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ausgesprochen hatte.

      »Ein Schwert?« Auch der Govan schluckte. So etwas sahen die Schergen tatsächlich nicht so gerne.

      »Ja, Wallas sagt, meine Lehrzeit sei jetzt zu Ende und das Gesellenstück sei nun einmal ein Schwert. Aber ich habe mich umgehört. Ich kenne keinen Schmied, der jemals ein Schwert geschmiedet hat! Nicht, seit Flanakan herrscht. Also schon ewig lange.«

      »Aber warum lässt er dich nicht eine schöne Spitzhacke machen? Oder einen Gartenzaun?«

      »Wallas meint, ich sei besonders. Was mich wirklich freut, dass er das sagt. Aber ich würde auch lieber eine Schaufel, einen Hammer, von mir aus noch eine Zange oder eine Spitzhacke machen. Aber da ich der einzige Mensch weit und breit bin, der in den Schmieden der Toraks ausgebildet wird, soll es wohl dieses verdammte Schwert werden.«

      Es stimmte, dass Kard etwas Besonderes war. Die Toraks, fast doppelt so groß wie normale Menschen und erstaunliche Muskelberge, waren mit einer unendlichen Gelassenheit gesegnet. Sie konnten Temperaturen aushalten, bei denen Menschen austrockneten wie Dörrpflaumen. So hatten sie ein Monopol als Grobschmiede, in deren Werkstätten große Essen standen, die eine derartige Hitze absonderten, dass Menschen einfach ohnmächtig wurden. Oder sich zumindest alle Finger verbrannten. Nur Kard nicht, weiß Branu, wieso? Der Govan hatte sich schon immer gefragt, wieso dieser Waisenjunge nicht einfach Korbflechter oder Schuhmacher geworden war, irgendein Gewerbe, das den normalen menschlichen Anlagen entsprach. »Aber Wallas ist ein ehrenwerter Bürger. Vertraue deinem alten Meister, er ist ein weiser Mann!«

      »Aber Wallas selbst sagt, dass ich es niemanden erzählen soll. Es ist nicht nur einfach ein Schwert, weißt du?«

      Der Junge war jetzt in Schnappatmung übergegangen, verzweifelt knotete er seine Finger. Bäcker, das wäre doch ein guter Beruf für diesen Jungen gewesen. Aber nein, das Schicksal hatte ihn in die Schmiede eines Toraks geführt. Der Diener des allwissenden Branu sah Kard nun fragend an.

      »Es soll ein Minas-Schwert werden«, flüsterte Kard kaum hörbar und mit weit aufgerissenen Augen.

      Es dauerte eine Weile, bis der Sinn dieser Worte in das Bewusstsein des alten Priesters gedrungen war. Der Govan sah nach oben, die gesegnete Scheibe schien unter den zuckenden Strahlen der Sonne hin- und herzuspringen. Ein Minas-Schwert? Das war einfach alles zu viel. Dieser Junge mit seinen penetranten Fragen. Die Erwähnung von Flanakan. Ein Schwert. Die Schergen. Und jetzt auch noch Minas, das heilige Erz von Branu. Dem Govan wurde Schwarz vor Augen. Dann sank er ohnmächtig in sich zusammen.

      *

      Trotz der sengenden Hitze, die auch noch am Tag nach der Sonnenfinsternis bleiern über Conchar lag, hatten sich die Bauern aus der Umgebung auf dem Marktplatz versammelt. Dazu kamen die fahrenden Händler, die aus allen Ecken Haragors in die Hauptstadt kamen und die sich nun am Fuß der Schwarzen Burg, Residenz von Flanakan, gesammelt hatten. Im Schatten dieser Festung, die hoch über den Köpfen der Bürger thronte, war es an diesen Tagen halbwegs erträglich. Solange man nicht nach oben schaute. Und sich vorstellte, was wohl hinter den Mauern gerade geschah. Wer gerade einem strengen Verhör unterzogen wurde. Mit Streckbank und Daumenschrauben und diesen ganzen Gerätschaften, deren Zweck selbst der Foltermeister manchmal vergessen hatte.

