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Schreien und durch die Luft wirbelnden Klauen und Klingen zu bestehen. Verbissen schwang Yaren sein Kesh gegen den Drachen vor ihm. Das Biest war bereits verletzt, aber noch immer stark. Sein langer biegsamer Hals schnellte vor und zwang Yaren zurückzuweichen. Dabei trat er beinahe auf einen der Verletzten, die den Boden übersäten. Im letzten Moment drehte er den Fuß zur Seite und kam knapp neben dem Arm des Mannes auf. Dessen Finger zuckten unkontrolliert, ebenso wie der Rest seines Körpers. Er war nur einer von vielen. Um Yaren herum ging ein Blitzschauer nach dem anderen nieder, die jeden niederstreckten, der nicht schnell genug seinen Schild hob. Wenigstens darum musste er sich nicht sorgen. Das Drachenblut tat ihm einmal mehr gute Dienste. Der Kiresh zu seiner Rechten hatte dieses Glück nicht. Er hatte sich ganz auf ihren Gegner am Boden konzentriert und bemerkte das Ungeheuer über ihnen zu spät. Stöhnend brach er zusammen, als ihn ein Kokon aus goldenen Lichtfäden einspann. Der Drache, den er und Yaren ins Visier genommen hatten, holte mit seiner rechten Klaue aus, um ihn zu zerfetzen, doch Yaren versalzte ihm die Suppe. Er sprang vor und führte einen Scheinangriff aus, der es einem seiner anderen Kameraden ermöglichte, den Platz des Verletzten einzunehmen und diesem Deckung zu geben. Von der anderen Seite kam ihnen ein weiterer Krieger zu Hilfe. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen schließlich, das Ungeheuer zurückzudrängen. Yaren setzte nach und stieß sein Kesh oberhalb der Hüfte in den Leib des Drachen. Er hatte gut gezielt. Die Klinge glitt zwischen den Hornplatten hindurch und verschwand beinahe bis zum Heft in dessen Eingeweiden. Mit einem halb zornigen, halb schmerzerfüllten Brüllen krümmte sich der Drache zusammen. Der Kiresh zu seiner Rechten nutzte seinen Vorteil und schlitzte mit einer fließenden Bewegung den Hals des Ungeheuers auf. Dunkles Blut besudelte seine Rüstung. Der Kopf des Drachen zuckte noch einmal hoch, bevor er nach hinten wegknickte. Wachsam behielt Yaren seine Waffe im Anschlag, bis er sicher war, dass ihr Gegner sich nicht mehr rührte.

      „Bei Kaddor, was für Bestien!“ stieß der Kiresh, der dem Drachen den Todesstoß versetzt hatte, atemlos hervor. „Als hätten die Höllen selbst sie ausgespien!“

      Yaren wischte sich den Schweiß aus der Stirn. Doch die Drachen gönnten ihnen keine Verschnaufpause. Aus dem Augenwinkel sah er, wie eines der Biester im Tiefflug auf ihn und seine Kameraden zuhielt. „Runter!“ brüllte er und ließ sich fallen. Der Drache rauschte über ihn hinweg wie ein Sturmwind aus Klingen. Seine Schwingen wirbelten die Erde um Yaren herum auf und er fühlte den Luftzug der messerscharfen Klauen direkt über seinem Kopf. Der Kiresh neben ihm stieß einen gurgelnden Schrei aus. Etwas Warmes spritzte auf Yarens rechte Wange. Sein Kamerad sackte in sich zusammen wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hatte. Überall war Blut. Yaren musste den Unglücklichen nicht umdrehen um zu wissen, dass er tot war. Der Drache hatte ihm halb den Kopf von den Schultern getrennt.

      Eine neue Salve krachte aus den Geschützrohren und forderte ihren Tribut unter den Echsen. Um Yaren herum hatte sich ein Freiraum gebildet. Mit einem raschen Blick schaute er sich um. Überall lagen Tote und Verletzte neben- und übereinander. Dazwischen ragten die Kadaver der erschlagenen Drachen heraus wie exotische Gewächse. Der Boden zu seinen Füßen war glitschig von Blut und Spuren davon fanden sich überall auf seiner Rüstung. Der Kampf wütete schlimmer als alle, die er bisher erlebt hatte – und doch herrschte in seinem Innern eine eigenartige Ruhe. Diesmal brauchte er keine Angst zu haben, dass die Drachen jemandes Leben nahmen, der ihm nahestand.

      Ganz in der Nähe kämpften einige der Söldner. Sie hatten ihre Schilde fortgeworfen, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, und bedrängten die beiden Drachen in ihrer Mitte hart. Was ihrem Kampfstil an Raffinesse fehlte, machten sie durch Kraft und Beweglichkeit wett. Zudem ergänzten sie einander perfekt. Als einer der Söldner zum entscheidenden Stoß ausholte, legte sich ein Schatten über sie. Ein Schauer aus Blitzen ergoss sich über die Raikari. Jemand packte Yaren von hinten und stieß ihn zu Boden. Er keuchte vor Schreck, als harte Rüstungsteile gegen seine Schulterblätter pressten und ihm die Luft abschnürten. In unmittelbarer Nähe knisterte ein Drachenblitz vorbei. Bevor Yaren reagieren konnte, verschwand das Gewicht auf seinem Rücken. Eine rote Maske schob sich in sein Gesichtsfeld. „Verzeiht, wenn ich etwas grob war“, drang Ralans gedämpfte Stimme durch die grotesk verzerrte Mundöffnung. „Seid Ihr in Ordnung?“

