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allen bedroffenen Bersonen ein Gespräch under vier Augen zu führen. Sie sind uns dabei nadürlich besonders wichtig, sie haben ja als letzte quasi persönlichen Kondagt zu ihr gehabt“, informiert mich die Beamtin. „Wir hätten deshalb gerne genaue Informationen über den Ablauf des Geschehens und die anderen betroffenen Beteiligten.“ „ Stimmt, wir müssen nicht nur den genauen Ablauf des Geschehens rekonstruieren, sondern auch möglichst viel über den persönlichen Hintergrund von Fräulein Faber erfahren“, bestätigt der Psychologe. Dabei blicken mich seine Augen über den Brillenrand hinweg prüfend an. Er erinnert mich ein bisschen an Dumbledore, wenn er über den Speisesaal von Hogwarts blickt. Es fehlen nur noch die Zauberermütze und der Bart. „Wer kannte Fräulein Faber genauer? Wer waren ihre Freunde? Wer hatte Kontakt zu ihren Eltern? Welche Lehrer unterrichten in der Klasse?“, fragt Frau Baierl jetzt in die große Runde. Alle ziehen den Kopf ein und schauen betreten zur Seite. Über einen Kollegen herziehen, will natürlich jeder ganz gerne mal, aber nicht unbedingt bei der Polizei. „Ihre Aussagen werden natürlich streng vertraulich behandelt“, versichert die Frau in Grün.

      Sigrid Übel, unsere Sekretärin, überbrückt die peinliche Situation. Wie immer adrett, mit Hochfrisur und gekonnt geschminkt. Sie kommt mit einer Kanne und einem Tablett in den Raum und flötet: „Der Kaffee ist fertig, möchten die Herrschaften vielleicht ein Tässchen. “ Die Polizeibeamtin lehnt ab. Aber der Psychologe nickt. „Schwarz, aber mit viel Zucker!” Er setzt sich auf einen der grüngepolsterten Stühle. Es steigt spontan eine Staubwolke aus dem betagten Sitzmöbel auf. Da sitzt er jetzt und freut sich über die, wie er noch nicht weiß, üble braune Brühe, die ihm gleich serviert werden wird.

      Mein Chef, der sich in seine Chefetage zurückgezogen hatte, ist in der Zwischenzeit auch eingetroffen. Seine Einsteinfrisur ist ziemlich zerzaust, kein Wunder bei der Sachlage. Man sieht ihm an, dass die Sache für ihn oberpeinlich ist. Aber er versucht, wie immer, Herr der Lage zu bleiben. Er begrüßt die beiden mit einer jovialen Chefgeste. Dann entführt er sie in sein Büro. Chef wird also im Chefzimmer vernommen.

      Danach ist Meinrad Blum dran, der ist ja auch der Hauptverdächtige. Als nächstes werde ich aufgerufen. Ich setze mich gegenüber auf einen Stuhl und mache erst mal Konversation. Ich bin schließlich ein höflicher Mensch. „Meine Freundin arbeitet bei der Polizei. Kennen Sie sie vielleicht? Sie heißt Luisa Kempf? „Ach nadürlisch“, sächselt die sympathische Beamtin. Danach tauschen wir uns von Frau zu Frau ein bisschen aus. Nach einer Weile meint sie dann aber doch: „Jetzt aber mal los, Frau Sorglos?“ Ich unterbreche sie: „Entschuldigung, ich heiße Ansorge, Eva Ansorge. Erwarten sie vielleicht jemand anderen?“ Sie schaut irritiert. „Aber, die Schüler!“ Ich unterbreche Sie und schüttle vehement den Kopf. „Gut, dann muss ich mich wohl verhört haben,“ lenkt Frau Baierl ein. „Also, Frau Ansorge, schildern Sie doch bitte mal den Härgang des Geschehens aus ihrer Sischd. Ich bitte sie dabei möglichst genau zu sein. Auch kleine Details sind manchmal enorm wichtig!“

      „Isch antworde jetzt mal aus besdem Wissen und Gewissen. Isch will ja geen Ärscher machen“, sächsle ich spontan zurück. Frau Polizei zuckt zusammen, wie von der Glabberschlange gebissen. Dann lacht sie schallend: „Na mit ihnen ham se ja auch den Bock zum Gärtnä gemacht, Frau Sorglos.“ Anschließend beantworte ich ihre Fragen. Unser Gespräch wird auf Diktafon aufgenommen. Tolles Gerät! So etwas hätte ich auch gerne mal. Kommt gleich auf meine Wunschliste. Danach muss ich über den Flur zum Psychologen. „Na, wie war der Kaffee?“, frage ich mitfühlend. Der Mann hat Humor und verdreht die Augen. „Aber besser als nix.“ Er nickt. „Sie scheinen die Sache ja sehr gelassen zu nehmen“, meint er. „ Als Lehrer kann man so was, schließlich fängt bei uns jeden Tag um 8 Uhr die Krise an und endet meist erst gegen Nachmittag.“ Er nickt verständig: „Spaß beiseite, Frau Ansorge, wir sind auch hier, um eine psychologische Erstversorgung nach einem traumatischen Geschehen zu gewährleisten.“ „Mir geht es gut, ich schaffe das schon“, kommentiere ich trotzig. Mit neugierigen Äuglein blickt er mich forschend über den Brillenrand hinweg an. „Wie geht es ihnen in ihrem Beruf, arbeiten Sie gerne in der Schule?“ Was soll das jetzt? Ich blicke ihn mit großen Augen und offenen Mund an. Was will der Mann jetzt von mir. Ich versinke erst mal ins Nachdenken. „Ob ich gerne Lehrerin bin? Doch schon. Die Arbeit ist abwechslungsreich. Im Prinzip ist jeder Tag ein Abenteuer. Man muss halt ständig hellwach sein, wenn man unterrichtet. Wenn man sich nur darauf konzentrieren müsste, seinen Stoff zu vermitteln, ginge das ja noch. Aber es spielen noch viele anderen Faktoren eine Rolle Stoffüberfrachtung und viel zu große Klassen. Menschen, die sich gar nicht unterrichten lassen wollen, weil sie viel lieber mit den Nachbarn schwätzen, leistungsstarke Schüler, die nicht genug Wissen in sich aufsaugen können und außerdem welche, die schon seit der vierten Klasse im Schülerburnout hocken. Die Bandbreite ist halt groß. Ich würde sagen, es geht oft mehr um Psychologie und Gruppendynamik, als um die reine Wissensvermittlung.“

