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Aufzug. Gleichzeitig mit uns wartete eine Gruppe polnischer Touristen, die größtenteils aus Frauen bestand auf die Reise nach oben. Kat und ich waren das einzige europäisch-asiatisch gemischte Paar in der großen Runde der Wartenden. Die Polinnen sahen uns, vor allem mich mit einem skeptischen Blick an. Gut, das konnte ich ihnen nicht verübeln, schließlich war es auch das, wonach es aussah – ich war ein Sextourist. Diese Blicke und die dahinter vermuteten Gedanken musste ich aushalten können, ich habe mich schließlich selbst in diese Situation gebracht. Fest habe ich ihre Blicke erwidert, nicht beschämt weg geschaut, sondern mit meinen Augen signalisiert: „Wo ist dein Problem, würdest du auch gerne diese Erfahrung machen?“

      Das wirkte, sie waren es, die beschämt wegschauten.

      Vom 84ten Stock, 250 Meter über der Erde hatten wir einen wunderbaren Blick über Bangkok, die großartige Stadt lag uns zu Füßen. Wolkenkratzer über Wolkenkratzer waren zu sehen, dazwischen kleine, einfache Behausungen. Lange standen wir an den Fenstern, konnten uns gar nicht sattsehen. Wir alberten herum, blödelten und scherzten viel, haben Unmengen an Fotos geschossen. Der Großteil der Konversation bestand aus Lachen. Wir waren eine Thai-Lady, die nur begrenzt englisch sprach und ein deutscher Tourist, der ebenfalls nur begrenzt englisch sprach, das schränkte die Möglichkeiten eines wirklich intellektuellen Austausches ein und trotzdem klappte die Verständigung ganz gut.

      Es dauerte einige Zeit bis ich mich an den Thai-Dialekt im Englischen gewöhnt hatte. Die Thailänder sprachen manche Wörter sehr hart aus (zum Beispiel „wock“ statt „walk“), manchmal wurden einzelne Buchstaben weggelassen („o'cock“ statt „o'clock“ oder „dink“ statt „drink“) bis hin zu einer völlig falschen Aussprache („no compain“ statt „no problem“ oder „own“ statt „old“). Sie wiederholten häufig in einem Satz ein einzelnes Wort, so dass es zweimal, manchmal auch dreimal direkt nacheinander gesprochen wurde („It's the same same“). Eine Besonderheit des Thailändischen war, dass durch Wiederholung eines Wortes, dessen Bedeutung verstärkt wird („I walk“ bedeutete „Ich gehe“, „I walk walk“ bedeutete „Ich gehe eine große Strecke“ und „I walk walk walk“ bedeutete „Ich gehe eine sehr große Strecke“), dieses Phänomen hatten sie auf das Englische übertragen. Präteritum, Perfekt und Futur spielten überhaupt keine Rolle, alles wurde im Präsens wiedergegeben. Ebenso wurden die Hilfsverben nur spärlich eingesetzt. Aber die Verständigung wurde mit jedem Tag ein Stückchen besser und ich gewöhnte mich an die extravagante Aussprache der Thailänder.

      Spätnachmittags machten wir uns auf den Rückweg, wurden durch den Besuch eines Bazars aufgehalten. Dieser Bazar fand in einer großen Halle, direkt unterhalb des Baiyoke-Towers statt, in der sehr viele kleiner Stände – teilweise bestanden sie nur aus einer Wäschestange mit Kleidern, die mitten im Weg stand – aufgebaut waren. Kat brauchte neue Kleidung, Thailänder und vor allem Thailänderinnen gingen unheimlich gern shoppen und kauften sich ständig neue Sachen. Kat erstand einen heißen Jeans-Minirock und ich schenkte ihr das dazu passende ärmellose T-Shirt. Hierüber geriet sie ganz aus dem Häuschen, überhäufte mich mit Küssen als ich es ihr gab. Auf dem weiteren Weg zum Skytrain kaufte Kat bei einem fliegenden Händler für mich frisch gepressten Orangensaft. Warum macht sie das? Lautete das Gesetz nicht, dass der Customer alles zu kaufen habe? Sie musste für ihr Geld doch um so vieles härter arbeiten als ich. Ich war irritiert und gerührt – und der Orangensaft schmeckte hervorragend.

      Beware of the ladyboys! Recht viele der „Frauen“ hatten eine auffallend tiefe Stimme und das nicht nur in Nana, sondern auch in ganz normalen Geschäften. Wenn man sich dann die dazugehörigen Beine ansah, tauchten ausgeprägte Waden auf. Hier gab es offensichtlich mehr Ladyboys als ich gedacht hatte. Ich müsste meinen Blick schärfen, um nicht irgendwann abends im Hotelzimmer eine Überraschung zu erleben.

