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Wagens. Auch die Personenbeschreibung wäre eindeutig. Es war nur eine Frage der Zeit, bis mich die Behörden verhaften oder mich die Mörder des Mexikaners hinrichten würden.

      Jack Reynolds. Aus New York City, geboren am 18. September 1979. Das war alles, was ich über mich wusste. Und ich wurde gejagt. Aus einem Grund, den ich nicht kannte. Vielleicht hätte ich nicht danach suchen sollen, doch ich fühlte, dass es zu spät war. Viel zu spät.

      

      2

      New York City - 102 Miles.

      Ich war etwa zwanzig Minuten gefahren, als das Hinweisschild mir bestätigte, auf dem richtigen Weg zu sein. Die Straße zog sich in langgestreckten Kurven durch eine flache, wenig besiedelte Waldlandschaft und es war kaum zu glauben, dass in gut hundert Meilen eine der größten Städte der Welt auftauchen würde. Ein weiteres Schild zeigte mir den New York State Thruway an und es würde nicht mehr lange dauern, bis ich mich auf der Schnellstraße und dann in New York City befand.

      Ich drehte das Radio lauter und lauschte einem Popsong. Er gefiel mir, obwohl ich weder den Interpreten noch die Melodie kannte. Doch in erster Linie hatte ich das Radio eingeschaltet, um die Nachrichten zu hören. Erst, als kein Mord an einem mexikanischen Motelbesitzer erwähnt wurde, gewann ich ein sichereres Gefühl. Genau betrachtet lag nichts gegen mich vor. Zumindest nichts, was den Mord an dem Mexikaner betraf. Selbst die Aussage von Henry und seiner Frau sollte keine Großfahndung nach mir auslösen. Sie hatten doch gesehen, dass nicht ich die Schüsse abgegeben hatte und erst nach dem Mord auf die Hütte zuging. Aber auch wenn ich davon überzeugt war, dass die Polizei nicht nach mir als Mörder suchte, blickte ich dennoch wiederholt in den Rückspiegel und hielt Ausschau nach Einsatzwagen, die mich mit rot und blau blinkenden Lichtern verfolgen würden. Und jedes Mal atmete ich erleichtert auf, wenn sich in dem verschmierten Spiegel nur die von mir überholten Trucks zeigten.

      Es folgte ein Country-Song, der mich an den Lärm in der Rezeption des Motels erinnerte. Ich dachte nicht an den Mexikaner, auch nicht an die Autoschlüssel, die ich teuer zurückkaufen musste. Ich dachte an den Brandy. Wieder überkam mich diese Lust, diese Gier, diese Sehnsucht nach dem scharfen Duft, dem wunderbaren Bild, als die ölige Flüssigkeit den Glasrand benetzte. Ich spürte, wie mein Mund innerhalb weniger Sekunden austrocknete, meine Lippen spröde wurden und alles in mir nach diesem Glas schrie. Oder einer ganzen Flasche. Mein Gott! Eine volle Flasche Brandy und alles wäre gut. Doch wieder war dieses Nein! in meinem Kopf. Endgültig. Indiskutabel. Bevor mein Körper sich zur Rebellion bereit machen konnte, drehte ich das Radio ab und versuchte, dieses Glas voller Brandy aus meinen Gedanken zu scheuchen.

      Das dumpfe Dröhnen des Motors hatte eine beinahe hypnotische Wirkung auf mich. Ohne es zu merken, begann ich eine Melodie zu pfeifen. Meine Melodie. Ich hatte sie nicht vergessen. Es war eine wunderbare Tonfolge und ich hatte das Gefühl, dass mein Gehirn jede Sekunde die fehlende Information liefern würde. Ich begann, die Töne zu summen. Ja, dieses Lied hieß …

      Ich zuckte zusammen und trat auf die Bremse. Im Rückspiegel sah ich einen Einsatzwagen. Die Lichter am Dach blinkten. Die Sirene heulte mehrmals kurz auf. Ich wechselte auf die rechte Fahrspur und verringerte die Geschwindigkeit. Der Wagen überholte und bog nach rechts auf eine Parkfläche ab. Ich folgte ihm und war schon beinahe zum Stillstand gekommen, als mein Blick auf die Pistole fiel. Schnell schob ich sie unter den Beifahrersitz, kurbelte das Fenster nach unten und legte meine Hände auf das Lenkrad.

      Beide Türen des Einsatzwagens öffneten sich. Zwei Beamte stiegen aus und kamen langsam auf meinen Chevy zu. Vor der Kühlerhaube trennten sich ihre Wege. Der kleinere, drahtige Polizist ging zur Beifahrerseite und blickte in den Innenraum. Dann verschwand er aus meinem Blickfeld. Vermutlich ging er zum Heck des Wagens, um das Kennzeichen zu überprüfen. Der zweite Beamte baute sich neben meinem Fenster auf und blickte ebenfalls in den Innenraum.

      »Führerschein«, brummte er und legte die Hand auf die Dienstwaffe.

