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Die vom Tod verschmähte Katze. Matthias M. Rauh
Читать онлайн.Название Die vom Tod verschmähte Katze
Год выпуска 0
isbn 9783738091663
Автор произведения Matthias M. Rauh
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die kleine Rabenkrähe ließ sich auf einem Holzzaun nieder und lockerte ihr Gefieder. Sie hatte den Dieb entdeckt. Krächz!
Kapitel 7 - Kuntz, der Kater
"Verflucht!", schimpfte der Landstreicher und donnerte seinen Gehstock auf den Boden. Seine Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Die Tür der Kammer war geöffnet worden. Mit zornerfüllten Augen musste er nun verfolgen, wie sich Herrn Zacharias´ einst so göttlicher Schatz nach und nach seiner Ziffern und Zeiger entledigte. Geblieben war nur noch ein unförmiger Eisklotz, der nicht mehr tickte, sondern tropfte. Es war vorbei.
Das Gold in der Pfütze schien den Mann aber nicht zu interessieren. Er wandte sich von der Kammer ab und stapfte zurück in den Laden, wo ihn ein kleiner Schepperwecker mit Hohn und Spott überzog. Krrrrrrx...krrrrrrx...krrrrrrx...
Wutentbrannt griff er sich das frevelhafte Stück und drehte ihm den nicht vorhandenen Hals um. Dann war es still.
Eine Porzellantasse hatte das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu stehen. Der Landstreicher riss sie aus ihrer gewissenhaft polierten Umgebung und warf sie quer durch den Raum. Direkt über der Registrierkasse zerplatzte die Antiquität, wobei einige Scherben sogar bis zur Eingangstür flogen.
"Ich habe dich gewarnt, Lester Zacharias", zischte er ins Rund des stillstehenden Uhrenarsenals. "Nun ist es geschehen. Bist du nun zufrieden?"
Natürlich blieb die Frage unbeantwortet.
"BIST DU NUN ZUFRIEDEN?!", brüllte er, packte dabei das ganze Tablett mit dem übrigen Porzellanservice und schmetterte es mit ungeheurer Wucht gegen ein Bücherregal.
Schepper! Krach!
Als das Tablett zu Boden stürzte und noch eine Weile kreiselte, fiel sein Blick auf einen vom Regal herabgefallenen Staubwedel. Der Landstreicher hob ihn auf und begann leise zu knurren.
"Hrrrmm. So ist das also..."
Dann nahm er seinen Gehstock und stapfte wutentbrannt davon.
Der vermeintliche Dieb kam währenddessen nur sehr schleppend voran - und er musste leiden. Als Valentin bereits daran dachte, die verfluchte Kiste einfach ins nächstbeste Getreidefeld zu befördern, wurde das ewige Konzert der Heuschrecken vom tiefen Bollern eines V8-Motors durchbrochen. Und schon tauchte da ein mächtiger Ford Pick-Up-Truck neben ihm auf.
Am Steuer des über und über mit Dreck besudelten Gefährts saß jemand, der Valentin bestens bekannt war. Es war Joe Krieger, ein Junge von einem benachbarten Bauernhof. Er fuhr mit offenen Seitenfenstern, und das Radio spielte wie immer Musik von Alice Cooper.
"Eh, Kraus!", brüllte er gegen den Krach der E-Gitarren an. "Was schleppst du´n da unter der Jacke? Sind das zwei Sechserpack Bier?"
"Bier?", stammelte er völlig überrascht. "Äh, nein. Das ist nur...ähm..."
"Shit", sagte Joe. "Hat grad so ausgesehen."
Joe, der eigentlich Hans-Joachim hieß (was aber niemand sagen durfte, weil sowohl Hans als auch Joachim dann in der Regel gewalttätig wurden), trug eine zerrupfte Schirmmütze mit US-Südstaaten-Flagge, unter der sich ein wahrer Wust rotblonder Haare breitmachte. Was recht gut zu seinem übrigen Erscheinungsbild passte: Verdrecktes T-Shirt, Zigarette im Mund und weitere unkontrollierte Haarwucherungen im Gesicht.
Er hatte schon wieder den Pick-Up seines Vaters gestohlen, ein durchaus beängstigender Vorgang angesichts der Tatsache, dass er erst 16 Jahre alt war und nicht die Spur von einem Führerschein besaß. Das geschundene Fahrzeug konnte jedenfalls ein Lied davon singen. Am rechten Kotflügel prangte eine riesige Beule, und die deftig deformierte Stoßstange hatte sich bereits einseitig von der Karosserie gelöst. Dass sie mit einem wirren Knäuel Tesafilm fixiert worden war, an welchem nun jede Menge tote Fliegen klebten, passte ebenfalls ins Bild.
