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Die Akte Plato. Kai Kistenbruegger
Читать онлайн.Название Die Akte Plato
Год выпуска 0
isbn 9783738083729
Автор произведения Kai Kistenbruegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er blickte in die Runde und ließ diese Worte ein paar Minuten für sich selbst sprechen, bevor er fortfuhr. „Des Weiteren schreibt er: ‚Zuerst nämlich gruben sie einen Kanal von drei Plethren Breite, hundert Fuß Tiefe und fünfzig Stadien Länge vom Meere aus bis zu dem äußersten Ringe hin und machten so eine Einfahrt von der See in denselben wie in einen Hafen möglich, indem sie die Einmündung in ihn weit genug zum Einlaufen für die größten Schiffe brachen. Sodann durchbrachen sie aber auch die Kreiswälle von Erde, welche die Wasserringe voneinander trennten, unterhalb der Brücken in einer solchen Breite, dass für einen einzelnen Dreiruderer die Durchfahrt von dem einen durch den anderen möglich ward.‘“
Morden machte eine weitere bedeutungsschwangere Pause und sagte an Jan gerichtet: „Ich persönlich kann mich irren, aber für mich klingt diese Beschreibung exakt so, als wäre sie auf das Wappen zugeschnitten. Es passt wie die Faust aufs Auge, sozusagen.“
„Sie werden also verstehen“, sagte Patterson und er betonte jedes einzelne Wort, als handelte es sich bei ihnen um kleine Köstlichkeiten, deren Geschmack er möglichst lange auf der Zunge bewahren wollte, „wir hegen keinen Zweifel daran, mit dem Piloten der Kapsel einen Einwohner aus Atlantis gefunden zu haben.“
12) Portugal, Terras do Sado, 03. Juli 2007
Bill hatte sein Lager etwa einen Kilometer entfernt von der befestigten Anlage aufgeschlagen. Er hatte seine Position weit genug entfernt gewählt, um in der Dunkelheit nicht von den zahlreichen Wachen rund um das Gelände entdeckt zu werden, aber nah genug, um alle Bewegungen im näheren Umfeld beobachten zu können.
Der Restlichtverstärker in seinem Nachtsichtgerät tauchte die Umgebung in ein unnatürliches, grünes Licht, das auf Dauer in den Augen schmerzte. Bill hatte seine Stellung bereits vor einigen Stunden bezogen, ohne dass irgendetwas Interessantes passiert wäre. Wie ihm ein kurzer Blick auf seine Uhr verriet, war es jedoch noch zu früh, um aktiv zu werden. Er seufzte ungeduldig auf und erlaubte es sich, für einen kurzen Augenblick seinen Blick von dem Gewimmel unter ihm abzuwenden. Er drehte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte, frei von den beengenden Zwängen seiner Nachtsichtausrüstung, in den sternenklaren Himmel empor. Ein kurzer Moment der Ruhe, bevor sein Job wieder äußerste Konzentration verlangte.
Er spürte die leichten Bewegungen des Windes auf seiner Haut, sanft streichelnd, als würden sie mit ihren leichten Böen die dunkle Erde liebkosen. Er atmete die mannigfaltigen Gerüche einer frühsommerlichen, warmen Nacht ein, schmeckte das Salz des nahen Meeres auf seinen Lippen, kaum spürbar, aber dennoch präsent wie die nimmermüden Gesänge der Zikaden, die die Stille der Nacht mit Leben erfüllten. Er lauschte den fernen, belanglosen Gesprächen der Wachen, leicht verzerrt durch das Richtmikrofon, unbedeutende Einblicke in das Leben unbedeutender Menschen. Er spürte den Herzschlag der Umgebung, als wäre es sein eigener, zwei Herzen im Takt, umschlungen in einem Tanz, der seit Anbeginn des Lebens getanzt wurde.
In der Natur, auf sich allein gestellt, fühlte Bill sich im Einklang mit dem Leben selbst. Menschen bedeuteten Leid und Enttäuschung, die Natur jedoch war von ungeschminkter Schönheit, ehrlich zu denjenigen, die sich ihren Gesetzen unterwarfen. Für Bill waren diese Momente Augenblicke des inneren Friedens, der Besinnung auf die Allmächtigkeit der eigenen Existenz, in denen er die stillen Kraftreserven seines Körpers mobilisierte, bevor er sich seinen schwierigen Aufgaben stellte. Ein Jäger, der im Dunkeln unsichtbar lauerte, während die ahnungslosen Opfer blind ihres Schicksals harrten.
Er öffnete die Augen. Entgegen seiner Gewohnheiten war er eingeschlafen. Verärgert prüfte er die Uhrzeit. Kurz vor Mitternacht. Die Zeit der Geister. Seine Zeit.
