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zu entgehen.

      Der Hunger meldete sich bei mir, ich musste dringend etwas essen. Heute war mein Glückstag, ich hatte ein Mc Donalds entdeckt, essenstechnich war ich also auf der sicheren Seite. Spontan entschied ich mich dennoch gegen den aufkeimenden Wunsch nach Burger und Pommes Frites, ließ Mc Donalds am Straßenrand liegen und suchte weiter. Wonach genau, wusste ich nicht, nur sollte es kein westliches Essen sein. In einer kleinen Seitengasse wurde ich fündig. Unter einem alten Blechdach befanden sich eine kleine Küche im Freien, daneben ein paar Holzbänke und abgenutzte Tische. Ich bestellte mir eine Suppe mit Glasnudeln und Huhn zum exorbitanten Preis von 50 Baht. Die Nudeln mit Stäbchen zu essen, war eine große Herausforderung, ständig rutschten sie zwischen den Holzstöckchen hindurch und es kostete mich viel Zeit bis ich eine einigermaßen brauchbare Technik entwickelte, um mich zu sättigen. Das Huhn durfte man sich ebenfalls nicht zu genau betrachten, es befanden sich Fleischstücke darunter, die vornehm ausgedrückt, nicht so appetitlich aussahen. Nach dem Urlaub wäre ich entweder abgehärtet oder zehn Kilogramm leichter, wenn nicht sogar verhungert. Noch war überhaupt nicht absehbar, in welche Richtung das Pendel ausschlagen würde.

      Bei einem Zwischenstopp im Hotel wechselte ich meine Schuhe, die jetzigen haben es geschafft, dass ich mir innerhalb eines halben Tages ein paar Blasen an den Füßen lief – na super, das fängt ja gut an. Mit bequemerem Schuhwerk machte ich mich auf meine nachmittägliche Entdeckungstour. Diesmal sah ich im Skytrain auch wenige Europäer, das gab mir etwas Rückhalt, nun war ich doch nicht ganz so einsam, hatte meine Gruppe, auch wenn ich meine einzelnen Gruppenmitglieder gar nicht kannte und mich nicht mit ihnen austauschte, aber alleine ihre Gegenwart war hilfreich.

      Im Skytrain hingen über den Sitzen flimmernde Bildschirme, über die eine laute Dauerbeschallung mit nervigen Werbespots erfolgte. Die Fahrgäste, die gerade nicht mit ihren Handys beschäftigt waren, schauten wie gebannt auf die schrillen Werbebotschaften – vielleicht, um nicht andere Fahrgäste anschauen zu müssen, ähnlich wie bei uns in Deutschland in Fahrstühlen jeder auf die Anzeige mit der Etagenzahl fixiert ist.

      Der nachmittägliche Gang durch die überfüllten Straßen Bangkoks offenbarte, dass die Straßenhändler keine festen Arbeitszeiten hatten. Den ganzen Tag über wurden irgendwelche Stände neu aufgebaut. Und noch etwas kam hinzu: Es gab zuhauf Stände, die offen und für alle sichtbar Viagra, Valium, Dildos und künstliche Muschis anboten. Welcher Thailand-Urlauber kauft eine künstliche Muschi? Es laufen doch genügend natürliche herum, die gegen einen gewissen Obolus bereit sind, diese auch zu vermarkten.

      Ich setzte mich an den Straßenrand, besah mir das Treiben, dachte über mich und meine Lage nach. Alleine zu reisen war anstrengend. Ich übernahm für alles, was ich tat die volle Verantwortung. Wenn einer bei einer Reise zu zweit die Entscheidungen trifft, ist immer noch einer da, der diese zumindest mitgetragen hat. Dadurch fühlt man sich bei einer falschen Entscheidung nicht so schlecht, der andere hätte ja intervenieren können. Ich war alleine, bei mir war keiner, der meine Entscheidungen mittrug, der mir bei einer falschen hätte etwas Last abnehmen können.

      Des Weiteren fehlte mir bereits nach zwei Tagen die deutsche Sprache. Es war keiner in meiner Nähe, mit dem ich mich in meiner heimatlichen Sprache hätte austauschen können. Bewusst entschied ich mich dagegen, andere Deutsche zu suchen, mit anderen in meiner vertrauten Sprache zu reden. Nein, ich wollte das Experiment Einsamkeit bestehen, wollte sehen, welche Wirkung es auf mich hätte. Eine war, dass ich mir mehr Gedanken über alles Mögliche machte. Denken Menschen, die viel reden weniger? Und können Menschen, die wenig reden, besser denken? Besteht dazwischen eine Korrelation?

      In den Straßen sah ich sehr viel Sicherheitspersonal, Uniformierte privater Unternehmen standen allerorts. Ihre wichtigste Waffe im Kampf gegen das gemeine Volk war ihre Trillerpfeife. Wenn sie diese benutzen konnten, fühlten sie sich beachtet und respektiert, ihnen wurde Aufmerksamkeit gewidmet, sie konnten ihre Macht ausspielen. Ihre Freude bei der Benutzung der Pfeife, womit sie Fußgänger und Autofahrer anwiesen, war ihnen förmlich anzusehen.

      Auf dem Rückweg zum Hotel stellte sich mir kurz vor meinem Ziel eine Lady in den Weg, hielt mich an und fragte, wohin ich denn wolle.

