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Atlanterin hätten trösten können.

      Ebo hatte währenddessen seinen Arm notdürftig verbunden. Aret hatte ihm dabei geholfen, die Wunden zu säubern und einen Verband umzulegen. Als Ebo das Ruder übernahm, kümmerte sich Aret um seine eigenen Verletzungen. Mit nur einem Arm war Ebo nicht annährend so schnell wie Aret, trotzdem trieb das Boot unablässig weiter weg von dem Ort, wo bis vor kurzem noch eine Handelsmetropole aus dem Wasser ragte.

      Offensichtlich dauerte die Reise länger als geplant. Ebo hatte wegen seiner Verletzung große Schwierigkeiten, das Boot zu steuern und auch Arets Kräfte ließen mehr und mehr nach. Das Wasser musste rationiert werden und schon bald konnte Milia nichts anderes mehr tun als starr auf das Meer zu blicken, ihre rissigen Lippen mit ihren Fingern abtasten und sich mit einer Decke gegen die Sonne zu schützen. Nach einiger Zeit hatte ihr Magen aufgehört zu knurren und sie aß abwesend die Reste von Dörrfleisch und trockenem Brot, ohne wirklich Appetit zu spüren.

      Vier Tage nach dem schrecklichen Unglück, das Milias Gedanken und Träume beherrschte und sie nicht zur Ruhe kommen ließ, sah sie am Horizont Land. Libyen. Hoffnung keimte in Milia auf. Ihr Vater hatte Handelspartner in vielen Städten an der Küste.

      Als sie das erste Mal seit Tagen versuchte, ihre Stimme zu benutzen, entrann ihrer Kehle nur ein trockenes Stöhnen. Nach einem Hustenanfall, der sie daraufhin überkam, waren ihre Worte verständlich, auch wenn Nichts mehr an ihre hoch gelobte Singstimme erinnerte.

      „Ihr solltet mich besser freilassen.“

      Ebo blickte kurz zu Aret, der aber unbeeindruckt weiterruderte.

      „Mein Vater hat hier viele Verbündete.“ Wieder musste Milia husten. „Glaubt ihr wirklich, ihr könnt mit mir unbemerkt durch die Küstenstädte ziehen?“

      „Du wirst ruhig sein“, stellte Aret kühl fest.

      Milia lachte verzweifelt. „Und wieso sollte ich das sein? Ihr seid nur zwei Sklaven, ihr werdet sterben und ich werde frei sein.“ Sie sah Ebo fest in die Augen. „Sehr qualvoll sterben.“

      „Wenn du nicht ruhig bist, werde ich dich töten.“ Dabei sah Aret sie an, als würde er nur darauf hoffen, Milia würde schreien. Seine Augen waren tiefschwarz und aus ihnen sprach die Lust zu morden. Eine unwirkliche Kälte legte sich um Milias Hals und schien ihr Herz zwingen zu wollen, das Schlagen aufzugeben. Schnell sah sie zu Boden und atmete tief ein.

      „Ich kann euch zu reichen Männern machen“, setzte sie nach einiger Zeit mit veränderter Taktik an. „Wenn ihr mich frei lasst –unversehrt! – werde ich sagen, ihr hättet mich gerettet. Man wird euch reich dafür belohnen, mir geholfen zu haben.“

      Aret lachte nur verächtlich und paddelte weiter. Ihn konnte sie nicht umstimmen.

      „Ebo, hast du nicht gehört“, wandte sie sich nun verzweifelt an den dunklen Hünen. „Was auch immer er dir versprochen hat, ich verspreche dir hiermit das Doppelte! Mehr als das Doppelte! Ebo! Was kann er dir schon geben, was ich dir nicht bieten kann?“

      Der Sklave blickte stumm auf das Meer hinaus, dann wandte er sich ruhig an Milia.

      „Freiheit.“

      Kapitel 4

      Im immer gleichen Takt klatschte das Wasser gegen das Boot. Die Sterne spiegelten sich in der kalten Oberfläche. Milia war an Bord geblieben, sachte schaukelte es hin und her. Als die Sonne untergegangen war, kam eine überraschende Kälte, weshalb sie nun in Decken eingehüllt darauf wartete, dass Aret zurückkommen würde.

      Ebo schien froh zu sein, Land erreicht zu haben. Zufrieden saß er einige Meter entfernt am Strand, ließ Milia jedoch nie aus den Augen. Selbst wenn sie hätte fliehen wollen, fehlte ihr dazu die Kraft. Sowohl Körper als auch Geist waren nicht in der Lage, sich aufzubäumen und um Freiheit zu kämpfen. Langsam begann Milia sich damit abzufinden, in der Gewalt ihrer ehemaligen Sklaven zu sein.