Im Kopf ließ er kurz die wichtigsten Punkte Revue passieren, um sicher zu gehen, nichts übersehen zu haben. Patterson und Seibling waren vor etwa sieben Stunden eingetroffen, Black und die schwarzhaarige Archäologin nur ein paar Minuten früher. Über die genaue Anzahl der Personen in der Villa hatte er leider keine Informationen. Seine Beobachtungen ließen vermuten, dass sich die Wachen nur außerhalb des Gebäudes aufhielten. Das bedeutete, er musste mit mindestens sechs Menschen in der Villa rechnen, inklusive der Frau. Patterson und Seibling stellten mit Sicherheit keine ernst zu nehmende Gefahr dar, aber Bill hatte nicht vor, Leichtsinn walten zu lassen. Zu viel stand auf dem Spiel. Er konnte es sich nicht leisten, die tagelange Vorbereitung zu gefährden.
Sein Auftraggeber hatte die Angelegenheit minutiös geplant. Am Flughafen in München hatte bereits ein Flugzeug auf ihn gewartet. Die Tatsache, dass er noch vor Seibling und Patterson in Portugal gelandet war, ließ sich dieser Umsicht seines Auftraggebers zuschreiben. Bei der Ankunft hatte ein Geländewagen für ihn bereitgestanden, vollständig ausgerüstet mit den modernsten technischen Spielereien, angefangen von den Nachtsichtgläsern bis hin zu einem kleinen, aber gefährlichen Arsenal von Waffen. Bill nickte grimmig in der Dunkelheit. Vorbereitung ist die halbe Miete. Entschlossenheit die andere Hälfte.
Mit einem letzten prüfenden Blick in ungefährer Richtung der weißen Villa zog er den Lageplan der bewachten Anlage aus seiner Tasche. Um die Wachen nicht durch das verräterische Licht einer Taschenlampe auf sich aufmerksam zu machen, zog er das Nachtsichtgerät wieder vor seine Augen. Er kam nicht umhin, erneut die Akribie seines Auftraggebers zu bewundern. Der Plan der Anlage war in einem Detailgrad abgebildet, der beinahe verschwenderisch wirkte. Selbst die offensichtlich erst vor kurzem errichteten Wellblechbaracken waren bereits eingezeichnet.
Insgesamt erwies sich die gesamte Anlage als gut gesichert, aber nahe der Klippe waren die Wachposten und Sicherheitseinrichtungen sehr spärlich gesät. Offensichtlich wurde nicht mit einem Eindringen von dieser Seite gerechnet. Ein eindeutiger Fehler, denn für Bill stellte die Klippe keine Hürde, sondern allenfalls eine Herausforderung dar. Und bislang hatte er sich noch jeder Herausforderung gestellt.
Sein Auftraggeber hatte es strikt abgelehnt, ihm den Zugang zur Anlage zu erleichtern, obwohl es mit Sicherheit für ihn ein Leichtes gewesen wäre, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Sicherheitsmaßnahme, hatte sein Klient am Telefon erklärt. Sein Auftraggeber kommunizierte lediglich telefonisch mit ihm, die Stimme bis zur Unkenntlichkeit elektronisch verzerrt. Bill konnte lediglich Vermutungen anstellen, welche Absichten sein Klient verfolgte. Fest stand nur; sein Auftraggeber wusste Details zu berichten, die aus dem näheren Umfeld der Zielpersonen kamen. Wahrscheinlich befand er sich in diesem Moment in der Basis, oder sogar in der Villa, mit den anderen Zielpersonen.
Der Kontakt war Bill vermittelt worden, von Männern, denen Bill bedingungslos vertraute, die seine Existenz aber dennoch jederzeit verleugnen würden, sollte er bei einer seiner Missionen versagen. So oder so, Bill agierte auf eigene Faust, vollends auf sich allein gestellt. Für den Fall eines Scheiterns durfte es keinerlei Verbindungen zwischen ihm und seinem Auftraggeber geben. Anonymität war in seiner Branche das einzige Versprechen, auf das sich alle Beteiligten verlassen können mussten. Eine Regel, die einsam machte.
Allerdings störte Bill das nicht. Ganz im Gegenteil. Er bevorzugte es, seine Aufträge allein durchzuführen. Lediglich für sich selbst verantwortlich zu sein, senkte die Anzahl möglicher Fehlerquellen signifikant. Und Fehler waren es, die den Unterschied zwischen einem erfolgreichen Auftrag und der ewigen Grabesruhe ausmachen konnten. Und Bill für seinen Teil hatte nicht vor, das Zeitliche in allzu naher Zukunft zu segnen.
Zwei, vielleicht drei Jahre noch, dann hatte er genug Geld beiseite gelegt, um seinen Job an den Nagel hängen zu können und fernab von allen kleinlichen Streitigkeiten und Konflikten der Menschheit seinen wohlverdienten Ruhestand zu genießen. Vielleicht an einem Fleckchen wie diesem hier, direkt am Meer, mit einem Sandstrand vor der Terrasse und dem unendlichen Ozean vor Augen. Er würde seine Tage damit verbringen, am Strand herumzulaufen, eventuell von Zeit zu Zeit einen Fisch zu fangen und ansonsten seine Gedanken frei treiben