Скачать книгу

Täglich wurde es wärmer. Des Öfteren wurde ich auf die Brücke zum Lernen geholt. Die HARVEY S. MUDD verfügte schon damals über eine Selbststeuerungsanlage und einen gekoppelten Kursschreiber. Ich musste lernen, mit dem Handruder das Schiff zu steuern.

      Zunächst legte ich das Ruder zu hektisch herum, und das Schilf machte die entsprechenden Kursänderungen. Einmal stand ich nachmittags am Ruder. Der Kapitän legte sich zu dieser Zeit immer an das Peildeck zum Sonnen. Einmal spürte der Kapitän durch meine Kursänderungen von manchmal 30 Grad den ständig wechselnden Sonnenstand. Er kam ins Ruderhaus und fragte mich, ob ich vorhabe, das Schiff wieder zurückzusteuern. Dann solle ich ihn gefälligst vorher fragen.

      Im Hafen von Sun Juan in Peru herrschte „Ostfriesentreffen". Die Reederei Fritzen hatte acht der großen Massengutfrachter für die amerikanische „Bethlehem Steel Corporation" in Charter. Diese Frachter waren überwiegend mit ostfriesischen Seeleuten besetzt. Als wir einliefen, lagen drei Schiffe der Reederei gleichzeitig im Hafen: die HARVEY S. MUDD, die „ALLEN D. CHRISTENSEN“ und die „SAN JUAN MERCHANT". Ungefähr 80 bis 90 ostfriesische Seeleute gingen gleichzeitig an Land. In „Nellys Schuppen", einer Bar, die die Peruanerin Nelly führte, herrschte Hochbetrieb. Nach kurzer Zeit war der Teufel los...

      Am 1. Mai 1959 wurde ich vom Moses, zum Jungmann umgemustert. Das bedeutete: endlich keinen Dienst mehr in der Mannschaftsmesse. Ich wurde zur Seewache von zwölf bis vier Uhr eingeteilt. Zusammen mit dem 2. Offizier und dem 1. Matrosen stand ich auf der Brücke.

      Von morgens acht bis 11:30 Uhr musste ich an Deck arbeiten. Manche Ohrfeige fing ich mir in dieser Zeit ein, weil ich mich wieder dämlich angestellt hatte. Wichtig war nur, dass ich keinen Messedienst mehr machen musste. In den folgenden neun Monaten an Bord fuhren wir die West- und Ostküste Amerikas an.

      Als wir am 2. Weihnachtstag 1959 in Emden einliefen, war dies der Höhepunkt, denn zu jener Zeit hatte noch kein größeres Schiff nach dem Zweiten Weltkrieg den Emder Hafen angesteuert. Als meine Eltern und Bekannten zu Besuch an Bord kamen, erfüllte mich ein großer Stolz, auf diesem Schiff gefahren zu sein. Am 6. Juni 1959 musterte ich als Jungmann ab.

      Am 20. Juli 1959 musterte ich in Bremen als Jungmann auf der „ERIKA FRITZEN" an. Dieses 1920 gebaute Dampfschiff von 10.000 Bruttoregistertonnen war das krasse Gegenteil der HARVEY S. MUDD. Das Kojenzeug musste von zu Hause mitgebracht werden. In der Messe waren Schränke mit verschließbaren Essenfächern angebracht, wo die zugeteilten Essensrationen eingeschlossen wurden. Die Verpflegung war teilweise sehr schlecht. Wir waren ständig hungrig. Auf anderen Schiffen ging es ähnlich zu. Das fühlte so weit, dass ein Schiff in den Emder Hafen einlief, das außenbords in großen Lettern die Aufschrift trug: „Wir haben Hunger!" Und in der Zeitung war zur selben Zeit folgende Anzeige zu lesen: „Kartoffeln billig abzugeben. Geeignet als Futterkartoffel oder als Proviant für Schiffsbesatzungen."

      Jetzt schaltete sich die Öffentlichkeit ein, denn das Problem des Hungers quälte in jener Zeit viele auf deutschen Schiffen fahrende Seeleute. Daraufhin verbesserte sich zusehends die Verpflegung. Soviel ich weiß, gab es nach diesem öffentlichen Eklat keinen Grund mehr zum Klagen.

      Die ERIKA FRITZEN hatte vier Luken, jeweils mit zwei Ladebäumen. Die Luken wurden mit Scherstöcken und einzelnen Holzlukendeckeln verschlossen. Jeder Deckel wog an die zwei Zentner, und es gab viele davon. Über die Luken wurden noch drei Persenninge gezogen und verschalkt.

      Das Seeklarmachen des Schiffes dauerte mehrere Stunden. Es war die reinste Knochenarbeit. Eine Selbststeueranlage wie auf der MUDD gab es nicht: Ich war zur Zwölf-vier-Uhr-Wache eingeteilt - jeweils eine Stunde als Rudergänger und eine Stunde im Ausguck. Das Schiff hatte noch eine uralte Ruderanlage. Vom Ruder auf der Brücke lief ein Gestänge an Deck, wo dann die Anlage über Deck mittels schwerer Ketten zum Ruderquadranten geführt wurde. Es passierte des Öfteren, dass die Kette sich verhakte und dass wir besonders auf Revierfahrt in arge Bedrängnis kamen. Eine Reise ging von Wismar nach Murmansk. Bei Sturm von Windstärke elf standen wir in Höhe des Nordkaps förmlich tagelang auf der Stelle. Der Sturm machte ein Vorwärtskommen nahezu unmöglich.

