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ehemaligen Frankfurter gegangen. Es waren Güter wie etwa das Rittergut des jüdischen Verlegers Schocken in Winkel bei Fürstenwalde oder Schniebinchen-Jessen bei Sommerfeld, wo die Jugendlichen meist halbtägig in der Landwirtschaft arbeiteten, um nachmittags und abends dann in Schulungskursen mit der hebräischen Sprache, Geographie Palästinas, jüdischer Geschichte und Religion vertraut gemacht zu werden. Vielfach leisteten die Jugendlichen auch bei Bauern der Umgebung schwere und schlecht bezahlte Arbeit. Neben den Lagern für landwirtschaftliche Ausbildung gab es auch die städtische Einrichtung des Beth Chaluz, des Pionierhauses. Dies waren Wohnungen, in denen die Jugendlichen ähnlich wie in den späteren Kommunen lebten, allerdings strikt nach Geschlechtern getrennt. Tagsüber gingen sie zur Ausbildung bzw. zur Arbeit, die Jungen meist in Handwerksbetriebe, die Mädchen in Kinder- und Säuglingsheime, Krankenhäuser oder Hauswirtschaftsschulen. Nach der Arbeit waren auch hier Unterrichtsstunden vorgesehen. Für den, der die strenge Disziplin und die Strapazen der Hachschara-Lager nicht ertragen konnte oder wollte, bot sich auch die Möglichkeit, in „Einzelhachschara“ bei einem Bauern oder Handwerker sich ausbilden zu lassen. So verließ etwa Eugen Berlowitz das Lager in Schniebinchen und ging nach Dänemark, wo er bei einem Bauern arbeitete, bis der drohende Zugriff der Gestapo ihn wie die meisten anderen in Dänemark befindlichen Juden in Schweden Zuflucht suchen ließ.

      Gerson jedoch wollte nicht warten, bis alle „Werkleute“ durch die Hachscharalager geschult ausreisen konnten. Die ersten "Werkleute" waren 1933 schon bereit, sofort nach Palästina zu gehen. Gerson organisierte es, dass diese die Hachschara im Lande selbst in dort bereits bestehenden Kibbuzim absolvieren konnten. Er bestimmte im Übrigen, dass auch die in Deutschland Ausgebildeten erst in befreundeten Kibbuzim sich an die Bedingungen der Arbeit im Lande gewöhnen, vor allem auch lernen sollten, sich schon hebräisch zu verständigen, bevor die Gründung eines eigenen Kibbuz eingeleitet wurde. Zu den ersten Werkleuten, die mit der Jugend-Alijah schon im Oktober 1933 nach Palästina gingen, gehörte Ernst Nehab, Sohn des uns bereits bekannten Rechtsanwalts. In seinen Berichten schildert er anschaulich die schwie­rige Eingewöhnung in das Kibbuzleben.

      Man muss sich in der Tat vorstellen, wie schwer es den oft verwöhnten Kindern großbürgerlicher Familien fiel, die zuhause an Kindermädchen, Köchin und Chauffeur gewöhnt waren, sich nun an das raue Leben, die schwere Arbeit und das ungewohnte Klima in Palästina anzupassen. Im Gegensatz zu den Ostjuden und anderen Gruppen von Einwanderern gab es in Palästina noch kein Netz von einheimischen deut­schen Juden, welches die Neuankömmlinge auffangen und mit den Gegebenheiten einigermaßen vertraut machen konnte. Bis 1933 hatten sich nur etwa 2000 deutsche Juden in Palästina niedergelassen, viel zu wenig, um den Scharen der Neuankömmlinge eine Stütze sein zu können.

      Diese waren vielmehr auf die Ostjuden angewiesen, die den Stamm der Kibbuzniks, der Kibbuzgründer ausmachten. Sie sprachen jiddisch in verschiedenen Dialekten oder hebräisch, was die Deutschen entweder nur mit Mühe oder gar nicht verstanden. Schon von der Herkunft her war die Mentalität eine ganz andere, sie kamen aus dem städtischen oder ländlichem Proletariat Osteuropas und begegneten den bürgerlichen deutschen Juden zumeist mit Herablassung. Dass diese dennoch die schwere und ungewohnte Arbeit der Urbarmachung meist unkultivierten oder versumpften Landes unter unbeschreiblich schwierigen Bedingungen gemeistert und eine staunenswerte Aufbauarbeit geleistet haben, hat sie mit Recht stolz gemacht. Dies betrifft nicht nur die Männer, die jungen Frauen sahen sich den gleichen Anforderungen gegenüber.

      Was hier geleistet wurde, erkennt jeder, der heute den von den "Werkleuten" 1936 gegründeten Kibbuz Hasorea im westlichen Jesreel-Tal südöstlich von Haifa besucht. Als die Werkleute hier ankamen, gab es keinen Baum, nur Steine, Geröll und Morast. Sechzig Jahre später ist eine parkähnliche Anlage mit hübschen Einfamilienhäusern, Schwimmbad und blitzsauberen Gemeinschaftshäusern entstanden. Der Stolz auf das Geleistete glich den nach herkömmlichen Maßstäben sozialen Abstieg der Einwanderer aus. Doch waren die Maßstäbe der israelischen Gesellschaft andere. Auch die Arbeiter, die Kibbuzniks, wahrten und wahren dort stets ein kulturelles Niveau, das Standesunterschiede einebnet.

