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besiedelt. Im Winter haben sie vor ihren warmen Öfen gesessen und zu Goiba gebetet, dass sie sie mit ihrer tödlichen Kälte verschonen solle. Die Toraks haben ihnen das Fleisch und Fell ihrer Tok-Rinder geliefert, aber auch die groben Werkzeuge wie Pflugscharen und Spitzhacken. Die Menschen sind Kleinbauern und geschickte Handwerker gewesen. Sie haben Obst und Rüben, aber auch Schmuck und Pfeilspitzen mit den Toraks getauscht. Doch irgendwann sind es immer mehr Menschen geworden. Ihre fruchtbaren Täler wurden zu eng. Sie begannen die kargen Böden der Ebene mit Winxgras zu bestellen, das nur einen mageren Ertrag brachte, aber das einzige Getreide war, das man hier anbauen konnte. Zugegebenermaßen verstanden die Menschen es, ein hervorragendes Schoff aus dem Winxgras zu brauen. Aber je mehr Winxgras sich über die Ebenen erstreckte, desto enger war es für die Tok-Rind-Herden der Toraks geworden. Heutzutage konnten die Toraks ihr nomadisches Leben nur noch an den äußersten Rändern der Ebene fortführen, von den Ausläufern der Drachenberge im Norden bis zu den Grenzen der Großen Wüste im Süden. Und viele Toraks waren inzwischen in die Dienste der Menschen getreten. Oft für die körperlich schweren Arbeiten auf dem Feld oder auch auf den Höfen, in denen die Menschen nun ihre eigenen Tok-Rinder eingepfercht hatten.

      Von Anfang an haben sich die Menschen den Toraks überlegen gefühlt. Die Toraks, die es gewohnt waren, sich den Launen der Natur zu beugen, haben es mit sich geschehen lassen. Aber auch wenn die Menschen mit ihren kleinen, flinken Händen vielleicht die besseren Handwerker waren, hieß das noch lange nicht, dass sie auch schlauer waren. Die besseren Schmiede waren die kräftigen und hitzeresistenten Toraks schon immer gewesen. Aber das Gleichgewicht zwischen den ehemaligen Nomaden und den Talbewohnern hatte sich im Lauf der Generationen zugunsten der Menschen verschoben. Aus Hochmut wurde Verachtung, aus Demut Angst. Für Wallas und einige andere war diese Situation inzwischen unerträglich geworden.

      Als Kard vom Markt zurückkehrte, wirkte er fröhlich, aber gleichzeitig verwirrt. Madad, sein bester Freund, ein Cu, wedelte mit dem Schwanz und tanzte dabei auf allen Vieren.

      »Yo, Kard, du siehst aus, als ob du mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen bist. Hast du einen Hitzschlag oder was ist los?«

      Kard schien die Worte Madads zu hören, aber sie gingen durch ihn hindurch, ohne dass er sie wirklich registrierte. Madad schaute seinen Freund auffordernd an, aber Kard schien nicht in der Stimmung, mit dem Cu zu spielen. Und offensichtlich versuchte er auch Wallas aus dem Weg zu gehen. Hätte er noch die Schulbank gedrückt, hätte Wallas vermutet, dass er gerade eine schlechte Note kassiert hatte. Oder dass er wegen irgendeinem Unsinn zur Obersten Gova geladen worden war. Kard tänzelte zwischen den Ambossen und Werkbänken umher, als ob er nachsehen wolle, ob seit seinem Aufbruch heute Morgen noch alle Werkzeuge und Metallteile vorhanden waren. Er hatte nach einer kurzen Begrüßung jeden Blickkontakt mit Wallas vermieden.

      »Wie war es auf dem Markt?« Der Torak saß auf einem Schemel in der Ecke, den Blick auf eine Messerschneide gerichtet, die er gerade polierte.

      »Oh, nicht viel los. Die Hitze. Die Leute bleiben lieber zu Hause. Waren auch nur wenige Händler da.« Kard blickte zwar in Richtung von Wallas, hatte aber mehr mit der Wand hinter dessen Rücken gesprochen.

      »Und?«

      »Und, was?«

      »Konntest du trotzdem ein paar unserer Sachen verkaufen?« Wallas hatte aufgehört, das Messer zu polieren und schien nun das Ergebnis seiner Arbeit zu prüfen.

      »Äh, nun ja…« Kard kratzte seine flaumigen Bartstoppeln unter seinem rechten Ohr. »Weißt du, die Alte aus den Drachenbergen war auch da. Du weißt schon, die, die damals dabei war, als du mich aus dem Waisenhaus mitgenommen hast.«

      »Die Gova, ich weiß schon, wen du meinst.« Wallas hatte inzwischen seinen mächtigen Schädel gehoben und schaute Kard neugierig an.

