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Die Akte Plato. Kai Kistenbruegger
Читать онлайн.Название Die Akte Plato
Год выпуска 0
isbn 9783738083729
Автор произведения Kai Kistenbruegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mit dem Schatten seines Fingers kreiste Black auf dem Bild an der Wand eine dunkle Stelle auf dem Foto ein. „Sehen Sie diesen Punkt?“, fragte er demonstrativ. „Wie Sie leicht feststellen können, hebt er sich deutlich von der Umgebung ab, als wäre er auf dem Originalbild markiert gewesen.“
„Die Frage ist, warum? Warum war dieser Punkt so wichtig, ihn auf der Karte gesondert hervorzuheben?“, sinnierte Morden, obwohl er offensichtlich keine Antwort erwartete. „Im Grunde gibt es nur eine Antwort darauf: Wenn wir davon ausgehen, dass dieses Gerät der Navigation der Kapsel diente, dann ist dieser Punkt…“
„…der Zielpunkt der Landekapsel“, vollendete Jan.
Patterson zuckte mit den Schultern. „Oder der Startpunkt. Wie auch immer, wo die Kapsel tatsächlich her kam, oder wo sie hinwollte, können wir nicht mehr bestimmen. Dafür ist zu viel Zeit vergangen. Aber wir sind uns einig, an diesem Punkt mit unserer Suche anzusetzen.“
11) Portugal, Terras do Sado, 03. Juli 2007
„Diese Entdeckung ist einmalig!“, bestätigte Jan, überwältigt von undefinierbaren Emotionen, die ihm beinahe die Sprache raubten. Seine Stimme zitterte leicht, obwohl er sich alle Mühe gab, gegenüber den anderen souverän aufzutreten. Allerdings konnte er kaum verbergen, wie aufgewühlt er tatsächlich war. „Ohne Zweifel, die Kapsel ist ein Fund, der die Welt verändern wird. Das gestehe ich Ihnen zu. Allerdings halte ich es für etwas weit hergeholt, diese Kapsel Atlantis zuzuschreiben. Ich habe bislang keine Hinweise gesehen, die Rückschlüsse auf die Erbauer der Kapsel zulassen würden.“
Langsam gewann Jan etwas von seinem klaren Verstand zurück, der sich während der Aufregung der letzten halben Stunde irgendwo in eine dunkle Ecke seines Hinterkopfs verkrochen hatte. Ein nagendes Gefühl hatte die anfängliche Überforderung ersetzt, die sich bereits bei den ersten Bildern eingestellt hatte. Jan wusste nicht genau, was ihm dieses Gefühl zu sagen versuchte, allerdings schien irgendetwas an dem ganzen Bild noch nicht stimmig zu sein. Vielleicht resultierte dieses Gefühl auch aus der Verweigerung seines Verstandes, die Erklärungen zu akzeptieren, die auf eine so unerträgliche Art und Weise unglaublich erschienen. Diese Geschichte konnte unmöglich wahr sein! „Ich weiß nicht“, nahm er zögerlich seinen Faden wieder auf, „ich halte es für sehr gewagt, direkt an Atlantis zu denken, sobald wir auf etwas stoßen, das wir nicht erklären können. Sie setzen Ihre gesamten Hoffnungen auf ein unscharfes, verschwommenes Bild. Eine etwas dürftige Ausgangsbasis, wie Sie zugeben müssen.“
Black nickte kaum wahrnehmbar, sagte jedoch nichts. Er hatte sich bequem in seinem Sitz zurückgelehnt, mit leicht amüsierter Miene, als würde er eine heitere, aber vorhersehbare Theateraufführung genießen.
„Das Bild sagt nichts aus“, betonte Jan, leicht irritiert. Er verspürte das dringende Bedürfnis, den Anwesenden zu zeigen, wie falsch sie mit ihren Annahmen lagen; sie auf ihre Fehler hinzuweisen. Die Kapsel war vielleicht ein Fakt, auch wenn er noch nicht bereit war, das zu akzeptieren, aber diese Suche nach dem Start- oder Zielpunkt der Raumfähre, das war nichts anderes als blinder Aktionismus. Wahnwitzig. „Es ist viel zu unscharf. Der Kreis umfasst im Minimum mehrere Quadratkilometer. Ohne weitere Informationen, mit denen die Suche eingegrenzt werden kann, suchen Sie sprichwörtlich die berühmte Nadel im Heuhaufen.“ Herausfordernd blickte er in die Runde. Doch niemand reagierte, wie Jan es erwartet hätte. Stattdessen starrten Black und Morden ihn mit einer Miene an, die Jan an die grenzenlose, unerschütterliche Naivität erinnerte, die kleine Kinder beizeiten an den Tag legen.
Kein Widerspruch, keine Zustimmung.