      »Ist in meiner Brusttasche«, informierte ich ihn. »Ich werde ihn jetzt herausholen.«

      »Langsam«, sagte er, zog die Pistole und zielte auf meinen Kopf. Mit meiner rechten Hand fasste ich betont vorsichtig an meine Innentasche, klappte die Jacke nach außen und zeigte dem Polizisten das Portemonnaie. »Okay«, brummte er, ohne die Waffe zu senken. Ich zog die Brieftasche aus der Jacke und reichte sie ihm. Erst als sich beide Hände wieder auf dem Lenkrad befanden, steckte er die Waffe in das Halfter zurück.

      »Jack Reynolds?«, fragte er und blickte abwechselnd in mein Gesicht und vermutlich auf das Foto des Führerscheins.

      »Ja«, antwortete ich. Ich wusste, dass sein Kollege meinen Namen in die Zentrale durchgab, um festzustellen, ob etwas gegen mich vorlag. Ein Mord, zum Beispiel. Oder eine Fahndung wegen eines Mordes, der vor etwa einer Stunde in einem Motel verübt worden war. Mein Herz klopfte spürbar und ich versuchte, jede sichtbare Aufregung zu verdrängen, indem ich mir wieder und wieder einredete, dass die beiden nicht so ruhig neben meinem Auto stehen würden, wenn sie diesen Chevy aufgrund einer Fahndung angehalten hätten. Nein. Sie wären mit gezogenen Pistolen auf mich zugestürmt, hätten mich aus dem Wagen geprügelt, meine Hände auf das Autodach geknallt und die Waffe gegen meine Stirn gedrückt. Dann hätten sie ihre Fragen gestellt. Wenn also in der Zentrale nichts – oder noch nichts – gegen mich vorlag, hatte ich nichts zu befürchten. Es sei denn, sie kamen auf die dumme Idee, unter den Beifahrersitz zu sehen.

      »Was haben Sie am Bein?«, fragte der Officer. Er reichte das Portemonnaie durch den Fensterrahmen. Die Frage, so plausibel sie auch war, kam unerwartet. Ich starrte auf meinen Oberschenkel und suchte nach einer Erklärung. Eine, die keine weiteren Fragen offen ließ. Wobei Ich weiß es nicht wohl nicht die Antwort war, die den Beamten zufriedenstellen würde. Dazu kam, dass jede Sekunde, die ich nachdachte, mich mit Sicherheit verdächtig machte.

      »Die Wunde«, sagte ich, als hätte ich mich erst durch seine Frage wieder an sie erinnert. »Ein Unfall«, fuhr ich fort und bemühte mich, gleichgültig zu klingen, wobei mir ein Gedanke durch den Kopf schoss, der mich möglicherweise in eine bessere Position hieven könnte. »Habe einem Freund geholfen. Beim Hausbauen. Und der Idiot hat mir einen Nagel in den Schenkel geschossen. Sie wissen schon, mit einer Nagelschuss-Pistole.«

      Unfälle beim Hausbau mussten Verständnis bei Männern hervorrufen. Und ich brauchte Verständnis, denn zunehmend hatte ich den Verdacht, dass mich die Polizei nur aus einem einzigen Grund angehalten hatte. »Ich bin dann sofort losgefahren … in Richtung Stadt … muss in ein Krankenhaus. Entschuldigen Sie, Officer, wenn ich zu schnell war. Aber dieses Ding …«, ich nickte zu meinen Beinen, »… brennt höllisch.«

      »Sieht schlimm aus«, brummte der Polizist und blickte zum Heck des Wagens. »Aber die Speedlimits gelten auch für verletzte Menschen. 65 Meilen pro Stunde und Sie waren mit 75 unterwegs.«

      »Ja, Officer. Tut mir leid. Wird nicht wieder vorkommen.«

      Der zweite Beamte stellte sich zum Fahrerfenster. Er murmelte seinem Kollegen etwas Unverständliches zu. Es klang nach einer Buchstabenkombination. Ähnlich wie NYPD, FBI, CIA oder NSA, wobei es keine dieser Abkürzungen war. Was immer der Polizist gesagt hatte, entlockte seinem Kollegen ein anerkennendes Nicken.

      »Okay, Mister Reynolds. Dann schauen Sie, dass Sie in ein Krankenhaus kommen. New York City braucht Sie. Gute Fahrt.« Er klopfte zwei Mal auf das Wagendach.

      »Danke«, sagte ich und versuchte zu lächeln, wobei ich nicht das Gefühl hatte, dass es mir gelang. Um nicht verdächtig zu wirken, blickte ich kurz zur Wunde. Er nickte und ging mit seinem Kollegen zum Einsatzfahrzeug.

      New York City braucht Sie. Was meinte er damit? Wen brauchte die Stadt New York? War ich ein Polizist? Nein. In diesem Fall hätte er mich als Officer betitelt. Was immer der Polizist vom Department erfahren hatte – es hievte mich in eine spezielle Position. Denn nicht nur, dass er mich nicht für die Geschwindigkeitsübertretung bestraft hatte, er wollte auch meine Wagenpapiere nicht sehen, die ich hätte suchen müssen, was mich mit Sicherheit in Schwierigkeiten gebracht hätte.

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