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Raetia. Melissa Jäger
Читать онлайн.Название Raetia
Год выпуска 0
isbn 9783847610748
Автор произведения Melissa Jäger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ob es seiner Unerfahrenheit in der römischen Kampftechnik oder seinem ungestümen Temperament zu schulden gewesen war, wusste der alte Druide nicht, doch Pithie starb bereits im ersten Kriegseinsatz seiner Reitereinheit.
Für Lasthe und Pertha war es ein bitterer Tag gewesen, als sie vom Tod ihres Sohnes erfuhren. Ein Bote, der ihren Sohn nicht einmal gekannt hatte, überbrachte sachlich und ohne jegliche Gefühlsregung eine versiegelte Wachstafel mit der niederschmetternden Nachricht von Pithies Tod.
Caius nickte bedächtig und zuckte dann mit den Achseln. „Schon gut“, sagte er einlenkend und bemühte sich zu lächeln.
Pertha mischte sich in das Zwiegespräch der beiden Männer ein und hoffte, damit die Situation zu entschärfen.
„Caius, hast du schon gehört, dass Alpina mir bei einer Entbindung geholfen hat?“ Sie legte ihrer Enkelin den Arm um die Schulter und drückte sie an sich. „Sie hat das ganz wunderbar gemacht. Ein echtes Naturtalent!“, sagte sie liebevoll.
Alpina lächelte stolz und hoffte auf ein wohlwollendes Wort ihres Vaters. Der jedoch wich ihrem Blick aus und sah stattdessen seine Schwiegermutter entsetzt an.
„Findest du nicht, dass sie dafür noch zu jung ist? Muss denn jede Frau in dieser Familie eine Obstetrix werden? Ihr wisst doch, wie ungern ich Elvas‘ Tätigkeit in Augusta Vindelicum sehe! Das war früher eine Sklavenarbeit! Alte griechische Weiber halfen, die Kinder der Wohlhabenden und Adeligen auf die Welt zu bringen und zogen sie auf. In Rom ist das heute noch oft so. Mir ist das eigentlich unangenehm, dass Elvas als Obstetrix zu den Frauen geht. Sie ist die Frau eines Beneficiarius Legati, sie hat diese Sklavenarbeit nicht nötig!“
Caius redete sich in Rage, dabei blickte er abwechselnd Pertha und Elvas in die Augen. Seine Frau schüttelte unwirsch den Kopf und widersprach umgehend.
„Das mag bei euch Römern in der Vergangenheit so gewesen sein oder heute vielleicht noch bei der Elite in Rom so gehalten werden, mein lieber Caius! In unseren Stämmen ist eine Hebamme eine angesehene Frau. Sie ist eine weise Helferin der großen Muttergöttin, eine kundige Heilerin und sie interpretiert die göttlichen Vorzeichen bei einer Geburt. Ihre Aufgabe ist es, den Menschen über die Schwelle ins Leben oder zurück in den Schoß der Erdmutter zu helfen.“
Pertha pflichtete ihr bei und gab Caius zu bedenken, dass eine Hebamme wie die Druiden auch, bei den Raetern als von den Göttern erwählt galt. Ihre Fähigkeiten, so glaubte das Volk, wären ein Zeichen göttlicher Gunst.
„In meiner Familie gibt es diese göttliche Gabe seit vielen Generationen, und wir sind stolz darauf! Elvas kann gar nicht anders, als ihre Begabung im Sinne der Göttin zu nutzen und den Frauen beizustehen in ihren schwierigen Lebenssituationen.“
Ein Hilfe suchender Blick zu seinem Schwiegervater, brachte nicht die erhoffte Unterstützung. Denn Lasthe nickte zustimmend und gab seiner Frau Recht. Caius verstummte resigniert. Er hatte diese Diskussion schon so oft geführt, und wieder einmal zeigten sich die traditionellen und religiösen Differenzen zwischen Raetern und Römern. Der Beneficiarius Legati wusste inzwischen auch, dass er seiner Frau ihre Freiheit lassen musste. Nur so konnte er die Harmonie in der Familie erhalten. Niemals würde sich seine selbstbewusste raetische Frau wie eine römische Matrone im Haus verkriechen und sich mit ihren Freundinnen über Klatschgeschichten unterhalten.
Alpina war die ganze Zeit über still geblieben und hatte abgewartet, in welche Richtung sich die Unterhaltung entwickeln würde. Nun blickte sie ihre Mutter herausfordernd an und fragte: „Wirst du mich nun auch mitnehmen, wenn du zu einer Geburt gerufen wirst?“
Elvas lächelte und sah zu ihrem Mann, um seine Reaktion zu testen. Caius hielt ihrem Blick stand und erwartete, dass seine Frau die Initiative übernahm.