Er fühlte sich wie die einsame Stimme der Vernunft, die ungehört verhallte, weil sich niemand für ihre Botschaft interessierte. Morden und Black wirkten wie ein paar Kinder, die stundenlang mit Begeisterung den Sand in ihrer Sandkiste umgruben, um die verschollenen Ruinen ihrer kindlichen Phantasie auszugraben, ohne sich um Dinge wie Realität oder Sinnhaftigkeit zu kümmern. „Wo wollen Sie also anfangen?“, fragte er provokativ, um zumindest irgendeine Reaktion zu provozieren. Er konnte den leicht gereizten Unterton nicht verhehlen, der in diesen Worten mitschwang. „Die einzige Quelle, auf die Sie zurückgreifen können, sind Platos Texte, die kaum als fundierte Fakten zu werten sind. Und, viel schwerwiegender, Sie konnten noch nicht schlüssig beweisen, warum Sie bei der Kapsel ausgerechnet an Atlantis denken. Im Grunde könnten diese Gegenstände die Hinterlassenschaften von sonst jemandem sein. Sie tun im Prinzip nichts anderes, als Spekulationen mit anderen Spekulationen zu untermauern.“
Er zuckte skeptisch mit den Schultern. „Was haben Sie vor? Wollen Sie in einem derart großen Areal den gesamten Boden umgraben, bis Sie etwas finden, das Sie auf die Spur von Atlantis führt?
„Ihr Einwurf ist berechtigt.“ Patterson nickte anerkennend. „Sie haben Recht, unsere Theorien stehen auf tönernen Füßen. Allerdings können wir zwei Dinge mit Bestimmtheit festhalten, die uns bei der Suche helfen.“ Er hob demonstrativ zwei Finger seiner linken Hand.
„Erstens, die Kapsel stammt aus Atlantis.“ Er tippte auf seinen Zeigefinger. „Und zweitens, Plato hat nicht nur die Wahrheit geschrieben; er war auch unglaublich präzise in seiner Beschreibung.“ Er drückte ein paar weitere Knöpfe auf seinem Notebook und zwei Bilder flimmerten auf dem Wandbildschirm auf. Patterson verschränkte triumphierend seine Arme vor der Brust. „Ich denke, Sie werden dieser Einschätzung uneingeschränkt zustimmen können.“
Das erste Bild zeigte ein Bekleidungsstück. Es war eine Art Overall, ähnlich wie die Raumanzüge der Astronauten, wie Jan sie auf einem der ersten Bilder der Kapsel gesehen hatte. Allerdings wirkte dieser Anzug längst nicht so plump, wie es die Bilder vermittelt hatten. Ganz im Gegenteil, er wirkte beinahe filigran, als würde er lediglich aus ein paar Millimetern Stoff bestehen.
„Das sind Bilder von der Kleidung des Piloten“, kommentierte Morden mit einem Seitenblick auf Jan, bei dem die Beschreibung „überheblich“ noch untertrieben war.
Das zweite Bild war eine Nahaufnahme vom Brustbereich des Anzugs. Aus der Nähe betrachtet wirkte das Kleidungsstück sehr mitgenommen. Der Stoff schien von einer gräulichen Schmutzschicht überzogen zu sein. Einzelne Fasern hatten sich aus dem Gewebe gelöst und standen vom Anzug ab wie kleine, dünne Ärmchen, die sich auf der Suche nach Hilfe verzweifelt nach oben streckten.
Im Fokus des Bildes zeigte sich ein wappenähnliches Gebilde, das annähernd mittig auf der Brust angebracht war. Das Wappen war denkbar simpel aufgebaut. Es bestand aus drei ineinander verschachtelten, konzentrischen Kreisen, sowie aus einem senkrechten Strich, der alle drei Ringe durchgehend miteinander verband.
„Dieses Zeichen war auf dem Raumanzug des Piloten angebracht. Wir halten es für ein Staatswappen, ein Symbol seiner nationalen Abstammung“, bemerkte Patterson mit verklärtem Blick. „Verstehen Sie uns jetzt? Verstehen Sie, warum wir uns dieser einen Sache so sicher sind?“
Jan atmete scharf ein. Er konnte kaum glauben, was er sah. „Sie machen Scherze! Das ist eine Fälschung! Nie im Leben ist dieses Zeichen echt!“
„Das Zeichen ist echt, so wahr wir hier sitzen“, sagte Susanna. Aufgeregt ergriff sie Jans Handgelenk. „Von so einer Gelegenheit träumt jeder Archäologe! Dieses Zeichen kommt einem Lottogewinn gleich, ach was, es ist viel besser! Es ist wunderschön!“
„Ja, es ist etwas ganz Besonderes“, bestätigte Morden, selbstgefällig grinsend. Er zog ein kleines, gefaltetes Blatt Papier aus seiner Anzugtasche. Beinahe behutsam entfaltete er es, setzte sich eine neumodische, goldene Lesebrille auf und blickte Jan über den schmalen Rand der Brillengläser feierlich in die Augen. „Holen wir doch Platos Meinung zum Thema ein.“
Er räusperte sich laut und begann, vorzulesen: „Er trennte deshalb auch den Hügel…“, er stockte kurz und ergänzte erklärend: „Also, Er, damit bezieht