danken“, schloss Kronzucker, erhob sich und reichte seine ausgestreckte Hand über den Schreibtisch. Ich erhob mich ebenfalls, wenn auch ein wenig schleppend und reichte ihm meine Hand.

      „Sie waren der beste Vorgesetzte, den ich bei der Mordkommission je hatte.“

      Tränen der Rührung traten in seine Augen. Also sagte ich nicht, dass er auch der einzige Vorgesetzte gewesen war, den ich bei der Mordkommission gehabt hatte – bisher.

      „Ich hätte ja gerne noch mal mit Ihrer Tochter...“ sagte ich scheinheilig.

      „Sie hat sich nach Ihnen erkundigt. Wäre Ihnen morgen recht?“ Er grinste schmutzig, ich hätte nie gedacht, dass er dazu fähig gewesen wäre.

      „...ähm“, mir fiel nicht ein, wie ich den Satz sinnvoll beenden und entschärfen konnte, der Whisky tat seine Wirkung. „...eine Ausstellung von seltenen Lebewesen eröffnet!“

      Sein Blick veränderte sich etwas. „Würden Sie trotzdem morgen Abend zu uns zum Abendessen kommen?“

      „Solange ich nicht mit ihr allein sein muss.“

      „Sie haben mein Ehrenwort.“ Er nickte mir zu und ging zur Tür. Als er sie geöffnet hatte, drehte er sich noch einmal um und sagte: „Übrigens Rhode, Sie sind heute zu spät gekommen. Unterlassen Sie das in Zukunft!“ Dann ging er, wieder ganz mein Chef.

      Angesäuselt lehnte ich mich in meinem Sessel zurück. Prosser, irgendwie... irgendwie kam mir dieser Name bekannt vor. Und das nicht einmal in einem positiven Zusammenhang! Kein allzu gutes Zeichen. Zusammen mit der Flasche verschwanden die Gläser in meiner Ablage für „besonders schwierige Fälle“; dort bewahrte ich auch die Chips und die Schokolade auf.

      Was war das nur für ein Tag? Mein Chef hatte mir gerade mitgeteilt,

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