      Überraschend ist die Zahl der Frankfurter Juden, die nach ihrer Emigration außergewöhnliche Karrieren machten. Der Frankfurter Rechtsanwalt Heinrich Aronheim, mit der größten Kanzlei in Frankfurt, war Zionist und hatte schon früh ein Grundstück in Palästina erworben. Er nahm seinen ältesten Sohn, den vierzehnjährigen Hans Josef schon 1933 aus dem Friedrichsgymnasium und schickte ihn nach Palästina, wo er die Schule fortsetzen konnte. Während der arabischen Unruhen errictete dieser 1938 mit andern Studenten deutsch-jüdischer Herkunft eine Turm-und-Palisaden-Siedlung6, das Kibbuz Alonim in Westgaliläa. Diese Siedlungen wurden in einer Nacht aus Fertigteilen mit Wachtturm und Pallisade erbaut, um arabischen Angriffen oder englischen Maßnahmen zuvorzukommen. Hans besuchte dann die hebräische Universität in Jerusalem und wurde als Jochanan Aharoni ein berühmter Archäologe, Direktor des archäologischen Instituts der 1956 neu gegründeten Universität von Tel Aviv. Der zweitälteste Sohn, Hermann, ging zur englischen Armee und später zum Moschad, dem israelischen Geheimdienst. Nach 1960 wurde er als Zvi Aha­roni der Welt bekannt als derjenige, der nach früheren fehlgeschlagenen Versuchen Eichmann endlich aufspürte und nach Israel vor Gericht brachte. Heinrich Aronheim selbst sah Erez Israel nicht mehr, er starb 1937 an Krebs.

      Viele junge Juden verließen freiwillig das Gymnasium, um ein Handwerk zu lernen, doch auch unter ihnen gab es beachtliche Fälle eines außergewöhnlichen Aufstiegs. So ging etwa der Sohn von Bettfedern-Neumann, Gerhard, schon 1933 mit dem Einjährigen, der Versetzung in die Obersekunda, vom Friedrichsgymnasium ab, um eine zweijährige Lehre als Automechaniker zu absolvieren. Wie Neumann beschreibt, waren diese Lehrjahre Grundlage seiner Karriere, die über die Wartung amerikanischer Kampfflugzeuge in Nationalchina zur Konstruktion von Strahltriebwerken führte. Welche Rolle deutsch-jüdische Emigranten bald in ihrer neuen Heimat spielen sollten, verdeutlicht auch der Lebenslauf des jungen Rechtsanwalts Hermann P. Gebhardt. Von Frankfurt aus gelangte er mit seiner Frau Margarethe nach Montevideo in Uruguay, wurde dort Journalist und erwarb bald Rechte am Rundfunk, wo er eine Sendung für deutsche Emigranten, die „Voz del día“, gründete und Jahrzehnte lang betrieb. Die während des Krieges und noch in der Nachkriegszeit blühende deutsche Theaterkultur in Südamerika trug ebenso wie seine Sendung entschieden dazu bei, den Emigranten die Eingliederung in die neue Heimat zu erleichtern.

      Nach der Kristallnacht setzte eine neue Ausreisewelle ein, da viele bis dahin in Frankfurt Verbliebene jetzt erkannten, dass bei der wachsenden Brutalität der Nazis und dem seit der Annexion des Sudetenlandes drohenden Kriegsausbruch nur die Emigration noch Rettung versprach. Doch wurde es im letzten Vorkriegsjahr immer schwieriger und teurer, noch Visa zu erhalten. Der Schneidermeister Wollmann musste sein großes Mietshaus seinem Nachbarn, einem bekannten SA-Sturm­führer, gegen die Garantie überschreiben, mit seiner Familie nach Palästina ausreisen zu dürfen. Außer den Einreisesperren beschnitt auch die zunehmende Verarmung der Juden fast alle Möglichkeiten, ein Visum zu bekommen. Schließlich organisierte der Leiter des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann, in Verbindung mit der zionistischen Organisation im Rahmen der sogenannten Alijah Beth auf der Donauroute illegale Transporte nach Palästina. Gleichzeitig mit den Transporten verbreiteten deutsche und italienische Rundfunksender die Nachricht, dass auf britische Einladung hin Schiffe voll mit Juden kämen, um die Araber aus Palästina zu vertreiben. Die Engländer waren fest entschlossen, den Einwanderern den Zutritt zu verwehren, schon weil sie die Einschleusung von Spionen fürchteten. Für die Transporte wurden alte Flussdampfer und Seelenverkäufer, meist mit griechischen Kapitänen gechartert, die dann von Wien aus die Donau abwärts über Rumänien und den Bosporus nach Palästina fuhren. Mit einem dieser Transporte konnte Salo Glass mit seiner Frau noch nach Kriegsbeginn Ende 1939 nach Palästina gelangen. Doch verliefen diese Transporte nicht immer so glimpflich.

      Ruth Naftaniel schildert anschaulich die dreimonatelange qualvolle Fahrt, auf der zuletzt auch die Bettgestelle zum Feuern verheizt wurden und die Nahrungsmittel ausgingen. Als zwei der kaum noch seetüchtigen Schiffe schließlich vor Haifa anlangten, wurden sie von den Engländern gestoppt und die Insassen, 1700 Menschen, auf den Truppentransporter "Patria" umgeladen, der sie in Internierungslager nach Mauritius bringen sollte. Die jüdische Verteidigungsorganisation der Haganah wollte dies um jeden Preis vereiteln und ließ am Schiff eine Sprengladung anbringen. Die Detonation war jedoch so stark, dass das Schiff sank,

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