Joe war nunmal, um es vorsichtig zu umschreiben, gedanklich eher einfach gestrickt.
"Hat ausgeseh´n wie zwei Sixpacks", meinte er. "Das wär jetzt was gewesen. Willst du mitfahr´n?"
Valentin konnte kaum glauben, was er da hörte, schließlich stand sein Gegenüber ja nicht gerade in dem Ruf, hilfsbereit zu sein. Er fragte sich allerdings, ob er sich auf ein derartiges Abenteuer einlassen sollte. Aber da zwei Kilometer zu Fuß auch kein Vergnügen waren, willigte er ein. Und er sollte sogleich Gelegenheit bekommen, diese Entscheidung nochmals gründlich zu überdenken.
Als er nämlich die Beifahrertür öffnete, blickte er auf Zigarettenkippen, jede Menge Bierdosen und eine leere Whisky-Flasche, die gerade über das nackte Bodenblech rollte.
"Ähm...fehlt da nicht was?", bemerkte er kleinlaut.
"Häää, was soll´n fehlen?"
"Na ja, ähm...so ein Sitz."
"Ach so", erkannte nun auch Joe die Problematik und begann, sich nachdenklich am Kinn zu kratzen. "Ja, verstehe. Ohne Sitz kannste nich sitzen. Dann spring doch einfach hinten rauf. Da liegt auch, glaub ich, noch irgendwo´n Sitz."
"Hinten? Aber ist das nicht verboten?"
"Häää?"
Der Junge sah ihn entgeistert an, als hätte er das Wort verboten gerade zum allerersten Mal in seinem Leben gehört. Seine Antwort auf Valentins Bedenken fiel dann auch recht hemdsärmelig aus: "Ach was, das taugt schon. Und wenn die Bullen kommen, ducken wir uns einfach."
Es lag tatsächlich ein Autositz auf der Ladefläche, samt einem schlammbesudelten Traktorreifen, einem Benzinkanister und jeder Menge Erde. Dazu fand Valentin einen ölverschmierten Querlenker, einen Zeitungsfetzen mit einem sehr verblüfften Bikini-Mädchen (huch, welcher Bikini denn..?) und jede Menge Bierdosen.
Er suchte sich eine halbwegs saubere Stelle, stellte die frostige Kiste ab und hielt sich an der verbeulten Seitenflanke fest. Dann setzte sich das Höllengefährt mit einem brachialen Tritt auf das Gaspedal in Bewegung. Mann, bist du blöd, Tollpatsch...
Die zwei Kilometer bewältigte der Bleifußjunge fast im Flug, obwohl sein Gast die Sekunden doch sehr intensiv erlebte. Herr Zacharias hatte Recht gehabt. Die Zeit war eben doch ein unergründliches Mysterium. An einer Kurve mit einem Baum schien sie für einen Augenblick gar stillzustehen, und dann war da noch der Moped-Fahrer, dem der Bruchteil einer Sekunde sogar das Leben rettete.
"Boah, war das knapp!", rief Valentin und hielt sich mit dem Fuß den Benzinkanister vom Hals. Gegen die Übermacht der Bierdosen aber konnte er nicht viel ausrichten. Sie kullerten überall herum - wie die Spielkugeln auf einem Billardtisch.
Da fing hinter ihm plötzlich irgendetwas laut zu keuchen und zu würgen an. Schmatzlaute folgten. Er drehte sich um. Und schon tauchten da ein zerrupftes Ohr und ein trübes Auge in der Mitte des felgenlosen Traktorreifens auf. Das Ohr wackelte, während das Auge langsam größer wurde und ihn fragend anglotzte.
Ich fasse es nicht. Er fährt tatsächlich seine Katze in seiner verwanzten Karre spazieren, dachte er sich und wandte seinen Blick sofort wieder ab, da das Auge plötzlich kugelrund geworden war.
Irgendwann flog endlich das Ortsschild seines Heimatdorfs vorbei, was Joe allerdings nicht weiter zu stören schien. Zu Valentins Entsetzen fuhr er nämlich einfach weiter und bretterte mit Vollgas durch das gesamte Dorf hindurch.
"Halt! Stopp!", brüllte sein hilfloser Passagier, was allerdings nichts nützte, da Joe die Musik schon wieder viel zu laut aufgedreht hatte. Mit kreischenden Reifen donnerte er über eine Landstraße und pflügte irgendwann