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war im April 1961, als wir gerade an Land in unserer Stammkneipe saßen. Der Besitzer war ein Schweizer und ehemaliger Seemann, der vor Jahren achteraus gesegelt war, das heißt, er hatte sein Schiff verpasst und sich dann in Havanna niedergelassen und eine Kubanerin geheiratet. Plötzlich hörten wir Gewehrschüsse und Explosionen auf der Straße, dann Flugzeuglärm. Ein im Hafen liegendes Marineschiff feuerte mit seinen Bordwaffen. Mein Freund, Zimmermann Theo Ahlfs, ebenfalls aus Emden, und ich sowie andere Gäste gingen auf dem Fußboden in Deckung. Als wir dann später zurück an Bord wollten, mussten wir einige Straßen zum Hafen überqueren, was uns ein sehr ungutes Gefühl verursachte, denn die Lage war sehr angespannt. Überall lauerten Soldaten mit schussbereiten Waffen. Zum Glück brachte uns ein Militärfahrzeug an Bord, so dass wir mit einem riesigen Schrecken davonkamen. Später hörten wir, dass Exilkubaner mit Unterstützung Amerikas eine Landung in der Schweinebucht durchführen wollten. Die Gegenrevolution sollte zeitgleich auf ganz Kuba stattfinden. Da dieser bevorstehende Angriff aber schon vorher verraten wurde, waren Fidel und seine Guerilleros vorbereitet und konnten den Angriff erfolgreich abwehren.

      Große Siegesfeiern fanden statt. Auf dem großen Platz vor dem Regierungsgebäude in Havanna hielt Fidel Castro seine Siegesrede. Wir waren alle eingeladen. Es wurde uns aber - wahrscheinlich aus Angst vor Spionage - verboten zu fotografieren oder Fotoapparate mitzuführen. Doch unser Funker hielt sich nicht an dieses Verbot. Er hatte den Fotoapparat kaum aus der Tasche geholt, als er auch schon verhaftet wurde. Wir standen also unter ständiger Beobachtung. Nach einigen Stunden ließ man ihn zwar wieder frei, aber seinen Fotoapparat bekam er nicht zurück.

      An einem 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“, lagen wir in einem kleinen kubanischen Hafen. Es wurde nicht gearbeitet. Am Morgen fuhr plötzlich ein LKW vor, beladen mit Palmenblättern. Kapitän Voss bekam Order, das (Schiff mit den Palmenzweigen in den Masten schmücken zu lassen. Außerdem sollten einige Besatzungsangehörige als Gäste zum Maifest in die Stadt mitfahren. Ich war auch dabei. Es wurde ein sehr schöner Tag, und nach einigen Glas warmem Rum kamen uns die Parolen wie „Cuba Si, Yankee No!“ sehr leicht über die Lippen. Überall wurde Musik gemacht und mit großem Temperament ausgelassen getanzt.

      Wir fuhren noch einige Reisen mit Zucker nach Odessa am Schwarzen Meer. Auf der letzten Reise - wir waren in der Höhe von Florida - tauchten plötzlich der kubanische Lotse und sein Begleiter auf der Brücke auf. Sie hatten sich bei uns an Bord versteckt - ob mit Genehmigung unserer Schiffsführung, erfuhren wir nicht. Ein Boot der amerikanischen Coast-Guard übernahm die Leute.

      Nach Ende der Reise fuhren wir nach Tel Aviv und gingen in Charter der israelischen ZIM-Line, für die wir weltweit unterwegs waren. Auf der Heimreise im Februar 1962 nach Hamburg gerieten wir in den Orkan, der für die Sturmflutkatastrophe an der Nordseeküste verantwortlich war. Durch enormen Seegang und hohe Brecher entstanden viele Schäden. Ein Rettungsboot wurde beschädigt, große Lüftungshauben, die Windhutzen, waren abgeknickt oder verbogen. An Deck gestaute Fässer hatten sich losgerissen, die Persenning von Luke 1 war teilweise aufgerissen und musste erneuert werden.

