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Blutschwertzeit. Manfred Lafrentz
Читать онлайн.Название Blutschwertzeit
Год выпуска 0
isbn 9783738013153
Автор произведения Manfred Lafrentz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Dunkles Blut.
Dunkle Vorahnungen.
5
Einige Tage später tauchte der Vogt wieder im Dorf auf. Die Leute wunderten sich, denn es gab keine Männer mehr, die er mitnehmen konnte. Sie fragten sich, was er ihnen nehmen wollte. Die Abgaben für den Krieg waren hoch gewesen. Wenn er noch mehr nahm, würden die Leute verhungern.
Die Frauen, Greise und Kinder versammelten sich unter der Eiche, Folke mitten unter ihnen. In den letzten Tagen war er für sich geblieben, hatte mit niemandem geredet und sich vor der Arbeit gedrückt. Egli war wütend gewesen und hatte ihm Vorwürfe gemacht, aber er hatte sich nicht rechtfertigen wollen, war einfach weggelaufen.
Der Schmiede war er fern geblieben. Er wollte Brokk nicht sehen, und der Schmied hatte auch nicht nach ihm gesucht.
Eine unbestimmte Scham bedrückte ihn, und er wusste nicht genau, weshalb. Es kam ihm vor, als hätte er etwas Unrechtes getan, etwas Verwerfliches, und die ganze Zeit fürchtete er, jemand könnte davon erfahren.
Die Wunden an seinem Arm heilten nur langsam und schmerzten immer noch. Er hatte ein Tuch um sie gewickelt und passte auf, dass niemand sie sah. Sogar seiner Mutter ging er aus dem Weg. Sie war eine große starke Frau, eine Frau, die zu einem Felsen passte, aber sie war nicht so hart wie Farli. In ihren grauen Augen hatte Folke immer lesen können. Wenn sie böse auf ihn war, konnte er sehen, dass sie sich verstellen musste, dass dahinter schon wieder die Verzeihung wartete und darum bettelte, hervorkommen zu dürfen. Diese Augen waren für Folke mehr als alles andere sein Zuhause. Was auch geschah, er war immer sicher gewesen, dorthin zurückkehren zu können. Doch nun wich er ihren Augen aus und wusste nicht, warum. Unruhe. Fragen. Verwunderung. Er konnte es in ihnen lesen, aber er konnte nichts sagen. Es war das erste Mal, dass er die Augen seiner Mutter floh, und es machte ihm mehr Angst als alles andere. Etwas war verloren gegangen.
Wenn er schweigend am Tisch saß und sein Brot aß, sah sie ihn besorgt an, den breiten Mund, der immer fast wie ein Lächeln wirkte, zusammengekniffen. Vielleicht spürte sie es auch.
Jetzt, mitten unter den Dorfleuten, fühlte er, dass etwas bevorstand. Etwas Unerhörtes. Er erinnerte sich vage an den Traum in der Schmiede. In diesem Traum hatte sich sein Leben verändert, und er hatte darüber gelacht vor Freude. Aber jetzt fürchtete er sich davor. Zwei schmerzende Stellen schnitten durch diesen Traum wie Schlangenzähne, und ihr Gift brodelte in seinem Blut.
Trotz allem brachte er seine dunklen Vorahnungen nicht mit dem Vogt in Verbindung, der auf dem Stein neben der Eiche stand und auf die Leute herabblickte. Die Augen hatte er wie immer halb geschlossen, als wollte er ihnen den Anblick des gemeinen Volks nicht zumuten. Er stand fast an derselben Stelle, an der Folke im Mondlicht gestanden und sich an Zauberei erinnert hatte.
„Das Heer des Fürsten braucht jeden Mann”, sagte der Vogt bedeutungsvoll. „Der Kampf gegen die Aelfen ist nicht irgendein Krieg. Wir oder sie. Wenn wir leben wollen, müssen wir gewinnen.”
Die Mütter stellten sich schützend vor ihre Söhne.
„Ihr habt uns alle Männer genommen!”, rief Lif, Eglis Mutter. „Wollt ihr jetzt noch die Kinder in den Krieg schicken?”
Die Frauen schüttelten die Fäuste und riefen Drohungen. Ihre Gesichter waren hart, ihre Augen rebellisch. Einen Augenblick lang war Folke sicher, dass niemand ihnen etwas wegnehmen konnte.
„Wir brauchen keine Kinder”, sagte der Vogt verächtlich, als wieder Ruhe eingetreten war. „Hier im Dorf gibt es einen Blutschwertmann. Er soll vortreten!”
Die Dorfleute sahen sich verwirrt an.
„Ihr müsst Euch irren”, sagte Lif. „Ihr meint sicher ein anderes Dorf.”