      Da die Verpflegung für uns achtem immer von der Kombüse mittschiffs mit Essensbacken vom Moses über Deck getragen werden musste, war dieses natürlich bei schlechtem Wetter ein gefährliches Unterfangen. Einmal musste ich das Essen von der Kombüse abholen. An Deck riss mich ein Brecher über Kopf. Meine Essenbacke mit dem Kartoffelsalat konnte ich zum Glück festhalten, aber der Behälter mit den Würstchen wurde mir aus den Händen gerissen. Die Würstchen schwammen im ablaufenden Wasser Richtung Speigatt. Da ich annahm, dass mich niemand beobachtete, sammelte ich die Würstchen ein, wischte jedes einzelne mit einem Tuch ab und legte sie in die Back zurück. Beim Essen langten die Matrosen und Heizer kräftig zu. Nach dem Essen sagte der Bootsmann zu mir: „Es schmeckt zwar alles etwas salzig, aber solche blankgeputzten Würstchen haben wir bisher noch nie gehabt. Erst später erfuhr ich, dass die Männer durch die Bullaugen der Messe meinen kleinen Unfall beobachtet hatten.

      Am 9. März 1961 musterte ich für ein gutes Jahr auf der „KLOSTERTOR" der Reederei Fisser & van Doornum als Leichtmatrose an. In Rotterdam ging ich an Bord. Es war ein Schiff der Emder Klasse. In Lettland luden wir Kunstdünger und Armeematerial für Kuba, um für die Rücktour Zucker zu laden. Nach einem dreiwöchigen Seetörn liefen wir in Havanna ein.

      Auf der „MARIA ANNA SCHULTE“, mit der ich von Januar bis Oktober 1960 unterwegs war, stand ich einmal als Jungmann auf Wache auf der Back, als ich plötzlich eine Entdeckung machte: Bei Neufundland war besondere Vorsicht geboten und wir gingen so genannte Eisbergwachen. Ich erblickte ein großes bläuliches Objekt. Mit der Glocke schlug ich das verabredete Zeichen. Auf der Brücke hatte man den Eisberg bereits über Radar erkannt und führte eine Kursänderung durch.

      Noch gut kann ich mich an die sehr kalten Nächte auf Eiswache erinnern. Wer den Eisberg als Erster sah oder meldete, bekam von Kapitän Gramberger eine Flasche Rum. Meistens meldeten die Maschinisten den Eisberg aufgrund des enormen Temperaturabfalls zuerst. Kapitän Gramberger sorgte überhaupt gerne für Abwechslung.

      Unterricht an Bord der MARIA ANNA SCHULTE im Knoten und Spleißen

      Wenn wir in der Nähe der Neufundlandbänke waren, begann das große Wettangeln. Wer den größten Fisch angelte, bekam eine Flasche Rum. In kürzester Zeit lag das Deck voller Fische. Und an den folgenden Tagen gab es morgens, mittags und abends Fisch.

      Als 15jähriger Bursche heuerte ich auf der ERIKA FRITZEN an. Auch auf diesem Schiff erlebte ich einige Ereignisse, die ich nie vergessen werde: Als ich mit der „Vierachtwache" dran war, also von vier bis acht Uhr Dienst schob, gehörte es zu meinen Aufgaben, in der Kombüse in beiden Öfen das Feuer in Gang zu haben, wenn morgens um sechs Uhr der Koch kam. Wenn das Feuer ausging, war der Teufel los.

      Einmal war mir ein Ofen ausgegangen, während in dem anderen die Glut schwelte. Ich stapelte also ein paar glühende Kohlen um, denn ich hatte einen Plan, wie ich sie wieder zum Brennen bringen könnte: Ich nahm eine Hand voll altes Fett, das wir als „Affenfett" bezeichneten, und warf es auf die warme Kohle. Doch mein Plan ging nicht auf: das Fett spritzte durch die ganze Küche. Es gab eine regelrechte Explosion. Die Ofenringe lagen verstreut in der Kombüse. Auf die Schnelle machte ich mich daran, alles zu putzen. Am Ende hat der Koch nichts von dem Malheur gemerkt. Und das Feuer im Ofen brannte...

      Ein recht peinliches Erlebnis hatte ich, als ich mit der „BROOKTOOR" der Reederei Fisser & van Doornum unterwegs war: In Antwerpen musterte ich am 30. Mai 1962 als Matrose für die Große Fahrt auf zwei Jahre an. Wir steuerten Häfen beginnend von New York entlang der Karibikküste, USA und im Golf von Mexiko an. Zu unseren Ladungen gehörten Kaffee, Kakao und Stückgut aller Art. Wenn es zu regnen begann, wurden Regensegel gesetzt. Da wir in den schönsten Häfen der Karibik lagen, freuten wir uns über jeden Tag, den wir länger blieben.

      Nach einer ausgiebigen Party in Puerto Limon, dem Haupthafen an der Karibikküste, passierte das Unglück. Der Dampfer sollte um sechs Uhr auslaufen. Aber als ich verkatert irgendwann gegen Mittag an der Pier eintraf, trudelte noch ein anderer Partygänger ein: ein Leichtmatrose namens Horst. Da standen wir nun beide wie

Скачать книгу