      Kapitän Voss ließ das Schiff beidrehen, so dass wir eine neue Persenning auflegen konnten, was sich als gefährliche Arbeit erwies. An diesen Tagen kamen wir kaum aus den nassen Sachen heraus. Besonders unser Zimmermann, Theo Ahlfs, hatte alle Hände voll zu tun, Verpallungen und Verblockungen von losen und rutschenden Ladungsteilen durchzuführen.

      Später auf der Elbe beim Einlaufen in Hamburg sahen wir neben vielen Schäden einen kleinen Frachter hoch und trocken weit an Land liegen. Erst jetzt wurde uns bewusst, mit welcher Macht der Orkan gewütet hatte.

      Nach 14 Monaten musterten fast alle Besatzungsmitglieder ab. Herr Wiers, der Reederei-Inspektor aus Emden holte uns von Hamburg ab. Nach meinem Urlaub Ende Mai 1962 mus­terte ich auf der MS „BROOKTOR“ an. Wieder ging es in die Karibik. Wir kamen von Miami durch die Straße von Florida, schließlich nach Port-au-Prince auf Haiti.

      Ich war auf Zwölf-vier-Uhr-Wache eingeteilt, als der Funker sehr starke Störungen in seinen Geräten feststellte. Auch das Radar war gestört. Nach einer Weile meldete sich die amerikanische Marine mit der Order, dass alle Handelsschiffe diesen Seeraum sofort zu verlassen hätten. Natürlich bekamen wir mit, dass eine Krise bevorstand. Wir hatten uns schon gewundert, dass Kuba in dieser Nacht völlig abdunkelt war. Nur Guantanamo im Osten Kubas war hell erleuchtet.

      Bei Sonnenaufgang befanden wir uns mitten in einem Flottenver­band. Mit unseren 13 Knoten hatten wir natürlich keine große Chance, diesen gefährlichen Bereich schnell zu verlassen. Somit befanden wir uns mitten in dem Aufmarsch der durch Präsident Kennedy angeordneten Seeblockade durch die Amerikaner. Es war ein gewaltiger Flottenverband. Kriegsschiffe aller Größen fuhren mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei. Ein Aufklärungsflugzeug flog mehrere Male im Tiefflug über uns hinweg. Die an Deck gestauten Gasflaschen hatte man wohl zuerst als verdächtige Waffen eingestuft. Wahrscheinlich nach Auswertung der Aufklärungsbilder wurde uns über Funk mitgeteilt, wir sollten die lagernden Fässer abdecken. Nicht auszudenken, wenn die Gasflaschen nicht als solche erkannt worden wären. Jetzt wurde uns be­wusst, in welcher gefährlichen Lage wir uns befanden und dass die Welt kurz vor einem Atomkrieg stand. Später wurde über die Medien bekannt, dass auch sowjetische U-Boote in diesem Gebiet im Einsatz waren. Endlich - nach einigen Tagen - konnten wir diesen gefährlichen Bereich verlassen.

      Ich fuhr noch einige Jahre auf Großer Fahrt für Emder Reedereien Zur See. Nach meiner Zeit bei der Handelsmarine wechselte ich 1966 Zur Bundesmarine und war bis 1985 Berufssoldat. Nach der Bundeswehr-Zeit machte ich mich mit der Firma BOS (Bewachung, Objektschutz und Sicherungsberatung selbstständig. 2005 verkaufte ich das Unternehmen und ging in den Ruhestand. Mit meinen damaligen Kameraden von der KLOSTERTOR, Theo Ahlfs, Wolfgang Ludewigs und Werner Lorenz, der später anmusterte, habe ich noch immer Kontakt. Wir treffen uns manchmal in unserem Verein im Museum „Freunde der Seefahrt“ in Emden. Dann werden alte Erinnerungen wach und manche Story erzählt…

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