Brokk trat neben den Vogt, streckte den Arm aus und zeigte auf Folke. Alle sahen ihn an. Er las Unglauben in ihren Augen und Entsetzen in denen seiner Mutter. Verstört schüttelte sie den Kopf.
„Tritt vor, Blutschwertmann!”, rief der Vogt.
Folke zögerte. Seine Beine fühlten sich so schwer an wie das Eisen der Sümpfe. Mühsam tat er einen Schritt nach vorn, während er an nichts anderes denken konnte als an dieses Wort.
Blutschwertmann.
Es klang hart. Nach Krieg und Tod. Er konnte nicht gemeint sein. Es war ein Irrtum. Er hatte nur fünfzehn Sommer gesehen. Einen zu wenig.
Aber in seinen Gedanken war ein Zaubergesang und ein gewaltiges Zischen. Eine Schlange aus Dampf und Stahl.
Und an seinem Arm waren zwei Wunden.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter und riss ihn zurück.
„Was tust du?”, schrie seine Mutter ihn an. Dann wandte sie sich an den Vogt. „Er ist zu jung. Ihr könnt ihn nicht mitnehmen! Er ist kein Blutschwertmann! Wer hat Euch diesen Unsinn erzählt?”
Die Leute murmelten beifällig. Folke fing einen Blick vom alten Atli auf, einen Blick voller Grauen, der bedeutsamer war als der Zorn seiner Mutter. Sie verstand nicht, aber Atli verstand es. Folke konnte es in seinem Blick lesen. Es gab kein Zurück. Er war ein Mann geworden in der Schmiede. Ein Blutschwertmann. Er wusste nicht, was es bedeutete, aber es schien etwas Schlechtes zu sein.
Unheil. Sie pflanzen das Unheil in dich.
Er wandte sich ab und trat noch einen Schritt nach vorn, obwohl die Hand seiner Mutter sich in seinen Hemdrücken krallte und wütend daran zog.
Der Vogt tuschelte mit Brokk, dann winkte er Folke zu sich, der vortrat und seine Mutter dabei hinter sich her zerrte.
„Dieser hier ist ein Blutschwertmann”, sagte der Vogt. „Wir werden es beweisen.”
Brokk überreichte ihm ein Schwert, das er hinter seinem breiten Rücken hervorholte. Es sah neu und glänzend aus. Sonnenlicht tanzte über die Schneide, und Folkes Herz klopfte schneller bei diesem Anblick. Das war sein Schwert. Das war, was er gewollt hatte. Der Vogt übergab es ihm, und sobald er es berührte, leuchtete die Klinge in einem rötlichen Schimmer kurz auf, um dann wieder zu verblassen. Alle hatten es gesehen.
„Blutschwertmann!”, rief der Vogt.
Brokk grinste triumphierend.
Folke starrte auf das Schwert in seiner Hand, spürte, dass es sein Blut war, das dort in der Klinge geleuchtet hatte. Das Schwert schien ihn zu erkennen und seine Nähe zu suchen. Der Griff, ein mit rätselhaften Zeichen verziertes Stück Stahl unter einer leicht geschwungenen Parierstange, schmiegte sich in seine Hand wie der Kopf eines Kätzchens, das gestreichelt werden wollte. Folke schauderte. Gleichzeitig aber fühlte es sich gut und richtig an.
Blutschwertmann.
Das Wort dröhnte immer noch durch seinen Kopf wie eine schwere Glocke, die, einmal in Gang gesetzt, lange nicht mehr aufhören würde zu schlagen. Mühsam wandte er den Blick von dem Schwert ab und schaute in die Augen der Leute rundum. Egli und die anderen Jungen wirkten schockiert. Die Augen seiner Mutter waren so fremd, dass er es nicht ertragen konnte.
„Verfluchte Zauberer!”, rief der alte Atli und spuckte aus.
Folke warf das Schwert von sich, obwohl ihm das seltsam schwer fiel, und rannte los, stieß Leute zur Seite, den Blick zu Boden gesenkt, und lief zwischen den Häusern aus dem Dorf heraus. Er wollte nicht noch mehr von diesen Blicken sehen, keine Augen, die wie Mauern waren, die ihn ausschlossen. Über Wiesen lief er und zwischen weidenden Rindern hindurch, die mit unwilligen Gebrüll schwerfällig auseinanderstoben, bis er einen Bach erreichte, an dessen Ufer er sich niederwarf, um sein Gesicht zu kühlen und mit dem Wasser des Bachs das Wasser der Augen abzuwaschen, das heiß auf seiner Haut brannte. Dann legte er sich auf den Rücken und starrte zum unbewölkten Himmel hinauf. Er fühlte sich wie eins der Grasbüschel, die von dem schweren Wagen der Schmiede überrollt und zerdrückt