„Großmutter hat mir ja die Entscheidung abgenommen, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Vielleicht habe ich auch einfach übersehen, wie groß und verantwortungsbewusst du bereits bist. Für mich bist du noch immer mein kleines Mädchen! Aber das stimmt natürlich längst nicht mehr.“
Elvas sah ihre jüngere Tochter liebevoll an, und man konnte ihrem Gesichtsausdruck entnehmen, dass sie erstmals eine junge Frau in Alpina erblickte. Ein wenig Wehmut schwang in ihren Worten, und sie blickte versonnen von ihrer Mutter zu ihrer Tochter.
Pertha stand auf, um das Abendessen zu bereiten, als Iustinius das Grundstück betrat. Er näherte sich der versammelten Familie und grüßte mit einem kurzen Kopfnicken. Dann erstattete er seinem Vorgesetzten Bericht.
„Ave, Caius Iulius Achilleus! Ich bringe die gewünschten Informationen. Nach Auskunft der Nachbarn und der Geschäftsinhaber sowie des Wirtes der Caupona war Lucius Attius ein häufiger und ausdauernder Gast in dem Ladenlokal. Einige Male habe der Wirt oder ein anderer Gast den völlig betrunkenen Mann sogar in seine Statio geleiten müssen. Marianus hat nach der oberflächlichen Durchsicht der Listen und Wachstafeln so viele Lücken und Ungereimtheiten entdeckt, dass er fürchtet, dass es Wochen dauern werde, die Versäumnisse aufzuarbeiten.“
Damit beendete Iustinius den Bericht und erwartete weitere Anweisungen von Caius.
Der Beneficiarius Legati seufzte tief und beschloss dann, die weiteren Schritte gemeinsam mit seinen Begleitern zu entscheiden. Er stand auf und sagte zu Pertha:
„Es tut mir leid, aber ich fürchte, diese Sache geht vor. Wartet mit dem Essen nicht auf mich! Ich muss noch einige wichtige Dinge besprechen und in die Wege leiten. Danach werde ich mich erst einmal in der örtlichen Therme entspannen. Gewiss kann ich dort auch etwas zu essen bekommen, oder?“
Lasthe nickte. „Natürlich kannst du dir aus der Caupona oder der Mansio etwas dorthin bringen lassen. Viele Reisende machen das, wenn sie hier übernachten.“
Caius lächelte seine Tochter an und dankte für die Zuwendung seiner Schwiegereltern. Dann folgte er dem Späher zur Statio.
***
Die letzte Stunde des Tages war bereits angebrochen, als Caius erneut die Statio betrat. Er nickte den im Officio versammelten Soldaten zu und fragte Euprepes, in welcher Verfassung sich Attius befände.
„Der schläft noch immer seinen Rausch aus“, war die Antwort, begleitet von einem hämischen Lächeln auf den Gesichtern der anderen. „Fuscinus bewacht ihn!“
Caius war nicht nach Lachen zu Mute. Er musste eine Strafe verhängen und die vorzeitige Ablösung des Attius in die Wege leiten. Ganz zu schweigen von dem Ärger, der ihn bei seiner Rückkehr nach Augusta Vindelicum erwartete, wenn er dem Procurator melden musste, welche unhaltbaren Zustände in der Statio von Bratananium geherrscht hatten. Caius fragte Marianus, was genau er bei der Durchsicht der Schriftrollen und Wachstafeln herausgefunden hatte.
„In diesen Listen ist nicht viel eingetragen worden während der vergangenen zwei Monate, Achilleus. Entweder sind in diesem Teils Raetiens keine Waren transportiert worden, und es gab keinerlei Diebstähle oder Überfälle auf Reisende, oder…“, er beendete den Satz nicht, sondern nickte nur mit dem Kinn in Richtung Wohnstube der Statio.
Der Beneficiarius Legati blickte den erfahrenen Kollegen durchdringend an: „Wie lange wirst du brauchen, Ordnung in die Listen zu bringen?“
Marianus antwortete: „Das hängt davon ab, wie viel sonst hier zu tun ist. Ich nehme an, der Straßenzustand der Fernstraße nach Iuvavum ist ebenso wenig überprüft worden wie die Brücke hier oder die anderen im Umkreis. Es dürfte eine Weile dauern, bis alles gesichtet ist.“
Caius nickte zustimmend und legte dann fest: „Gut, dann müssen wir mit zwei Männern arbeiten. Marianus, du bleibst mit Euprepes hier. Ihr übernehmt den Posten so lange, bis die Versäumnisse aufgearbeitet sind. Dann kehrst du nach Augusta Vindelicum zurück und erstattest Bericht. Eventuell brauche ich dich als Zeugen in dem Verfahren gegen Attius. Da es für Euprepes sowieso der erste Einsatz auf einer Beneficiarierstation ist, kannst