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Wasser in den Jahrmillionen, seit Branu sie auf die Erde geworfen hatte, einen Felsen freigelegt, der nun hoch über die Flüsse empor ragte. Dort oben thronte die Schwarze Burg und schaute über die Häuser, Brücken und Straßen der Hauptstadt. Errichtet aus Gestein, das so schwarz war, dass selbst eine sternenlose Nacht um sie herum wie ein warmer Mantel leuchtete. Manche behaupteten, dass Goiba selbst dem Nichts eine Form geben wollte und so diese Steine entstanden waren.

      An die Burg schlossen sich am westlichen Ufer der Klatsch und am südlichen Ufer der Klyr die Stadtmauern von Conchar an. Feinde, die die Stadtmauern abwehren könnten, gab es nicht mehr. Die Drachenkönige, einst Herren der Drachenberge hoch oben im Norden und für lange Zeit auch von ganz Haragor, waren längst besiegt. Die Königin der Ichtos, Herrin der Meere, war eine ergebene Vasallin des Herrschers und hatte sich tief in ihr nasses Reich zurückgezogen. Und alle Wesen der Ebene, von den Fürsten der Torak-Nomaden bis zu den Khans der Reitervölker der Großen Wüste hatten dem Einem, Flanakan, dem Großen, den Treueschwur mit ihrem Blut geleistet. So diente die Stadtmauer vielleicht doch eher dazu, den reichen Bewohnern der Hauptstadt das sichere Gefühl zu geben, dass nachts kein Gesindel aus den Dörfern hereinkam.

      Auf dem Hof der Schwarzen Burg, weit sichtbar über die Burgmauern hinaus, thronten die Galgen. Ein riesiger Galgen für die massigen Toraks, ein etwas kleinerer Galgen für die Menschen und ähnliche Wesen. Es gab sie nämlich noch – Gesetzlose, Unverbesserliche, Aufständische, die den Frieden, den Flankan dem Land gebracht hatte, nicht zu schätzen wussten. Die Schergen spürten sie auf und brachten sie auf die Burg. Was dort mit ihnen geschah, wusste keiner genau. Aber lebend hatte noch keiner, der von den Schergen aufgegriffen worden war, die Burg wieder verlassen.

      Laoch, der Oberste der Schergen, erster Beschützer von Flanakan, dem Großen, schloss hinter sich leise die Tür, die zum Audienzsaal des Allmächtigen führte und trat hinaus auf den Gang. Anfang des Monats musste Laoch dem Herrscher immer Bericht über mögliche Umtriebe und Aufstände in seinem doch nicht gerade kleinem Reich erstatten.

      Laoch nestelte am Kragen seiner Uniform herum, in der Gegenwart des Herrschers wurde es selbst ihm etwas eng an der Kehle. Daraufhin strich er mechanisch nicht vorhandene Falten glatt, atmetet ruhig ein und aus und ging dann entschlossen den Gang entlang. Er war groß und blond, dabei eher schmal gebaut. Seine Gesichtszüge, die von einer ansehnlichen Hakennase dominiert wurden, waren hager und kantig. Man konnte sich nicht vorstellen, dass er jemals lachte.

      Als Laoch an der Küche vorbeikam, einem Ort, in dem die Betriebsamkeit eines Bienenstocks herrschte, erstarrte für den Bruchteil eines Augenblicks alle Bewegung. Suppenlöffel blieben in der festen Masse bewegungsloser Flüssigkeit stecken. Dampfschwaden stoppten ihren Flug zum Abzug. Mäuse fixierten still mit aufgerissenen Kiefern verschimmelte Käserinden. Die Torak-Köche vergaßen das Atmen. Solche Augenblicke liebte Laoch. Die Angst. Vor ihm. Dem Obersten der Schergen. Er lächelte, während sein Blick über das eingefrorene Leben glitt, holte eine imaginäre Peitsche heraus und ließ sie über den Köpfen tanzen. Die Gerte seiner Allmacht schnalzte und schon ging das Leben weiter. Menschen und Toraks atmeten wieder und die Elemente folgten wieder den Gesetzen der Götter.

      Laoch dachte an die Audienz. Ab und zu kam es vor, dass Tsarr, Oberste Gova Haragors und erste Beraterin von Flanakan, eine Vision hatte. Und diese Visionen der Priesterin von Goiba hatten sich bisher immer als wahr erwiesen. Wenn Tsarr ihn mit ihren durchdringenden Augen ansah und ihr linker Mundwinkel leicht zuckte, dann wusste Loach, dass ihre Visionen auf jeden Fall wahr sein mussten. Im Zweifelsfall war er derjenige, der der Vision zu ihrer manifesten Gestalt verhelfen musste. Zeugen, Beweise, Realität, die Variationen möglicher Wahrheiten, alles konnte erschaffen werden. Zusammen mit Sorb, dem Foltermeister, hatte er Tsarr noch nie enttäuscht.

