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Korridorium – der SciFi-Fraktor. Cory d'Or
Читать онлайн.Название Korridorium – der SciFi-Fraktor
Год выпуска 0
isbn 9783847660897
Автор произведения Cory d'Or
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Auch jetzt wieder, mitten in der Nacht, könnte es 2:22 Uhr sein. Aber dies ist kein Traum.
»Du hast eine Maschine gebaut«, wiederholt die Stimme, während ich wie hypnotisiert auf das zeitlupenhafte Fließen flüssigen Metalls starre und gleichzeitig ahne, dass mir das Wesen mit seinem sanften Singsang etwas Schreckliches mitteilen will.
»Deine Maschine hat die Dimensionen der Welt durchlöchert, deinen Planeten zertrümmert und dazu noch viele, viele Sterne und Planeten im Umkreis mit ins Verderben gerissen.«
»Aber das ist doch Unsinn! Die Erde ist nicht untergegangen, nur weil ich irgendwas geträumt habe!«
Das Kaleidoskopmuster verändert sich, ohne dass ich sagen kann, wie. Die Stimme erscheint mir jetzt strenger. Sie sagt: »Die Welt in deinem Traum war real. So real wie diese hier. Wir hatten gehofft, dass du dich im letzten Moment entscheiden würdest, die Maschine nicht in Gang zu setzen, sondern sie zu zerstören.«
»Ich hatte doch keine Ahnung, was sie bewirkt!« Wirklich nicht? Doch. Im Traum wusste ich sehr wohl, was für ein Risiko ich einging. Ich hatte es nur immer wieder verdrängt.
»Viele Zivilisationen mussten sterben«, sagt die Stimme.
Meinetwegen? Ich soll daran schuld sein? »Was ist mit dir?«, frage ich, »du lebst doch – nehme ich an.«
»Einige, wenige Wesen wurden wie ich durch die perforierten Dimensionen in parallele Welten geschleudert.«
Parallele Welten: Im Traum verdrängte ich immer wieder die Sorge, meine genial ausgetüftelte Maschine, mit der ich die Vakuumfluktuation anzapfen wollte, um unbegrenzt viel Freie Energie zu erzeugen, könnte das Gefüge von Zeit und Raum durcheinanderbringen. Und jetzt steht ein Wesen vor mir, das durch ein Dimensionsloch in meine Welt geschleudert wurde – vielleicht der letzte Überlebende einer ganzen planetaren Zivilisation, die ich auf dem Gewissen habe. Nur langsam kommt mir die ungeheure Bedeutung dessen, was mir das Wesen da gerade mitteilt, zu Bewusstsein.
»Wenn ihr davon wusstet: Warum habt ihr es nicht verhindert?«, frage ich mit belegter Stimme.
»Das musst du schon selbst tun«, antwortet das flüssige Kaleidoskop, das vor mir im Treppenflur schwebt.
»Wie?«, frage ich verdattert.
Das Wesen schwebt langsam aufwärts und verblasst. Es hat seine Botschaft überbracht und tritt nun den Rückweg an – wohin auch immer. »Wie soll ich das anstellen?«, rufe ich.
Das Wesen verschwindet. Ich höre keine Antwort mehr, aber in meinem Kopf bildet sich ein Gedanke, der sagt: »Erträume eine neue Welt.«
Eine heillose Verzweiflung ergreift mich. Das war nicht ich!, schreie ich innerlich. Es war dieser verblendete Ingenieur!
Doch das Wesen hat recht: Ich war der Mann in den Träumen, der entschieden hat, das Risiko in Kauf zu nehmen. Ich habe die Menschheit auf dem Gewissen, ich habe mit meiner Besessenheit und Gier nach Ruhm Milliarden von Menschen in den Tod gerissen, und ein ganzes Stück unserer Milchstraße gleich mit. Ich will es wegschieben, abstreiten, irgendjemand anderem die Schuld geben. Aber obwohl es nur Träume waren, weiß ich tief in meinem Inneren, dass mein Besucher recht hat mit seiner Schuldzuweisung. Ich war dieser besessene Ingenieur, der alle bösen Vorahnungen in den Wind geschrieben hat und die Maschine in Gang setzte.
Als ich die Haustür schließe, zittert meine Hand. Ich muss es verhindern!, denke ich, und gleichzeitig lache ich bitter: Wie soll ich etwas verhindern, das bereits geschehen ist?
Aber könnte nicht ein Raum-Zeit-Gefüge, in dem es Parallelwelten gibt, auch die Möglichkeit beinhalten, die Zeit zurückzudrehen? Hat das Kaleidoskop-Wesen vielleicht davon gesprochen, als es sagte »Das musst du schon selbst tun«?