      Yaren sah ihn einen Moment verständnislos an, bevor ihm aufging, dass der Söldnerführer ihn vor dem Drachenblitz hatte in Sicherheit bringen wollen. „Habt Dank.“

      Der Kommandant der Raikari streckte ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. „Ihr solltet etwas vorsichtiger sein.“

      Yaren murmelte eine Zustimmung und griff nach der dargebotenen Hand, doch dann erstarrte er mitten in der Bewegung, als er den goldenen Lichtfaden sah, der über Ralans Arm mäanderte. Ein Blick hinüber zu den Raikari bestätigte, dass auch diese weiter kämpften, als wäre nichts geschehen. Die Söldner wurden von den Blitzen ebenso wenig beeinträchtigt wie er selbst und die Koshagi! Wie konnte das sein? Hatten sie sich gleichfalls mit dem Blut der Drachen eingerieben? Aber der Marenash hatte die Blutsalbe öffentlich geächtet! Niemandem außer den Koshagi war es erlaubt, sie zu benutzen. Auf den Handel damit stand die Todesstrafe. Zugegeben gab es immer Möglichkeiten, sich Dinge über dunkle Kanäle zu beschaffen, aber in dieser Menge? Yaren kniff die Augen zusammen. Hatte Ralan nicht gesagt, dass er und seine Leute schon eine Weile hier waren? Hatten sie die Salbe aus dem Blut eigenhändig erlegter Drachen selbst hergestellt? War Ashak vielleicht sogar so weit gegangen, ihnen seine Erlaubnis zu geben?

      „Wenn Ihr mein Geheimnis wahrt, werde ich das Eure wahren.“ Die Hand des Söldnerführers schwebte noch immer vor Yarens Gesicht.

      Er musterte Ralan. Die Stimme des Kouran hatte unverändert freundlich geklungen, dennoch war die Botschaft unmissverständlich. War das ein Bluff oder wusste der Söldner Bescheid? Hatte er während des Kampfes gleichfalls bemerkt, dass die Blitze Yaren nichts anhaben konnten? War seine Rettungsaktion nur für die Augen Dritter bestimmt gewesen? Eine Finte, um von sich selbst abzulenken und sich Yarens Stillschweigen zu sichern? Verdammt, wenn er doch nur das Gesicht des Mannes sehen könnte! Er ging immer ein Wagnis ein, wenn er mit anderen zusammen kämpfte, aber in der Regel hatten seine Kameraden keine Gelegenheit, ihn so genau im Auge zu behalten, und es kam ihnen auch gar nicht in den Sinn, dass mit ihm etwas nicht stimmen könnte, da er nicht das rote Mal der Koshagi trug. Natürlich wäre es sicherer gewesen, wenigstens Helm und Schild zu tragen und dadurch weniger aufzufallen, aber Yaren nahm das Risiko zugunsten besserer Sicht und Beweglichkeit in Kauf. Er hatte geglaubt, er müsste sich vor allem vor Magur in Acht nehmen, aber wie es schien, hatte er sich verkalkuliert. Ralan war jemand, mit dem man rechnen musste. Wenn er nicht riskieren wollte, dass der Kouran der Raikari ihn auffliegen ließ, schlug er besser ein. Was hatte er auch zu verlieren? Er war sowieso der Letzte, der den Söldnern vorwerfen konnte, gegen das Gesetz verstoßen zu haben. „Also gut: ich habe nichts gesehen, Ihr habt nichts gesehen.“

      Ralans Hand schloss sich fest um seine. „So sei es.“

      Ihre Unterredung hatte nur einen kurzen Moment gedauert, doch die Zeit hatte den Raikari genügt, um die beiden Drachen zur Strecke zu bringen. Auch an anderen Stellen ließen die Kampfhandlungen nach. Soweit Yaren sehen konnte, hatten sich die verbliebenen Echsen, immerhin noch gut zwei Drittel der ursprünglichen Streitmacht, in die Luft erhoben und außerhalb der Reichweite der Geschütze zurückgezogen. Hatten sie es geschafft? Gaben die Bestien auf? Einer der Drachen, die weit oben am Himmel kreisten, stieß einen Laut aus, der wie ein dunkler Gong durch das Tal hallte. Daraufhin stiegen auch die übrigen Ungeheuer höher. Sie zogen tatsächlich ab! In den Reihen der Kireshi brandete Jubel auf. Mit in die Luft gereckten Waffen brüllten die Männer den Drachen hinterher. Einige schlugen sogar mit den Schwertern gegen ihre Schilde.

      Die Anspannung wich aus Yarens Gliedern. Sie hatten die Echsen vertrieben und die Verluste hielten sich in Grenzen. Die Mehrzahl der Männer, die am Boden lagen, waren nur Opfer der Blitze geworden und würde sich bald erholen. Die erste Schlacht war gewonnen.

      ***

      Keuchend blieb Ishira stehen. Ihre Lungen stachen bei jedem Atemzug, als besäße die Luft scharfe Kanten, und ihr war so schwindelig, dass sie die Bäume und den Weg vor sich nur noch verschwommen wahrnahm. Ihre Muskeln protestierten gegen die Überlastung und sie musste sich am Stamm einer Zeder abstützen, weil ihre Beine ihr Gewicht kaum noch zu tragen vermochten.

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