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fassen der ihr sagte, was sie tun sollte und das Beste für sie war.

      „Wie geht es Ihnen? Das muss alles sehr anstrengend für Sie sein.“

      Was meinte er damit? Worauf spielte er an? Unsicher blickte Milia sich um. Was sollte sie sagen? Worauf wollte er hinaus?

      „Der Untergang, die Reise hier mit den Gauklern“, präzisierte Eero seine Frage, als hätte er ihre Angst gespürt.

      „Ähm ja … gut. Es ist anstrengend“, stammelte Milia.

      „Aber Ihnen geht es gut?“ Dabei sah er ihr in die Augen. Seine waren grün wie Smaragde.

      Milia schluckte. „Nein“, hauchte sie.

      Eero nickte und blickte wieder aufs Wasser. „Das dachte ich mir.“

      Was ahnte er? Wusste er womöglich von Milias Schicksal? Doch anstatt ihr weiter Fragen zu stellen, schwieg er nachdenklich. Sie wurde ungeduldig, wollte wissen, was er vermutete. Aber wenn er nun gar nichts ahnte? Ins Unglück wollte sie ihn nicht stürzen, indem sie ihm die Wahrheit anvertraute. Aret würde sicherlich keine Mitwisser dulden. Sie musste behutsam vorgehen.

      „Reisen Sie oft“, fragte sie bemüht unbeschwert.

      Eero lachte leise. „Ja. Eigentlich immer.“

      „Vermissen Sie nicht Ihr Zuhause?“ Wie konnte man nur ohne Heimat glücklich sein, ohne eine Familie und Freunde um sich herum? Ohne ein Haus, einen eigenen Garten? Im ständigen Wechsel der Umgebung, der Landschaft, der Menschen? So ganz ohne Stabilität?

      „Manchmal ja.“ Er schwieg kurz. „Aber wenn die Sehnsucht zu groß wird, suche ich mir einen ruhigen Ort und denke an Zuhause. Und egal wo ich auch bin, der Mond und die Sterne sind überall dieselben.“

      Milia blickte in den Himmel. Ob irgendwo, an einem ganz anderen Ort, ihre Familie auch gerade den Mond betrachtete?

      „Wieso müssen Sie so viel reisen?“

      „Mein Herr hat den Traum, eine Karte zu erstellen, die so genau ist wie noch keine Karte zuvor. Deswegen reise ich mit Amin und Manuél durch das Land um alle Küsten, Berge und Flüsse zu vermessen und aufzuzeichnen.“

      Milia stellte sich dieses Leben schrecklich vor. Immer auf Reisen, ohne jemals anzukommen. Wieso tat er sich das an, wenn er sich davon kein Haus kaufen konnte, in dem er wohnen würde?

      „Wie lange dauert dieser Auftrag?“

      Wieder lachte Eero. „Sehr lange. Ich weiß nicht, ob zuerst der Auftrag endet oder mein Leben.“

      „Das ist ja schrecklich.“

      „Nicht wenn man das Reisen liebt.“

      Wieder schwiegen sie. Wie lange war es nun schon her, dass Milia das Lager der Gaukler verlassen hatte? Ob Aret ihre Flucht schon bemerkt hatte? Seltsamerweise fühlte sie sich trotz dieser Ängste neben Eero geborgen.

      „Haben Sie keine Angst“, wollte sie nach einiger Zeit wissen.

      „Wovor?“

      „Ich weiß nicht …“ Sie wusste sehr genau, worauf sie hinaus wollte. „Womöglich vor Überfällen?“

      „Es gibt nicht viel, das man uns stehlen könnte“, antwortete Eero mit einem Lächeln. „Eigentlich nur die Messgeräte. Doch diese sind ersetzbar, wenn auch schwer.“

      „Aber Räuber könnten Sie verletzten oder töten.“

      Eero überlegte einige Zeit. Er wählte seine Worte mit Bedacht. „Das ist wahr. Doch der Tod droht einem überall.“

      Nun nährte sie sich langsam dem Ziel ihrer Fragen. Je nachdem, wie er reagierte, konnte Milia womöglich abschätzen, ob er etwas von ihrer Situation ahnte oder nicht. „Und haben Sie keine Angst vor Entführungen?“

      „Nein.“ Die Antwort kam prompt.

      Milia war überrascht. „Nein?“

      Eero wirkte nun ernst, als er sich zu Milia beugte. Er roch nach Pferd und dem Rauch von Feuer. Leise drangen seine Worte an ihr Ohr. „Wenn man entführt wird, hat das einen Grund. Meist will man Geld oder andere Leistungen von der Familie erpressen. Das bedeutet, man ist nur von Wert, wenn man lebt. Und das am besten unversehrt. Verstehen Sie das? Man ist dann ein Pfand. Kein Entführer schadet seiner Geisel, weil das den Wert als Pfand verringern würde.“

      Verwirrt wandte Milia sich ab. War er gerade dabei, ihr zu erklären, dass sie Glück hatte, als sie von Aret entführt worden war?