      „Ich will nur schnell duschen. Komme aber gleich wieder.“

      Sie glaubte mir nicht, sie hatte genügend Erfahrungen mit falschen Aussagen gesammelt und meinte, ich würde sowieso nicht wieder kommen.

      Die hohe Luftfeuchtigkeit setzte mir zu, duschen wurde zur Lebensaufgabe. Kaum war ich aus der Kabine herausgetreten und abgetrocknet, war die Haut erneut klebrig und der Drang zur nächsten Dusche vorhanden. Nach der einer kurzen Regenerationspause bin ich zurück zu der Lady, die mich vorhin aufgehalten hatte, ich wollte schließlich glaubwürdig sein, sie nicht enttäuschen. Sie war ganz erstaunt, dass ich wirklich wiederkam, stellte sich als Brin vor. Ich lud sie zu einem Ladydrink ein, ich musste doch meine ersten Erfahrungen mit einer Lady in Bangkok sammeln. Sie wollte einen Whiskey, ich ein Bier, das Standardgetränk für Männer in Thailand. Kaum hatten wir unsere Getränke, gesellte sich eine zweite Lady zu uns, die sich Kat nannte. Kat war noch jung, fast halb so alt wie ich, war gertenschlank, hatte ein freundliches Gesicht mit blitzenden Augen und langen, schwarzen Haaren. Die beiden verstanden sich untereinander sehr gut, zeigten keinerlei Konkurrenzdenken. Brin saß neben mir auf einem Hocker und Kat stand uns gegenüber. Wir unterhielten uns locker über Belanglosigkeiten. Und doch fand ich trotzdem Gefallen an ihr, ich musste mich in das Leben der Vergnügungsindustrie eingewöhnen und dies war ein guter Einstieg. Kat wollte auch einen Ladydrink haben. Ich war noch unerfahren und ließ mich breitschlagen, ihr ebenfalls einen auszugeben – natürlich Whiskey. Brin musste kurz auf die Toilette und die schöne Kat nahm mich sofort in Beschlag, flirtete heftig mit mir und ich stieg darauf ein, genoss ihre Aufmerksamkeit. Als Brin zurückkam, merkte sie sofort, was die Uhr geschlagen hatte. Sie war überhaupt nicht verärgert, dass Kat mich ihr abspenstig gemacht hatte, tauschte sogar mit ihr die Plätze, so dass nun Kat neben mir saß und mir Zärtlichkeiten zukommen lassen konnte. Brin blieb noch eine kurze Anstandszeit bei uns stehen, bevor sie sich ganz zurückzog, den Braten sollte heute Kat haben. Diese drehte weiter auf, drückte ihre Brust gegen meinen Arm, hielt meine Hand fest, massierte diese, es folgten Küsse. Alles untermauerte sie mit der dauerhaften Behauptung: „I like you.“ Die Unterhaltung ebbte ab, die Berührungen wurden intensiver. Ein Bier später, habe ich ihre Barfine gezahlt, ich wollte sie heute Nacht bei mir haben.

      Kat holte aus einem dunklen Hinterraum ihre Tasche – klar, die Ladys müssen immer damit rechnen, die Nacht nicht zu Hause zu verbringen und eine Notfalltasche mit allen notwendigen Utensilien mit sich herumschleppen. Wir machten uns auf zum Hotel.

      Auf dem Weg dorthin habe ich sie an ihrer Hand gehalten, ging an den Engstellen auf dem Bürgersteig (von denen es mehr als genug gab) vor, zog sie hinter mir her. Ich hatte ein Gefühl, als ob ich ein Jäger sei, der nun seine Beute nach Hause brächte. Einerseits erfüllte mich dieses Gefühl mit einer Art Stolz, andererseits schlich sich immer mehr der Gedanke des Geldes in mein Hirn: Bin ich wirklich der Jäger und sie die Beute? Nein, es ist Bullshit, der Jäger hat gar keine Beute, ich bin eher ein Angler, der seinen vermeintlichen Fang im Fischgeschäft gekauft hat – mehr ist es in Wirklichkeit nicht. Ich habe Kat gekauft und nicht erobert. Egal, sie war bei mir und diese Erfahrung musste gemacht werden. Auf unserem Weg befanden sich mehrere kleinere, mit Blumen geschmückte Buddha-Schreine, einzelne Kerzen und Räucherstäbchen brannten vor ihnen. Bei jedem faltete Kat ihre Hände, hielt sie vor die Brust und kurz inne. Dieses Verhalten war mir im Laufe meines Urlaubs bei keinem weiteren Thailänder so extrem aufgefallen.

      An der Rezeption musste Kat ihre ID-Karte abgeben und in einem Buch ihren Namen, die Ankunftszeit sowie meine Zimmernummer eintragen. Wenn sie die Karte später abholen würde, müsste zusätzlich noch ihre Abgangszeit notiert werden. Nun war alles registriert, nun war es amtlich, ich war ein Sextourist, ein Bumsurlauber. Dieses strenge Verfahren diente zum Vorbeugen von Kinderprostitution und zum Schutz der Touristen vor Diebstahl oder ähnlichem, da über die ID-Karte Alter und Identität der besuchenden Lady registriert waren.

      Auf dem Zimmer knutschten wir erst einmal heftig herum. Hey, hat die Frau keine Zunge? Kat ließ sich zwar küssen, weigerte sich aber, aktiven Gebrauch von ihrer Zunge zu machen, versteckte diese regelrecht. So hatte

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