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Die Akte Plato. Kai Kistenbruegger
Читать онлайн.Название Die Akte Plato
Год выпуска 0
isbn 9783738083729
Автор произведения Kai Kistenbruegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er zog ein kleines Gerät aus derselben Tasche, in der auch der Lageplan gesteckt hatte, und drehte es langsam in seinen Fingern. Ein weiteres technologisches Meisterwerk, das Bill sich noch in München besorgt hatte. Ein Peilsender, kaum größer als eine Euro-Münze, aber stark genug, um sein Signal aus über 20 Kilometern Entfernung empfangen zu können. Ein technisches Spielzeug, das die Überwachung der Zielpersonen wesentlich vereinfachte. Allerdings nur, sofern er den Peilsender unauffällig an den Mann oder an die Frau bringen konnte.
Er steckte den Peilsender zurück an seinen Platz und überprüfte den Rest seiner Ausrüstung. Es war an der Zeit.
Auf dem Weg zu Klippe machte Bill einen weiten Bogen um das beleuchtete Gelände. Die Dunkelheit würde ihm während seiner Mission genügend Schutz bieten; allerdings konnte Bill nicht ausschließen, auch außerhalb des befestigten Lagers auf Wachposten zu stoßen. Die Nachtsichtgläser hatte er am Geländewagen zurücklassen müssen. Sie hatten sich als zu sperrig erwiesen, um ihm auf diesem speziellen Weg in die Villa behilflich zu sein. Ohne seine Sehhilfe reduzierte sich seine Sichtweite jedoch auf ein paar wenige Meter, was sein Vorwärtskommen zusätzlich verlangsamte. Lediglich der Mond erleuchtete mit fahlem Licht die karge Umgebung, wenn er in einem seltenen Moment hinter der dichten Wolkendecke hervorlugte, die von Westen her aufzog.
Sobald er im Schutze der kargen Vegetation den äußersten Rand der Klippe erreicht hatte, bereitete er seinen Abstieg vor. Er befestigte sein Abstiegsseil an einem stabilen Felsen am Rand des Abgrundes und überprüfte den festen Sitz mehrfach mit ein paar kräftigen Zügen am Seil. Bill mochte vieles sein, aber lebensmüde war er nicht. Wie ihm ein prüfender Blick verriet, war die Klippe ziemlich hoch. Von seinem Standpunkt aus konnte er die Brandung des Meeres allenfalls erahnen; die aufgewühlte Meeresoberfläche verbarg sich irgendwo in der undurchdringlichen Dunkelheit der Nacht. Lediglich ein wütendes Rauschen war zu vernehmen, wenn eine weitere Welle mit brachialer Gewalt gegen die scharfen Felsen der Klippe brandete.
Das Klettern an der Steilwand war bei den vorherrschenden Lichtverhältnissen auch für einen geübten Bergsteiger schwierig. Die Struktur der Felswand ließ sich nur schwer erkennen; Bill kletterte nahezu blind. Er musste sich vollends auf seinen Tastsinn verlassen. Er sicherte jeden Schritt doppelt ab, tastete sich vor, prüfte die Belastbarkeit der Felsvorsprünge, bevor er sein Gewicht verlagerte. Doch trotz der Vorsicht kam er gut voran. Als er nach knappen 60 Minuten einen Blick nach oben warf, sah er über sich die äußersten Balkone der weißen Villa schweben. Schwaches Licht schien durch die Fenster zu ihm herab.
Zehn weitere Minuten später hatte er sich über den Rand der Klippe gehievt und mit einem geschulten Blick die nähere Umgebung abgesichert. Seine Kletterausrüstung versteckte er für den Rückweg unter einem kleinen Busch, der nahe der Klippe wuchs; ein paar Meter unterhalb der weißen Mauer, die die Villa zur Klippe abtrennte und links und rechts mit dem Gebäude verschmolz. Zwischen Mauer und Abgrund blieben Bill nur wenige Meter Boden, auf denen er sich bewegen konnte.
Nur eines der Zimmer war hell erleuchtet, der Rest der Villa war vollständig in Dunkelheit getaucht. Langsam schlich Bill näher, immerzu sorgsam darauf bedacht, sich nach Wachposten oder anderen Personen umzusehen. Ungesehen rein, ungesehen raus, das war seine Überlebensgarantie.
Links neben dem Gebäude fand sich ein kleiner Parkplatz, auf dem mehrere Fahrzeuge den spärlichen Platz beanspruchten. Die Mauer selbst stellte für Bill nach der schweißtreibenden Kletterpartie kein Hindernis mehr dar, schließlich war sie auch nicht sonderlich hoch. Stellenweise ging sie ihm sogar nur bis zur Hüfte, vermutlich, um den Blick aufs Meer nicht zu versperren. Glücklicherweise schien es niemand für nötig zu halten, den Parkplatz zu überwachen, so dass Bill ungestört seine Arbeit verrichten konnte. Er installierte zwei Peilsender, einen unter dem Wagen der Schwarzhaarigen, den anderen unter der Limousine, mit der Patterson und Seibling in der Basis eingetroffen waren. Die Sender hatte Bill innerhalb weniger Minuten an unauffälliger Stelle am Unterboden befestigt. Für Laien waren sie kaum als Fremdkörper zu erkennen. Für die anderen Fahrzeuge standen ihm keine weiteren Peilsender zur Verfügung, allerdings interessierten sie ihn auch nicht sonderlich. Die Fahrzeuge gehörten vermutlich zu Black, Morden und Breitenscheidt; seinen Informationen zufolge verließen die drei die Villa nur sehr selten. Aus diesem Grund sah Bill auch keine Veranlassung, ihre Autos gesondert zu überwachen.