      Diesmal hatte die Sonnenfinsternis der Gova eine besondere Vision geschenkt. Normalerweise ging es um so banale und dann doch wieder bedeutsame Dinge wie zum Beispiel die Ursache der Magenverstimmung des Herrschers. Schnell fanden sich dann Zeugen und Beweise, dass einer der Torak-Köche absichtlich in die Suppe geniest hatte, und nach einer meist eher kurzen Unterredung mit Sorb schleppte sich der Schuldige gefügig zum Galgen. Oder einer der Govans bildete sich ein, ein Junge, den er in einem Korb vor seiner Tür gefunden hatte, wäre nun der rechtmäßige Herrscher Haragors und von Branu selbst gesandt. Meist wurde dieser Govan noch bevor er besagtes Körbchen überhaupt gefunden hatte, von den Schergen abgeholt. Schließlich hatte Tsarr ihn ja in seiner Untat visioniert. Dass besagter Govan dann vielleicht mehrmals in aller Öffentlichkeit an die Existenz Branus, den Schöpfer, erinnert hatte, war natürlich reiner Zufall. Man konnte ja niemanden verbieten, an die Existenz von Branu und seinen Brüdern zu glauben. Meist gestand dann dieser Priester nach einem intensiven Gespräch mit Sorb munter, dass er bereits öfters von so einem Körbchen geträumt hatte. Allerdings gingen diese Govans dann meist nicht so folgsam wie die tumben Toraks zum Galgen. Aber Sorb hatte ja noch die große Axt, die ihren Dienst auch sehr gut versah.

      Das waren doch schöne, gute und vor allen Dingen konkrete Visionen. Darauf konnte sich Loach einstellen. Ein Magenverstimmung, ein Körbchen. Aber diesmal war die Vision der Priesterin sehr verschwommen gewesen. Irgendwas mit den drei göttlichen Brüdern. Meine Göttin, dachte Laoch, das konnte ja alles mögliche sein. Dass die drei göttlichen Schwestern ihre drei göttlichen Brüdern am liebsten den Hals umdrehen würden, war sowieso klar. Und dass sich daher die Anhänger von Goiba, Credna und Luchta mit ihren Gegnern, den Anhängern von Branu, Charu und Charabnu nicht gerade grün waren, war auch logisch. Aber nach Laochs Erfahrung war den meisten Menschen, Toraks und sonstigen Wesen der ganze Götterkram viel zu kompliziert und sie suchten im Zweifelsfall doch lieber den Trost bei einem guten Krug Schoff, als sich um religiöse Feinheiten zu kümmern. Was um der Göttinnen Willen, sollte also nun Loach mit dieser diffusen Aussage anstellen? Er hasste es, wenn Unklarheiten in seinem Leben sich ausbreiteten. In den meisten Fällen konnte er selbst die Fakten schaffen, indem er die Sachen dann einfach klarstellte. Als Oberster der Schergen hatte er da einige Möglichkeiten. Aber diesmal war alles komplizierter. Loach stöhnte. Was musste er liefern? Einen größenwahnsinnigen Govan, der glaubte, Drachen herbeizaubern zu können? Vielleicht eine magische Waffe, die selbst in der Schwarzen Burg gefürchtet wurde? Oder ein Jemand, der es wagen würde, Flanakan und Tsarr herauszufordern? Obwohl, das schien dann doch so gut wie unmöglich. Aber die Vision der Obersten Gova war so diffus, das alles möglich schien. Laoch aber brauchte etwas Konkretes. Ob er mal kurz im Folterkeller vorbeischauen sollte, ob sich nicht da vielleicht eine Lösung fabrizieren ließe?

      Der Oberste Scherge hatte Glück. Sorb, Oberster Foltermeister der Schwarzen Burg, hatte gerade einen dieser fetten Toraks auf die Streckbank geschnallt. Die anderen Gerätschaften, die in der Halle verteilt waren, waren zurzeit nicht besetzt. Kein Delinquent, dem man gerade in die Eiserne Jungfrau half. Auch der bequeme Sessel, an denen man den Gästen die Fingernägel herauszog, war leer. An sich ein gutes Zeichen, dass so wenig los war, denn das hieß, dass Ruhe im Reich herrschte. Andererseits auch ein wenig langweilig, fand Laoch. Wenigstens zitterte der gute Torak, der sich gerade in der Fürsorge von Sorb befand, doch schon recht heftig, obwohl die Ketten nur leicht angespannt waren.

      »Einer deiner Männer hat ihn aufgegriffen, als er auf der Straße vor dieser Torak-Kneipe, dem Knochenbruch, etwas lauter wurde«, sagte Sorb, ohne sich umzudrehen, während er ein wenig Öl in die Mechanik der Streckbank träufelte. »Er kommt wohl nicht aus Conchar.«

      »Und mein Bester, was treibt dich in die Hauptstadt?«, fragte Laoch und warf dabei einen vielsagenden Blick zu dem Kohlebecken, in dem schon einige Messer glühten.

      »War alles nur so dahin gesagt, hatte keine Bedeutung«, grummelte der junge Bursche. In diesem Alter rißen die Toraks gerne das Maul auf. Hahnenkampf. Sich auf die Brust hauen. Vor den Torak-Mädchen eine gute Show abliefern.

      »Und was hast du nur so dahingesagt?« Laoch konnte sehr höflich wirken.

      »Weiß ich nicht mehr…«.

      »Was sagt denn mein Scherge?«, fragte Laoch nun zu Sorb gewandt.

      »Die Arbeit sei zu hart auf den Feldern. Das Essen zu schlecht. Und die Holzpritschen zu hart.«

      »Wie bitte? Ein junger, kräftiger Torak wie dir ist die Arbeit zu hart?«

      »Wir

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