      Sobald sie das Ufer erreicht hatten, war Aret aufgebrochen. Er war nach Berenike gegangen, um jemanden zu treffen, wie er sagte. Vermutlich einen Verbündeten, der ihnen bei ihrer Reise helfen sollte. Oder er verhandelte dort das Lösegeld für Milia aus. Womöglich bereitete er auch ein Versteck vor, in das sie gebracht werden sollte. Milia war das recht egal, sie hatte Hunger, ihr war kalt und für ein bequemes Bett hätte sie beinahe alles getan. Die vier Tage auf dem Meer hatten sie an ihre Grenzen gebracht, körperlich und seelisch. Der Untergang ihrer Heimat, dieses unbegreifliche Unglück, das wie ein wirrer Albtraum immer wieder ihre Gedanken beherrschte, tat ihr Übriges.

      Als die Sonne schon lange untergegangen war – Milia war immer wieder eingeschlafen, jedoch von schrecklichen Geräuschen, die es nur in ihren Träumen gab, aufgeschreckt – kam Aret zurück. Er wirkte unzufrieden, sagte etwas in seiner Sprache, das Flüche sein könnten. Ebo und Milia blickten ihn fragend an, doch er packte nur die Decken zusammen und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Der schwarze Hühne ging zu Milia und zog sie auf die Füße. Sie sah es jedoch gar nicht ein, das Boot zu verlassen.

      „Wohin gehen wir“, wollte sie trotzig wissen, während sie angestrengt versuchte, auf dem schwankenden Boot nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

      Aret drehte sich entnervt zu ihr um. Obwohl sein Blick jegliche weitere Frage verbot, wollte Milia nicht aufgeben.

      „Wohin gehen wir? Ich bin müde, wir müssen etwas essen.“ In der Hoffnung, Aret umzustimmen, fügte sie leise hinzu: „Wir alle.“

      „Nein.“ Er nickte Ebo zu, dann ging er weiter. Milia wurde unsanft hochgehoben, durch das kalte Wasser an Land gezogen, ohne dass man auf ihre körperlichen Bedürfnisse Rücksicht genommen hätte. Aret und Ebo hielten nicht inne, als würden sie trotz ihrer Verletzungen keinerlei Schmerzen, Müdigkeit oder Hunger verspüren.

      Berenike lag schlafend vor ihnen. Milia wünschte sich nichts sehnlicher, als zwischen den Gassen und Straßen einen Unterschlupf zu finden. Sie konnte und wollte nicht mehr weiterlaufen. Nach den Tagen auf See waren ihre Beine nicht mehr an das Laufen gewohnt, schon gar nicht auf dem staubigen und unebenen Boden, den man trotz Sternen am Himmel kaum sah. Doch ihre ehemaligen Sklaven führten sie an der Stadt vorbei, vor eines der Stadttore. In der Dunkelheit erkannte Milia ein kleines Lager, bestehend aus drei Kutschen und zwei Zelten, mit einem wärmenden Feuer in der Mitte. Daneben ruhten sich die Pferde vom Tag aus. Einige Hunde lagen herum, doch als sie sich dem Lager näherten, standen sie auf und kamen knurrend näher.

      Ein Pfiff durschnitt die kühle Luft und rief sie zurück. Ein älterer Mann kam auf sie zu. Er war sicherlich schon über vierzig Jahre alt und trug eine fremdartige, bunte Tracht, bestehend aus vielen Tüchern und Stoffen, die scheinbar nur von einem wuchtigen Gürtel um seine Mitte gehalten wurden. Ein breites Lächeln zierte sein Gesicht, als er mit offenen Armen auf Aret, Ebo und Milia zukam, alle an den Schultern griff und zur Begrüßung einen Kuss auf jede Wange gab.

      „Willkommen, willkommen meine fremden Freunde. Mein Name ist Ezra ben Simon, willkommen. Kommt doch näher, nicht so schüchtern, wärmt euch an unserem Feuer und stärkt euch mit unserem Tee.“ Mit diesen Worten führte er sie in das Lager. Die Hunde ließen sie dabei nicht aus den Augen.

      Milia kam alles unwirklich vor. Ebo schien genauso verwirrt wie sie, schwieg jedoch auch. War dieser freundliche Mann wirklich ein Verbündeter Arets, ein Mithelfer bei einer Entführung?

      Als sie am Feuer Platz genommen hatten, wurde ihnen von einer älteren Frau, die von Ezra als seine Ehefrau Rebekka vorgestellt wurde, ein kräftiger Tee gereicht. Nach den entbehrungsreichen Tagen auf dem Boot war es, als würde Milia zum ersten Mal in ihrem Leben etwas schmecken, so intensiv spürte sie die Gewürze auf ihrer Zunge. Sie bekamen auch etwas Brot und Käse zu essen. Es kam Milia vor, als wäre sie auf einem ausladenden Bankett eines der Handelspartner ihres Vaters. Freundlich plauderten Ezra und Rebekka mit ihnen, erzählten von ihrem bescheidenen Lager, mit dem sie als Gaukler durch das Land zogen, um als fahrendes Volk ihr Leben zu meistern. Ihren Fragen nach der Vergangenheit und den Erfahrungen der Fremden beim Untergang Atlantis wich Aret geschickt aus. Offensichtlich hatte er sie bereits

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