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Die vom Tod verschmähte Katze. Matthias M. Rauh
Читать онлайн.Название Die vom Tod verschmähte Katze
Год выпуска 0
isbn 9783738091663
Автор произведения Matthias M. Rauh
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Was is´n das da hinten?", brüllte er bei voller Fahrt aus dem Seitenfenster, während er mit der linken Hand am Außenspiegel drehte.
"Mann, du Spinner! Ich will runter!", rief Valentin.
"Ach so, du bist das noch", sagte Joe verwundert und trat dabei so derart vehement auf die Bremse, dass sein Fahrgast samt dem Dosenarsenal gegen die Heckscheibe geschleudert wurde. Der Pick-Up geriet dabei in eine gefährliche Schräglage, stabilisierte sich nach einem fürchterlichen Schlag und kam schließlich zum Stillstand. Mitten im Wald.
"Ja, ich...", stöhnte sein Passagier und stieß sich den schmierigen Benzinkanister vom Leib.
"Hab ganz vergessen, dass du ja mitgefahren bist. Na ja, dann tschau. Und bring das nächste Mal was zum Saufen mit."
"Ja, ich...uaaah! Hilfe!"
Natürlich ließ ihm Joe auch nicht viel Zeit, von der Ladefläche zu springen. Er trat einfach voll aufs Gaspedal, wobei Valentin den blauen Atem des bulligen V8 direkt ins Gesicht geblasen bekam. Samt dem Dreck, den die Reifen aus dem Waldboden frästen. Nur mit allerletzter Not gelang es ihm, seine Kiste von der Ladefläche zu ziehen. Das kratzende Anzugoberteil hingegen war für immer verloren, verdammt, zur Hölle zu fahren - zusammen mit dem Traktorreifen und dem verblüfften Wo-ist-mein-Bikini?-Mädchen.
"Mann! Was soll ich hier?", schimpfte er, da er jetzt noch weiter von seinem Dorf entfernt war. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, außerdem hatte er noch immer diese verfluchte Kiste am Hals. Und weil das noch nicht reichte, meldete sich gerade noch ein Problem zu Wort...
Schepper!
Keine zwei Meter von ihm entfernt torkelte Joes verkommene Katze aus der Böschung. Sie war wohl bei der Bremsaktion vom Bock geschleudert worden. Und es war mehr als passend, dass sie bei ihrem Flug von einer Bierdose begleitet worden war.
Valentin war dieses Tier bestens bekannt: Es war Kuntz, der Kater. Mit der Pfote schob er die leere Dose vor sich her, dann packte er sie, drehte sich auf den Rücken und versuchte, dem zerknautschten Ding auch noch die allerletzten Tropfen Gerstensaft zu entlocken.
Kuntz war einfach das Letzte. Dieser völlig verlebte Kater, der nur noch ein Auge besaß und aussah, als pflege er Bahnübergänge grundsätzlich nur bei geschlossener Schranke zu überqueren, war nun ganz und gar kein Tier, das einen zum Streicheln verführte. Er stank, fraß Katzenstreu, furzte dementsprechend oft und konnte grunzen wie ein Schwein - vor allem dann, wenn er betrunken war. Das mausgraue Elend tauchte immer genau dann auf, wenn man es ganz und gar nicht gebrauchen konnte, verursachte regelmäßig Ärger und hatte einen gewissen Hang zur theatralischen Selbsttötung. Kuntz kroch in Waschmaschinen und gönnte sich im Sommer auch mal ein Mittagsschläfchen auf dem beweglichen Teil des Mähdreschers. Und wenn irgendwo eine Kreissäge in Betrieb genommen wurde, konnte man sich fast sicher sein, dass Kollege Einauge mit dem Hinkebein nicht lange auf sich warten ließ.
Doch so oft Kuntz das Schicksal auch herausgefordert hatte, das mit dem Sterben ging immer daneben. Gevatter Tod verweigerte ihm einfach die Sense, aus welchem Grund auch immer.
"Hau bloß ab", zischte Valentin, packte seine Kiste und machte sich auf, den Rückweg anzutreten. Aber natürlich hörte Kuntz nicht auf ihn. Er ließ von der Dose ab, schlich ihm leise hinterher und gab ein leises Hrrrrr... von sich. Wahrscheinlich hatte er vorhin das Wort Sechserpack mehr als deutlich verstanden.
"Hast du nicht gehört? Du sollst verschwinden. Ich hab nix für dich", wiederholte Valentin.
Doch die Katze kümmerte sich nicht darum. Warum auch? Kuntz tat schließlich nie das, was man von ihm verlangte.
