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Meer gewendet

       und bemerkte den Nachen, der ohne Segel und

       Mast herantrieb. Als das Boot an Land kam, begab

       sich die Menge zum Strande und der Profoß begrüßte

       die Fremde: »Jungfrau, der wahrhaftige Gott gebe

       Euch Glück und Freude!« »Herr,« entgegnete sie,

       »der, den Ihr anrieft, möge Euch erhören!« »Jungfrau,

       berichtet uns, wo Eure Heimat und wie Euer Name

       ist!« »Herr, ich bin eine Unglückliche, die hier ans

       Ufer trieb. Wenn es Euch gefällt, so rettet mich; mehr

       kann ich Euch nicht sagen.« »Wenn Euch jemand Unrecht

       tat, Schöne, so seid Ihr hier in guter Hut. Ich

       will Euch zu meinem Herrn führen, der König in diesem

       Lande ist, er ist jung und schön. Bei seiner Mutter

       wird es Euch wohlergehen und an nichts fehlen.«

       Der Profoß nahm die Jungfrau mit sich heim und

       führte sie am anderen Tage nach Dondieu, wo der

       König mit seiner Mutter weilte. Dieser saß gerade mit

       zweiunddreißig seiner Barone bei der Tafel, als der

       Profoß, die Jungfrau an der Hand haltend, eintrat.

       »Herr,« sagte er, »eine schöne Beute bringe ich Euch

       hier. Nehmt sie, die ein Schiff hertrieb, in Gnaden

       auf!« Der König wandte sich liebevoll an die Fremde

       und fragte sie nach ihrer Herkunft und ihrem Schicksal,

       sie aber sagte, sie wolle lieber sterben, als ihr Unglück

       erzählen. Da der König ihre Tränen sah, drang

       er nicht weiter in sie, sondern führte sie seiner Mutter

       zu. So blieb sie am Hofe und wurde bald ihrer Güte

       und Schönheit wegen allgemein beliebt; da man aber

       ihren Namen nicht wußte, nannte man sie die Manekine,

       das heißt Einhand. Je länger sie am Hofe verweilte,

       in desto höherem Maße kehrte ihre frühere Schönheit

       wieder, und je schöner sie wurde, desto mehr

       fühlte sich der junge König zu ihr hingezogen, bis die

       Bande der Liebe, die ihn fesselten, so stark wurden,

       daß er sie nicht mehr zerreißen konnte. Auch ihr Herz

       war von Liebe erfüllt, aber keiner von beiden kannte

       die Gefühle des anderen.

       So verging ihnen ein ganzes Jahr unter schlaflosen

       Nächten, aber der Königinmutter, welche das schlechteste

       und listenreichste Weib von der Welt war, entging

       es nicht, daß ihre Herzen Liebe zueinander trugen

       und sie sprach zornig zu Manekine: »Es scheint

       mir, daß mein Sohn dich von Herzen liebt. Ich verbiete

       dir, wenn dir dein Leben lieb ist, ihm in Zukunft

       Gesellschaft zu leisten. Ich werde dich töten lassen,

       wenn er sich noch einmal mit dir sehen läßt.« Als am

       dritten Tage der König wieder in ihr Zimmer trat, zitterte

       die Jungfrau vor Furcht und weinte. Der König

       merkte wohl, daß sie in Kummer war und er fragte sie

       nach der Ursache ihres Grams. Da erzählte sie ihm

       das Verbot der bösen Alten. »Freundin,« erwiderte er,

       »beruhigt Euch! Ich will Euch vor ihr schützen und

       will Euch nicht länger verheimlichen, was ich bisher

       verborgen hielt. So wißt denn, mein süßes Lieb, daß

       Ihr mein Herz und mein Leben seid, all mein Gut,

       meine Gesundheit und meine Freude, daß ich heute

       und immerdar Euch gehöre.« Die Jungfrau verbarg

       ihre Freude über diese Worte und antwortete züchtig

       und bescheiden, sie sei zwar zu niedrig für seine

       Liebe, doch wage sie nicht, eine so große Ehre auszuschlagen.

       Darauf küßte sie der König wohl zwanzigmal

       auf den Mund, dann führte er sie in sein Schloß

       und ließ den Kaplan rufen; dieser aber legte ihre

       Hände ineinander und vermählte sie. Als die Mutter

       dies erfuhr, sprach sie: »Verflucht sei er, wenn er sie

       genommen hat, und jeder, der ihn noch als König achtet.

       Gar zu niedrig hat er gehandelt, daß er eine Landstreicherin,

       eine Hergelaufene geheiratet hat, eine

       Frau mit nur einer Hand!« Vierzehn Tage darauf

       wurde Pfingsten gefeiert, und an diesem Tage wollte

       der König seine junge Gemahlin krönen lassen. Zu

       dieser Feier berief er alle seine Vasallen aus Schottland,

       Cornwall und Irland und die Nachricht von seiner

       Vermählung verbreitete sich pfeilgeschwind im

       ganzen Lande. Als die Nachtigallen sangen und die

       Wiesen blühten, da füllten die Ritter, die Grafen und

       Barone mit ihren Damen die Zelte, und drei Tage lang

       wurde die Hochzeit gefeiert. Die Mutter des Königs

       aber reiste am nächsten Tage voll Grimm auf ihr

       Landgut, denn sie glühte vor Neid und Haß gegen die

       junge Königin.

       Fünf Monate mochten seitdem vergangen sein, da

       sprach der König eines Tages zu seiner Gemahlin:

       »Ich bitte Euch, liebe Freundin, daß Ihr mir um meiner

       Ehre willen eine Reise gewährt: in Frankreich findet

       ein großes Turnier statt, dem ich beiwohnen

       muß.« »Diese Reise erschreckt mich,« erwiderte die

       Manekine, »denn ich bin allein in diesem Lande und

       Eure Mutter haßt mich.« »Ich werde Euch in solcher

       Hut lassen, daß Ihr weder meine Mutter noch sonst jemanden

       zu scheuen braucht.« Der König hatte einen

       Seneschall, der sein treuester Ratgeber war, diesen

       berief er nebst zwei anderen Rittern zu sich und

       sprach: »Ihr Herren, ich gehe auf kurze Zeit in ein anderes

       Land, um Ehre und Ruhm zu erwerben. Ihr werdet

       bei der Königin bleiben und sie mit eurem Leben

       schützen. Vor allem werdet ihr sie vor meiner Mutter

       behüten, damit diese ihr kein Leids antut.« Darauf

       nahm er Abschied von seiner Gattin und trat mit großem

       Gefolge die Fahrt an.

       Die Königin, welche ihn bis zum Meere begleitet

       hatte, kehrte in Gesellschaft ihrer drei Hüter zurück.

       Es gab nichts mehr auf der Welt, was sie erfreuen

       konnte, seit sie den Anblick ihres Gemahls

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