Bill lächelte zufrieden. Sein Auftraggeber wusste noch nichts davon, dass Bill die Fahrzeuge in Signalbojen verwandelt hatte, die mit der richtigen Gerätschaft kilometerweit leuchteten wie ein üppig behangener Weihnachtsbaum. Er würde ihm beizeiten davon berichten. Wer immer der unbekannte Auftraggeber war, der Bill engagiert hatte; er sollte ruhig wissen, dass er in Bill keine folgsame Marionette gefunden hatte, sondern einen Mann, der unbemerkt herein- und herausspazieren konnte, zu jeder Tag- und Nachtzeit. Bill war ein Mann mit eigenen Prinzipien und einem eigenen, erprobten Vorgehen. Er würde sich durch keinen Auftraggeber der Welt davon abbringen lassen, die Dinge auf seine Weise zu regeln.
Eine Sache blieb allerdings noch zu tun. Vorsichtig ertastete er die letzte Vorrichtung in der Brusttasche seiner kompakten Weste, die noch auf ihre Anwendung wartete. Eine kleine Wanze, die Bill über eine Kontaktperson organisiert hatte. Sie würde ihn über sämtliche Gespräche in der Villa aufklären können, ohne dass er sich dem Gelände auf zwei Kilometer würde nähern müssen. Er musste lediglich einen Weg in das Gebäude finden, möglichst, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Vielleicht hätte sein Auftraggeber ihm sogar dabei helfen können, aber Bill bevorzugte es, selbst ein paar Trümpfe in Hinterhand zu halten, von denen sein Klient nichts wusste. Vertraue niemanden, der sich dieses Vertrauens nicht gebührend als würdig erwiesen hat; diese Lektion hatte Bill früh gelernt.
Mit einem eleganten Sprung gelangte Bill zurück auf die andere Seite der Mauer. Eng an das Gebäude gepresst kroch er in Richtung des beleuchteten Eckzimmers. Wenn er ungesehen von den Wachen die Rückseite der Villa auf Einstiegsmöglichkeiten untersuchen wollte, musste er an dem hell erleuchteten Raum vorbei. Von seinem derzeitigen Standpunkt aus war seine einzige andere Option der Vordereingang, aber der war wie der Rest der Basis bewacht wie Fort Knox.
Ein prüfender Blick durch die riesigen Fenster bestätigte seinen anfänglichen Verdacht. Patterson, Seibling und Black waren nicht mit der schwarzhaarigen Archäologin allein; insgesamt sieben Personen hielten sich in dem Raum auf. Bill zählte durch. Patterson und die Archäologin hatten sich erhoben und standen etwa einen Meter abseits von den anderen vor einer Leinwand. Um den Tisch herum saßen Seibling, Black und drei weitere Personen, die Bill von seinem Standpunkt aus nicht erkennen konnte. Allerdings hegte Bill keine Zweifel daran, in den drei Personen die Männer aus seinen Missions-Dossiers wieder zu finden, die er für seinen Auftrag ausgehändigt bekommen hatte.
Allerdings hatte er keine Zeit, diese Vermutung zu überprüfen. Mit jeder Minute, die er sich in der Nähe der Villa aufhielt, riskierte er, entdeckt zu werden. Er warf einen prüfenden Blick auf die schwach glimmenden Zeiger seiner Armbanduhr. Er hatte etwa noch zwei Stunden, bevor die Sonne aufgehen und er wie auf dem Präsentierteller den wachsamen Augen des Wachpersonals ausgesetzt sein würde. Für den Rückweg plante er mindestens eine bis anderthalb Stunden ein; ihm blieb also gerade einmal eine weitere halbe Stunde, um sich Zugang zu der Villa zu verschaffen und die Wanze an geschickt gewählter Stelle anzubringen.
Allerdings war ihm der Balkon im Weg, der dem Mauerwerk am Eckzimmer entwuchs und frei schwebend über dem unendlich erscheinenden Abgrund der Klippe Aussicht auf einen langen Weg nach unten bot. Um auf die andere Seite zu gelangen, würde er den Balkon überqueren müssen. Ein kalkulierbares Risiko. Die Personen im Raum waren sichtlich ins Gespräch vertieft und würden ihn nicht bemerken.
Allerdings war auch Bill nicht unfehlbar, wie er in der nächsten Sekunde feststellen sollte. In der Dunkelheit hatte er die Beschaffenheit des Bodens falsch eingeschätzt. Als er sich über die schmale Brüstung auf die Terrasse gleiten lassen wollte, rutschte der Stein, auf dem er stand, plötzlich unter ihm weg. Bevor Bill reagieren konnte, rollte der Stein drei, vier Meter und stürzte mit einem