Es wäre keine kluge Entscheidung gewesen, den Weg zurück über die Landstraße zu nehmen, da der Fußmarsch durch den Wald wesentlich kürzer war. Wenn Valentin richtig lag, musste er nach etwa einem Kilometer am ewig verträumten Waldsee vorbeikommen. Von dort aus sollte es dann nicht mehr allzu weit sein. Aber beschwerlich würde der Weg in jedem Fall werden, denn schon auf den ersten Metern begann die Kiste, seine Hände mit eiskalten Nadelstichen zu malträtieren.
Joe Krieger ist ein verdammter Idiot, redete er sich in Gedanken die Wut von der Seele. Und Valentin Kraus ist ebenfalls ein Idiot, denn er war so dumm, zu dem anderen Idioten ins Auto zu steigen. Was bin ich nur für ein Trottel...
Kapitel 8 - Das Bootshaus
Als er den Waldsee schließlich erreichte, hatte Valentin endgültig genug. Keinen Meter wollte er mehr mit dieser verfluchten Kiste gehen. Achtlos warf er sie auf den Boden und hielt seine geschundenen Hände ins Sonnenlicht. Bei 30 Grad an den Händen zu frieren, das konnte auch nur ihm passieren. Kuntz hingegen schien die Beute zu gefallen. Er beschnupperte sie und leckte sich gierig übers Maul. Er war offenbar der festen Überzeugung, man hätte darin ein kühles Bier für ihn versteckt.
"Hau endlich ab", keuchte Valentin. "Ich versenke das blöde Ding jetzt sowieso gleich im See."
Erschöpft ließ er sich auf den Boden fallen und blickte in den strahlend blauen Himmel. Endlich Ruhe, dachte er. Dann schloss er die Augen, atmete tief ein und wieder aus. Und als er seine Augen wieder öffnete, blickte er auf rauschende Büsche und Sträucher - und die vergammelte Fassade eines alten Bretterverschlags.
Von Menschen vergessen, von Büschen gefressen ist ein Spruch, der sich immer dann anbietet, wenn sich menschliches Werk mit dem Wurzelwerk misst. Die Pflanze gewinnt immer, weil sie den entscheidenden Vorteil auf ihrer Seite hat: Die Zeit.
Das alte Bootshaus konnte jedenfalls ein Lied davon singen. Das Ding war eine Art Synonym für das Siechtum geworden. Wobei der Begriff Bootshaus schon jeder Beschreibung spottete. Valentin kannte diese Bruchbude. Sie bot gerade einmal Platz für ein Paddelboot. Ihr Anlegesteg war schon vor Urzeiten ins Wasser gestürzt und verfault. Da sich die Ausmaße des Sees in Grenzen hielten, war sie irgendwann einfach in Vergessenheit geraten und nach und nach vom Buschwerk verschluckt worden.
Nun konnte die Hütte jedoch die Lösung für sein Kisten-Problem bedeuten. Bei ihrem Anblick überkam Valentin nämlich urplötzlich der Gedanke an Werkzeug...
Eine wahre Wand aus verstaubten Spinnweben segelte auf ihn herab, als er die Tür öffnete. Kochend heißer Teergestank verschlug ihm sogleich den Atem, das Bootshaus war ein Backofen.
Kuntz hatte die eisige Kiste derweil wie seinen Augapfel behütet. Er leckte genüsslich über das Schloss und gab ein verzücktes Hrrrrrr! von sich. Er schien sich noch immer auf das kühle Bier zu freuen, welches seiner Meinung nach darin versteckt sein musste.
Als sich der erste Hitzeschwall verabschiedet hatte, stellte Valentin seine Beute auf den verwitterten Holzbock, der wohl einst als Ablage für das Paddelboot gedacht war. Dann suchte er nach Werkzeug. Einen Hammer gab es hier zwar nicht, dafür aber einen stabilen Meißel und zwei von Mäusen zerfressene Arbeitshandschuhe, die er neben einem leeren, aber schmierigen Ölfass fand. Er schnappte sich einen faustgroßen Stein und zwängte seine Hände in die Handschuhe. Dann setzte er den Meißel an der schwächsten Stelle des Eisenschlosses an.
Dummerweise erwies es sich als beste mittelalterliche Wertarbeit. Und so brauchte er eine halbe Ewigkeit, um der verflixten Kiste endlich beizukommen. Das Schloss brach aus seiner Befestigung, worauf Kuntz sich gierig übers Maul leckte. Der Zeitpunkt, das Geheimnis der Kiste zu lüften, war nun endlich gekommen. Valentin schloss die Augen, dachte an Gold, glitzernde Edelsteine und grenzenlosen Reichtum. Doch als er den Deckel schließlich in die Höhe hob...
...wurde er bitter enttäuscht.
In der Kiste befand sich nichts. Nichts außer Staub und Dreck - ein totales Desaster.
"Was ist das denn für ein Mist?", schimpfte er fassungslos und feuerte wutentbrannt die Handschuhe in die Ecke. Kuntz begann zu zittern und wandte