      „Wie ist es denn bei ihnen? Ihr Beruf ist auch nicht ganz ohne?“ frage ich gleich mal zurück. „Wenn ich an das ständige Gewusel in einem Klassenzimmer denke, werde ich richtig neidisch. Sie können ihre Klienten wenigstens auf die Couch legen, da halten sie still. " Der Psychologe lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: „Wissen Sie, das mit der Couch ist ein amerikanischer Mythos und um die Wahrheit zu sagen, seit der Einführung von G8, der Verkürzung der Gymnasialzeit auf 8 Jahre, geht es auch bei uns Psychologen auch drunter und drüber. Ich komme vor lauter Terminen kaum noch aus meiner Praxis raus. Neue Klienten kann ich gar nicht mehr annehmen.“

      Ich freue mich mal mit einem Fachmann reden zu dürfen und beschließe meinem Unmut über Ärzte und Psychologen hier ein Forum zu geben. „Wissen Sie, Herr Schneider, das ist die moderne Leistungsgesellschaft. Die Schule hat sich durch G8 stark verändert. Für alle die drinnen sitzen, weht ein rauer Wind. Aber für Ärzte, Psychologen und die Pharmaindustrie ist unser Schulsystem doch ein Gewinn!“ „Wie bitte?“, der kleine Mann schüttelt ungläubig den Kopf über meine tolldreiste Argumentationskette. „Na ihr Ärzte und Psychologen mischt da doch auch fleißig mit. Manchmal denke ich, dass G8 von der Pharmaindustrie gesponsert sein muss.“ Ich stehe auf und laufe dozierend durch den kleinen Raum. Wenn ich laufe, kann ich besser nachdenken. Lehrergewohnheit. „Ich erzähle ihnen jetzt mal, wie eine Schulwoche für einen Zehntklässer aussieht: Montags Matheprobe, dienstags Lateinabfrage, mittwochs Reli-Ex und donnerstags noch ein kleines Englischschulaufgäbchen. Manchen macht das gar nicht aus, aber viele überleben so eine Woche nur mit der Hilfe von kleinen Pillchen. Sie glauben gar nicht was die alles einnehmen. Die Putzfrau erzählt mir jede Woche, wie viele und welche leere Pillenschachteln sie wieder aus dem Abfalleimer geborgen hat. Das ist kriminell. Ich sage nur Drogenhandel. Kopfschmerztabletten, Tranquilizer, Aufputschmittel. Alles da. Deshalb steht für mich fest. G8 ist für die Pharmaindustrie ein Gewinn. Und wer verschreibt den ganzen Unsinn? Die Handlanger der Pharmaindustrie. Und wenn sie alle mal auf Drogen gehoben sind, dann werden Sie diesen ein Leben lang treu bleiben. Das hört nicht mit der Schule auf!“ Ich schnappe nach Luft und mache eine entrüstete Pause. Der Psychologe zeigt auf. Aber ich bin noch nicht fertig! Und nehme ihn einfach nicht dran. Wenn der Lehrer spricht, nennt man das Unterricht. „Und da soll man noch anständigen Unterricht halten! Vor lauter Hetzen von einem Thema zum Nächsten, wird einem doch einfach nur schlecht. Das Ende vom Lied ist, jeder ist mies drauf, überall wird mit ausgefahrenen Ellenbogen gearbeitet, sogar die Lehrer giften sich gegenseitig an. Und in der Oberstufe, da kommt noch der Druck dazu, den wir Lehrer von oben und von Seiten der Eltern abkriegen. Da liegen die Nerven richtig blank!“ Jetzt bin ich richtig grätzig und haue um meinen Diskurs zu unterstreichen mit der Faust auf den Tisch. Aua, das war zu fest, stelle ich fest und reibe mir die Hand.

      Der Psychologe guckt irritiert. Wahrscheinlich verschreibt er selbst gerne Ritalin. Damit jeder seine Ruhe hat. „Das Internet ist übrigens voll mit Abhandlungen über die Nebenwirkungen dieses Medikaments,“ runde ich meinen Diskurs ab.

      „Jetzt kommen wir aber bitte zum eigentlichen Thema, Frau Ansorge“, lenkt der Psychologe ab. „Was können sie mir über Herrn Blum erzählen?“ Ich runzle die Stirn. Schade, ich hätte jetzt gerne weiter mit ihm diskutiert.

      „Alles was sie mir jetzt erzählen, wird selbstverständlich vertraulich behandelt. Ich muss mir ein genaues Bild machen können, um herauszufinden, wie es zu einem Selbstmord an ihrer Schule kommen konnte. Ob eventuell ein Fremdverschulden

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