      Kard zog eine Grimasse, hielt die Luft an, wackelte mit dem Kopf und versuchte dem Blick von Wallas auszuweichen. »Na, ja, ich glaube, sie hat mich verhext. Sie hatte dieses Amulett, weißt du. Sie hat behauptet, es wäre ein echter Drachenzahn. Aber das kann ja gar nicht sein, es gab ja nie Drachen, oder? Wie auch immer. Plötzlich hatte ich dieses Ding hier um den Hals und sie hatte drei unserer Schaufelblätter. Ich werde sie dir irgendwie bezahlen. Ich wollte es nicht, aber irgendwie ist es geschehen. Tut mir leid.«

      Wallas sagte erstmal nichts und schaute Kard ernst aber nicht ärgerlich an. »Ein Drachenzahn, sagst du?«

      »Ja, so ein Stein, der aussieht wie ein Zahn und sie hat behauptet, es wäre ein Drachenzahn. Jetzt komme ich mir schon irgendwie dämlich vor.«

      »Dann geh doch zurück, sag ihr einen schönen Gruß von Wallas, dem Schmied, gib das Amulett zurück und hol dir die Schaufelblätter wieder.«

      »Äh, nein…« Kard hatte den Blick wieder gesenkt. Sein Oberkörper wirkte angespannt. Er tänzelte auf den Fußballen. »Weißt du, Wallas, das Komische ist, jetzt möchte ich das Amulett schon behalten, ob Drachenzahn oder nicht, aber, wie soll ich sagen, ich habe schon das Gefühl, das es zu mir passt. Vielleicht ist es ja auch ihre Hexerei, keine Ahnung. Aber sicherlich, da glaube ich ihr schon, kommt es aus den Drachenbergen, du weißt schon, da komme ich ja auch irgendwie her, nur das ich nicht genau weiß, wer meinen Eltern waren, irgendwie…«

      »Darf ich es mal sehen?« Wallas musterte den Jungen forschend.

      »Ja, klar, hier schau.« Kard nahm das Amulett von seinem Hals und ließ es in die mächtige Handfläche des Toraks gleiten.

      »Ein Drachenzahn soll das also sein? Sieht für mich fast aus wie Minas-Erz mit diesem bläulichen Schimmer.« Dann warf Wallas das Amulett mit einem gezielten Wurf direkt in eine der Essen, in denen unter der erkalteten Oberfläche immer noch die Kohlen glühten. Kard gab ein dumpfes Knurren von sich, sprang mit einem riesigen Schritt hinterher und hätte beinahe mit bloßen Händen danach gegriffen. Gerade rechtzeitig erinnerte er sich offensichtlich, dass es ratsam war, hier doch eine Zange zu benutzen. Geschwind packte er das Amulett, das Lederband war längst verbrannt, und hievte es aus der Glut. Dann stand plötzlich Wallas hinter ihm und beide betrachteten den schwarzen Zahn, den Kard völlig unverändert aus der Schlacke gezogen hatte.

      »Überlege dir irgendwas, wie du die Schaufelblätter ersetzen kannst«, brummte Wallas und verschwand dann ohne weitere Worte nach draußen. Die meisten Metalle veränderten wenigstens die Farbe, wenn sie einige Sekunden der Hitze glühender Kohlen ausgesetzt waren. Wenn etwas diese Hitze ohne irgendwelche Anzeichen überstand, war dies meist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Zauberei im Spiel war. Wallas sollte es wissen, er war nicht ganz unerfahren in den Fragen der Magie.

      Inzwischen wurde es langsam Abend und die Sonnenscheibe würde bald hinter dem Horizont verschwunden sein. Wallas verabschiedete seinen Gott und wartete geduldig darauf, dass Goiba die Herrschaft über die Welt übernahm.

      Drachen, dachte Wallas, während er draußen vor der Schmiede in den sich verdunkelnden Himmel schaute. Die waren schon vor vielen Jahrzehnten aus diesem verfluchten Land verschwunden. Inzwischen erzählten nur noch die alten Sagen von diesen Tagen. Früher, vor der Großen Schlacht, in der Alten Stadt am Fuß der Drachenberge, hatten einst die Drachenkönige regiert, ein schwarzer Drachen auf rotem Grund war ihr Banner gewesen. Bis Flanakan kam. Mit den Oguls. Magische Giganten aus den Tiefen der Berge, die er sich mithilfe der mächtigen Tsarr dienstbar gemacht hatte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, er, Wallas, einst Wafenschmied unter dem letzten Drachenkönig. Jetzt herrschte Flanakan mit eiserner Hand über Haragor, unbarmherzig, grausam, machtbesessen. Und die Toraks waren für ihn Lebewesen zweiter Klasse. Eine Wache zögerte nicht lange, wenn ein Torak wagte, Widerworte zu geben. Ein toter Torak war eine Aufgabe für die Abdecker, mehr nicht. Es wurde Zeit, den Wachen ihre Grenzen aufzuzeigen.

      *

      Kard hatte sich nach dem anstrengenden Markttag auf seine Pritsche im Keller der Schmiede gelegt und war eingeschlafen. Als er jetzt wach wurde, spürte er, dass die Sonne gerade unterging. Dass er den Lauf der Sonne wahrnehmen konnte, auch wenn er sie nicht mit den Augen sah, war nicht neu. Neu war aber dieses dunkle kalte Pochen auf seinem Brustbein, das seine Sinne zu schärfen, sein Bewusstsein klarer zu machen schien. Er reckte sich, schüttelte seine schwarzen Locken und hievte seine schmalen

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