      Gefühlt war jedes zweite Auto in Bangkok ein Taxi. Diese farbenfrohen in rot, rosa, gelb, blau und grün gehaltenen Fahrzeuge hoben sich deutlich von den üblicherweise weiß, silberfarben oder schwarz gehaltenen „normalen“ Autos ab und bestimmten das Straßenbild. Sie parkten überall am Straßenrand, der Fahrer stand davor und reihte sich bei den Händlern und Ladys um die Gunst der Touristen ein, fragte jeden Vorbeikommenden: „Taxi?“

      Im Hotel mussten wir erst einmal duschen, den Schmutz der Straße und den klebrigen Schweiß der Hitze abspülen. Neu erfrischt konnten wir uns zum Abendessen aufmachen. Kat kannte ein Restaurant, das recht gut sein sollte und sie hat damit eine gute Wahl getroffen. Es handelte sich um kein Lokal im europäischen Sinne. In einer großen, offenen Halle befanden sich viele einfache Esstische, rote und gelbe Klappstühle standen vor ihnen. Das Essen konnte man in mehreren verschiedenartig ausgerichteten Küchen bestellen, die den Raum gemeinsam nutzten. Die Beleuchtung war alles andere als romantisch, grelle Neonröhren erhellten den Raum. Dem Thai-Food gegenüber war ich noch ein wenig reserviert, konnte mich noch nicht dazu durchringen und wählte den sicheren Weg – einen Thunfischsalat, der mir sehr gut schmeckte. Kat bestellte sich eine heimische, pürierte Suppe, die wir gemeinsam auslöffelten. Ich wusste zwar nicht, was ich da aß, begann aber, mich mit dem Thai-Food immer mehr anzufreunden.

      Während des Essens besah ich mir einige der anwesenden, gemischten Pärchen. Komische Menschen tummelten sich in Thailand. Einerseits offenbarte ihre Kleidung (T-Shirt straff in Hose mit Gürtel gesteckt, Slipper mit Strümpfen bis kurz unter die Knie oder extra hohen Halbschuhe bei 35 Grad Celsius) sie als Spießer, andererseits machten sie in Thailand Sexurlaub. In meinen Augen ein krasser Widerspruch und wenn er das nicht sein sollte, dann wäre es eine gewaltige Doppelmoral.

      Gut gesättigt wechselten wir die Lokalität, suchten uns eine Bar, in der wir ein Bier trinken und die Menschen beobachten konnten. Es war noch zu früh, nur wenige Gäste bevölkerten die Bar. Mir fiel bereits gestern auf, dass Nana relativ leer war, geht die Rotlichtindustrie Thailands den Bach runter oder ist einfach gerade keine Saison? Trotzdem verbrachten wir einen schönen Abend in der Bar, befummelten uns, tauschten Küsse aus und genossen das Leben. Es wurde spät, war jedoch noch nicht zu spät und Kat schlug vor, eine Runde Billard zu spielen, bevor wir ins Hotel zurückgehen würden. Das letzte Mal hatte ich vor 25 Jahren Billard gespielt, wer wüsste, wie dumm ich mich jetzt anstellen würde, zumal Kat mir gesagt hatte, dass sie regelmäßig spiele. Egal, Augen zu und durch und schlimmstenfalls blamieren. Kat legte vor, machte ein paar gute Stöße – meine sollten später im Hotelzimmer erfolgen – spielte insgesamt aber auf meinem Level. Ich war beruhigt, so groß würde die Blamage also nicht ausfallen. Allerdings spielte Kat mit unfairen Mitteln. Wenn eine meiner Kugeln günstig vor einer Tasche lag und ich sie zu versenken drohte, beugte Kat sich über diese Tasche und zog den Halsausschnitt ihres T-Shirts hinunter, zeigte so ihre Brust und hoffte, mich damit abzulenken oder sie setzte sich breitbeinig in eindeutiger Pose über das Eck des Tisches. Sie arbeitete mit allen Tricks, manchmal halfen sie und ich schaffte es, eine sichere Kugel zurück auf den Tisch zu beordern, manchmal reichten ihre Ablenkkünste nicht aus und die Kugel verschwand in der Tasche. Am Ende stand es 4:1 für mich.

      Zwischendurch musste Kat auf die Toilette, ich stand alleine am Tisch, wartete auf ihre Rückkehr, sie war am Stoß. Eine mir unbekannte Lady kam auf mich zu, stellte sich als Fan von Kat vor, sie hätte mal in derselben Bar wie Kat gearbeitet. So weit, so gut, doch dieses Geplänkel sollte nur die Vorbereitung sein und dann ließ sie die Katze aus dem Sack, sprach den entscheidenden Satz aus. Ob ich ihr denn einen Ladydrink ausgeben würde. Wie abgezockt sind die denn hier? Sie bedrängte mich, ihr einen Ladydrink auszugeben, das gefiel mir überhaupt nicht. Wenn, dann wollte ich den Ladydrink spendieren, mich aber nicht dazu nötigen lassen. Natürlich gab ich ihr keinen aus, da könnte ich doch gleich ganz Bangkok zu einem Ladydrink einladen und wäre nach zehn Minuten pleite. So geht das nicht!

      Wir legten eine Spielpause ein, ein anderes europäisch-asiatisches Pärchen nutzte die Gelegenheit, nahm den Tisch für sich in Anspruch. Der Engländer spielte verdammt gut, ich wurde neidisch auf seine Spielkünste. Wir beobachteten die beiden, gaben Kommentare zu gelungenen Stößen ab.

      Plötzlich forderte Kat den Engländer heraus, fragte ihn, ob er das Spiel bezahle, wenn er gegen mich spiele und ich gewönne. Er willigte ein. Wie war Kat denn drauf? Der Typ spielte einige Ligen über mir, gegen ihn gehe ich mit Mann und Maus unter. Nun gut, man sollte keine Möglichkeit auslassen,

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