Wenn es stimmt, beschließe ich, – wenn es wahr ist, das durch meine Schuld die Menschheit und noch eine Handvoll weiterer Zivilisationen zerstört wurden – dann werde ich diese furchtbare Tat um jeden Preis vereiteln! Zahlen, Gleichungen, Schaltungen gehen mir durch den Kopf. Die langen Nächte als Ingenieur haben sich ausgezahlt. Langsam verdichtet sich in meinem Geist das Bild von einer Apparatur, einer Zeit- und Weltmaschine, die nur einen einzigen Zweck hat und nur ein einziges Mal zum Einsatz kommen wird. Sie wird eine Art Arche sein. Doch ich werde sie nicht mit Tieren oder Menschen füllen: Sie wird mich an einen Ort und zu einem Zeitpunkt bringen, der es mir möglich macht, zu verhindern, dass ich Löcher in das Dimensionsgefüge des Kosmos stanze. Ich werde es ungeschehen machen, und zwar auf gründliche, physikalische Weise! Es muss möglich sein!
In dieser Nacht liege ich noch lange wach.
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24.2.12
Ich betrete den Korridor, ertaste mit einem meiner Tentakel eine Nische in der Wandung und ziehe meinen Körper hinterher. Indem ich die Farbe des Hintergrundes annehme, bin ich jetzt für Augen, die kein Ultraviolett wahrnehmen, kaum noch zu erkennen.
Wir kamen zum Schiff der Fremden, um sie auf unserem Planeten willkommen zu heißen. Ich, als der Theologe in unserer Delegation, sollte mit ihnen über universale Mystik und kosmische Liebe reden. Doch sie jagen uns und merzen uns erbarmungslos aus. Nur noch ich und mein Schüler sind noch übrig.
Einer von ihnen betritt den Korridor. Er ist schwer gepanzert und trägt eine ihrer tödlichen Waffen. Als er mir ganz nahe ist, stelle ich die Frage, warte aber nicht die Antwort ab, sondern morphe gleich einen meiner Tentakel zu einem spitzen, harten Stachel. Ich hätte so gerne mit ihm über Gott gesprochen. Dann müssen wir es eben auf diese Weise tun.
Voller Mitgefühl und Liebe steche ich zu …
111/398
29.2.12
Ich betrete den Korridor, an dessen Ende sich – hinter einer massiven Glasscheibe – der befinden soll, der mich gerufen hat. Man hat mich durchleuchtet, gescannt, abgetastet, mir Blut abgenommen, mich stundenlang befragt, ein Wattestäbchen mit meiner DNS und meine Fingerabdrücke archiviert, aber die Sicherheitskontrollen liegen nun hinter mir – und unsere Begegnung steht unmittelbar bevor. Aus den wenigen Informationen, die man mir gegeben hat, entnehme ich, dass nur noch einer der ursprünglich fünf Außerirdischen übrig ist, die das US-Militär in den letzten siebzig Jahren aufgegriffen hat. Und er hat nach mir verlangt!
Warum der Geheimdienst dem Alien seine Bitte erfüllt, ist mir schleierhaft. Vermutlich ein Deal. Geheim natürlich. War bestimmt nicht leicht, mich ausfindig zu machen. Der Offizier, der mir soeben mein letztes Briefing gegeben hat, behandelte mich mit kalter Verachtung. »Sie verständigen sich telepathisch mit den Wissenschaftlern«, sagte er. »Von denen halten das die meisten nicht aus und werden verrückt darüber, trotz jahrelangen Trainings dafür, dass etwas absolut Fremdes in den eigenen Geist eindringt und darin herumpfuscht.« Aber wenn er wirklich nach mir verlangt hat, dann doch wohl nicht, um mich zu einem Fall für die Geschlossene werden zu lassen. Hoffe ich.
Er ist, soweit ich das im Dämmerlicht hinter dem Glas erkenne, klein und schrumplig wie E.T. Bevor ich irgendwelche Einzelheiten bewusst wahrnehme, reißt mich eine Explosion in meinem Kopf zu Boden. Während ich hilflos zuckend daliege, werden aus der Detonation tonnenschwere glühende Symbole, die sich mitleidlos in alle Bereiche meines Hirns einprägen wie Brandzeichen. Es ist keine Stimme, sondern ein kosmischer Donner, der mir sagt, dass ich etwas aufschreiben soll, eine Botschaft für die Welt, ein Manifest, wie es noch keines gegeben hat, ein Fanal, und es soll beginnen mit …
Ich werde bewusstlos.
Mit einem Fünf-Tage-Bart, starken