      Aus den Drachenbergen weit im Norden Haragors waren an diesen Tagen die Holzhändler und Kürschner angereist. Ihre robusten Wagen, mit denen sie tagelang, wenn nicht sogar wochenlang unterwegs gewesen waren, um endlich hier in Conchar ihre Waren anpreisen zu können, waren schmucklos aber funktional. Sie dienten den Händlern nicht nur zum Transport, sondern auch als Schlafstätte und Wehrburg. Denn in den weiten Wäldern der Drachenberge trieben sich überall Faols herum, die wilden und ungezähmten Vorfahren aller Hunde. Nur dass sie doppelt so groß, doppelt so schlau und doppelt so wild wie die größten Hütehunde waren. Sie jagten in Rudeln und wenn sie einmal eine Spur aufgenommen hatten, gab es kein Entkommen. Außerdem gab es in den Wäldern auch die grausamen Wahter, die einem meist nicht nur die Münzen, sondern gleich das ganze Leben nahmen. Obwohl diese Wahter einem Mann nur bis zum Bauchnabel reichten. Kaum zu glauben, dass diese pelzigen Wesen so brutal waren. Einige der grobschlächtigen, bärtigen Männer aus dem Norden erzählten sogar, dass sich immer noch Oguls, riesige magische Wesen aus den Tiefen der Berge, in den Wäldern herumtrieben. Vielleicht waren sie aus dem Labyrinth der Höhlen an die Oberfläche getrieben worden, wenn unterirdische Lavaströme alles überflutet hatten. Oft zwinkerten diese begabten Geschichtenerzähler allerdings bei ihren Ausführungen dermaßen heftig mit den Augen, dass man nicht mehr wusste, wie ernst sie das alles meinten. Genauso hätten sie erzählen können, sie hätten weit hinten am Horizont, weit hinter der Rauchsäule von Branubrabat, dem Heiligen Vulkan, die Schatten von Drachen gesichtet. Was natürlich unmöglich war. Ein guter Erzähler konnte allerdings immer hoffen, von seinen neugierigen Zuhörern das ein oder andere Schoff spendiert zu bekommen, damit die Zunge nicht austrocknete und weiterhin von dieser fernen Welt berichtete. Da so mancher dieser Händler stolz die Narben präsentieren konnte, die er sich beim Kampf gegen die ausgehungerten Rudel der Faols oder gar beim Schwertkampf mit blutdürstigen Wegelagerern geholt hatte, war an ihren Worten im Grunde nicht zu zweifeln. Und falls sie ihre Taten und Erlebnisse ein wenig ausschmückten, war dies ihren erlebnishungrigen Zuhörern nur recht.

      Auch einige Ichtos, die Halbkiemenatmer aus dem Inselreich im östlichen Meer, hatten es gewagt, bei dieser Hitze zum Markttag zu kommen. In ihren riesigen Holzbottichen tummelten sich lebende Fische. In großen Laufrädern trotteten Hunde geduldig und trieben damit die Blasebälge an, die Luft in die Bottiche blies, damit die Fische nicht erstickten. Riesige bunte Sonnensegel überspannten ihre Stände, weit sichtbar über den ganzen Marktplatz. Und wer sie bisher immer noch nicht wahrgenommen hatte, wurde spätestens bei den schrillen Schreien der Ichtos auf sie aufmerksam. Die Halbkiemenatmer wollten schließlich ihre Ware schnell loswerden, bevor sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen das Zeitliche segnete.

      Sogar ein einsamer Fasach aus der im Süden gelegenen Großen Wüste saß geduldig neben seinem gewaltigen Murr und bot auf einer Decke getrocknete Früchte und Echsenleder an. Letzteres war insbesondere bei den Schmieden beliebt, denn das Echsenleder aus der Großen Wüste war extrem hitzebeständig und gut geeignet für die Blasebälge, die in den Schmieden die Essen anheizten. Fasziniert betrachtete Kard die riesigen Murrs mit ihrer dicken grauen Haut und ihren kurzen Beinen. Diese Tiere schienen ein anderes Zeitgefühl zu haben. Jedenfalls bewegen sie sich immer sehr langsam.

      Doch die meisten Händler kamen aus den weiten Ebenen rund um Conchar und boten alles an, was sich aus Winxgras herstellen ließ. Von geflochtenen Körben bis zu Brot und Schoff. Oder es waren die Bauern von den Tok-Rind-Höfen, die Fell, Fleisch und Käse anboten. Da sie meist abends in ihre nahegelegenen Dörfer und Gehöfte zurückritten, waren sie mit leichten, einachsigen Gespannen angereist. Ihre Tok-Rinder, die ihnen als Zugtiere dienten, lagen wiederkäuend im spärlichen Schatten der Wagen.

      An normalen Tagen huschten die Einwohner Conchars wie aufgeregte Hühner zwischen den Ständen umher. Aber bei dieser Hitze schlurften nur einige müde Gestalten herum. Man hörte auch nicht wie sonst die Händler, die in allen Stimmlagen ihre Ware anboten, um sich dabei in einem Wettstreit von Lautstärke und Tonlage die Aufmerksamkeit ihrer Kunden zu sichern. Sogar die Schrille Makrele, niemand konnte penetranter und ohrenbetäubender die Vorzüge frischer Fische anpreisen, hielt ihre Kiemen geschlossen. Nur ein leichtes Sirren war zu hören, es stammte von verzweifelten Insekten, die wie Trauben in den Schattenzipfeln der Marktstände in winzigen Spiralen fortwährend um sich selbst kreisten. Und ein trockener, heißer Wind sang sein langsames, auf- und abschwellendes Lied.

      Kard, der tags zuvor seine verzweifelte Beichte bei dem überforderten Priester abgelegt hatte, schlich mit gesenkten Kopf durch diese hypnotisierende Stille. Das Gespräch mit dem Govan, hatte ihn nicht wirklich beruhigt. Dieses verdammte Minas-Schwert! Kard wünschte sich nichts mehr, als Schmied zu werden! Aufgenommen zu werden in die Zunft der Schmiede. Er beglückwünschte sich jeden Tag, dass ihn Wallas als Lehrling angenommen hatte. Das war besser gewesen, als in die Grasballmannschaft des Waisenhauses berufen zu werden. Zum ersten Mal im Leben hatte etwas für ihn Sinn ergeben. Das Feuer! Das Metall! Wie er es formte, wie letztendlich zum Beispiel eine Spitzhacke daraus entstand. Kard hatte das Gefühl, etwas gefunden zu haben, was zu

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