      Plötzlich waren Schritte zu hören. Jemand kam schnell näher. Als Milia aufblickte, sah sie vom Lager zwei Personen in ihre Richtung laufen. Sie hatten Fackeln dabei. In deren Schein erkannte sie Aret und Ebo.

      Noch bevor sie aufspringen und weglaufen konnte, hielt Eero sie am Arm fest. Verzweifelt versuchte sie, sich von seinem Griff zu lösen, doch er blieb eisern. Sie hatte einen schrecklichen Fehler gemacht.

      „Haben Sie mich verstanden“, fuhr er eindringlich fort. „Ihnen wird nichts passieren. Kein Entführer würde seinem Pfand etwas antun. Keiner!“

      Milia versuchte weiterhin sich loszureißen. Sie hätte sich gar nicht hinsetzen dürfen, hätte ihm nicht zuhören oder Vertrauen zu ihm fassen dürfen. Wäre sie doch weitergelaufen! Richtung Stadt, in ihre Sicherheit!

      Aret und Ebo kamen immer näher. Sie hatten sie bemerkt.

      „Bitte“, flehte Milia. „Lassen Sie mich gehen. Bitte!“

      Eero schüttelte den Kopf. „Dafür ist es längst zu spät.“

      Er hatte Recht. Aret und Ebo hatten sie gerade erreicht. Wütend kam Aret auf sie zu, packte sie am Arm und zog sie von Eero weg. Ohne ein Wort zu sagen, übergab er sie Ebo und deutete mit dem Kinn zum Lager. Sofort setzte sich der Hüne in Bewegung und zog Milia hinter sich her. Aret blieb zurück und wandte sich Eero zu. Sein ganzer Körper war angespannt, bereit zuzuschlagen oder zu töten. Wie eine Wildkatze.

      Mit aller Kraft versuchte Milia, sich von Ebos Griff zu lösen. „Tu ihm nichts! Aret! Er hat nichts getan! Bitte Aret!“

      Doch Aret schien sie nicht zu hören. Er drückte seine Fackel im Boden aus, sodass nur noch zwei dunkle Schatten vor dem Nachthimmel zu erkennen waren.

      Unruhig und ängstlich wartete Milia in der Kutsche auf Arets Rückkehr. Ebo beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Es schien ihm nicht zu gefallen, dass sie fliehen konnte, obwohl er in ihrer Nähe war. Doch Milia verschwendete an die Gefühle ihres ehemaligen Sklaven keinen Gedanken. Hoffentlich hatte Aret Eero nichts angetan. Hoffentlich hatte er ihn nicht getötet. Sie war dumm gewesen, sich zu ihm zu setzen und nicht weiter in die Stadt gelaufen zu sein. Damit hatte sie ihn in Gefahr gebracht. Sie hatte den einzigen Menschen, der sich ihrer in den letzten Tagen angenommen hatte, ihr zugehört hatte, sie nach ihrem Befinden gefragt hatte, in die Hände ihres unberechenbaren Entführers getrieben.

      Nach einer schier endlosen Zeit hörte Milia, wie sich eine Person der Kutsche näherte. Aret zog das Tuch zurück, das das Innere umspannte und stieg zu Milia und Ebo. Hatte er Blut an den Händen? Zeichen von einem Kampf? Milia konnte nichts erkennen. Sie wusste nicht, ob sie ihn nach Eero fragen sollte. Er wirkte nicht mehr wütend, vielmehr müde und erschöpft.

      „Wir sollten schlafen. Morgen ziehen wir weiter.“ Mit diesen Worten legte er sich hin und schon bald wurde sein Atem regelmäßig und ruhig.

      War dass das Verhalten eines Mörders?

      Ebo wirkte genauso verwirrt wie Milia, bedeutete ihr jedoch, sich auch hinzulegen. Auch wenn an Schlaf nicht zu denken war, folgte sie seiner Anweisung. Ebo blieb sitzen und wollte sichergehen, dass sie wirklich einschlief und nicht wieder versuchte zu fliehen.

      Der nächste Tag begann früh. Milia wurde vorsichtig von Aret geweckt, der daraufhin mit Ebo die Kutsche verließ, um sich an das Feuer zu setzten und etwas von dem Brei, den Hanna gekocht hatte, zu essen. Es war das erste Mal, dass

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