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Sie verabreden sich für nächsten Mittwochabend, obwohl die Proben beendet sind, auch nach der Kerb bleibt der Mittwochabend den beiden.

      Mutige Zeitgenossen /1927

      In den Nachrichten meldet der Sprecher, dass ein Amerikaner namens Charles Lindbergh in New York zu einem Flug gestartet ist, welcher ihn non-Stopp nach Paris führen soll. Seit er vor drei Stunden Neufundland passiert hatte, gibt es keine Sichtung des Flugzeugs, - niemand weiss, wo sich das Flugzeug befindet.

      «Wir berichten sobald wir etwas Neues erfahren.»

      «Das ist schon toll», findet Franz, «wenn auf der Welt was Spannendes geschieht, so ist man dabei. Die berichten direkt vor Ort.»

      Nur widerwillig fährt Franz mit dem Fahrrad zur Arbeit. Viel lieber würde er den Flug von Lindbergh verfolgen. Der ist schon mutig, besonders wenn man bedenkt, dass er allein im einmotorigen Flieger sitzt. Wenn der Motor streikt, ist er verloren. Da muss er aufs Glück hoffen, es gibt nicht viele Schiffe im Atlantik.

      Als er abends endlich Feierabend hat, rast er so schnell wie möglich nach Hause. Wilhelm hat das Radio bereits eingeschaltet und informiert seinen Vater über die neusten Meldungen. Seit mehreren Stunden gibt es keine verlässlichen Meldungen mehr. Ein Schiff will Motorengeräusche gehört haben, doch die Position des Schiffes liegt viel zu weit nördlich. Wenn die Meldung stimmt, so hat sich Lindbergh tüchtig verflogen.

      Im Moment hält die Welt den Atem an und bangt um diesen verrückten Amerikaner. In Irland und Schottland haben sich zahlreiche Reporter eingefunden und suchen nach Lindbergh. Mit Feldstechern suchen sie den Himmel ab oder lauschen auf Motorengeräusche. Sie haben kleine Telegrafen dabei und könnten eine Sichtung sofort an ihre Zeitung durchgeben.

      Dann endlich die erlösende Nachricht, in Südirland hat ein Reporter, das Flugzeug gesichtet. Alles scheint in Ordnung, er fliegt jetzt die irische Küste entlang.

      «Ich will auch Pilot werden», meint Wilhelm.

      «Das hat noch Zeit», erklärt sein Vater, «fliegen ist noch zu gefährlich! Zuerst solltest du was Anständiges lernen, danach sehen wir weiter.»

      Inzwischen hat Lindbergh Irland verlassen. Die Pause wird genützt. Rosa serviert das Abendessen.

      Vater und Sohn sitzen wie auf Nadeln beim Nachtessen, doch Rosa lässt sich Zeit. Endlich, Rosa serviert den Kaffee. Das Radio darf wieder eingeschaltet werden. Sie haben nichts verpasst, die Welt wartet immer noch darauf, dass Lindbergh über der Südküste von England auftaucht.

      Dann endlich die Nachricht, ja er hat England erreicht. Alles verläuft nach Plan. Paris ist nicht mehr weit. Eigentlich wäre es Zeit zum Schlafen, doch Franz erlaubt Wilhelm bis zur Landung in Paris aufzubleiben.

      Um zehn Uhr zwanzig meldet der aufgeregte Reporter, dass das Flugzeug in einer grossen Kurve die Landebahn ansteuert. Die Polizei muss die zig tausend Zuschauer im Zaun halten. Die wollen vor Begeisterung die Landebahn stürmen. Um zehn Uhr vierundzwanzig setzt das Flugzeug auf der Landebahn auf und rollt aus. Die Leute jubeln.

      «So jetzt ab ins Bett», befiehlt Franz und Wilhelm gehorcht. Er musste sich zwingen, nicht in der Stube einzuschlafen, doch dieses Ereignis durfte er nicht verpassen. Morgen in der Schule würde es das Thema sein.

      Der Flug von Lindbergh ist noch lange das Thema Nummer Eins in diesem Frühjahr. Die Begeisterung der Leute für die Fliegerei ist enorm. Es hilft über die Sorgen im Alltag hinweg. Die Zahl der Arbeitslosen ist weiter im steigen. Das Geld wird knapp und der Lebensstandard sinkt beinahe auf das Vorkriegsniveau ab. Der Staat hat kein Geld mehr und der Export wird schwächer. Noch gäbe es Nachholbedarf bei Konsumgütern. Radios und Grammofone wären nachwievor gefragt, doch den meisten Leuten fehlt es am Geld, für solche Dinge. Zuerst muss der Magen satt sein, erst dann kann man an Luxusartikel denken.

      Optimistisch beobachtet Franz den Aktienmarkt, seit der passive Widerstand gegen die Franzosen offiziell ausgesetzt wurde, rentiert die Sodafabrik etwas besser. Noch steigt der Kurs nur langsam, denn nicht alle Arbeiter haben ihren Boykott beendet. Immerhin steigt der Kurs wieder und sie zahlen regelmässig Dividenden. Diese investiert Franz sofort in neue Aktien.

      Das Leben in Worms geht seinen gewohnten Gang. Optimistisch feiert man den Jahreswechsel 1928. Diesmal haben die Goldbergs die Familie Wolf eingeladen. Sein Uhrengeschäft läuft gut und zur Überraschung von Franz, serviert Maria einen Schweinebraten. Josef hält nur noch an jüdischen Feiertagen die Tradition am Leben, dann besucht er auch noch die Synagoge.

      Am sechsten Januar ist die Stube bei der Familie Wolf gefüllt. Am Radio wird der Boxkampf von Max Schmeling um die Europameisterschaft übertragen. Das ist natürlich für Männer ein Grossereignis. Der Jubel ist gross, als der Reporter den Sieg von Max verkündet, der Gegner liegt am Boden.

      Eine kleine Episode am Rand trübt die Stimmung bei Franz. Ein Nachbar ist wieder gegangen, als er bemerkte, dass die Goldbergs in der Stube sitzen und die Übertragung mitverfolgen.

      «Was hatte der?», will Rosa wissen.

      «Der will nichts mit Juden zu tun haben.»

      «Warum?»

      «Das ist einer von diesen Nationalsozialisten, die halten sich für etwas Besseres. Jetzt kommen sie auch nach Worms, ich dachte, die gibt es nur in München.»

      «Sind die gefährlich?»

      «Ich denke nicht», meint Franz, «das ist nur so eine Modeerscheinung, die haben kein Programm, sie sind nur gegen alles.»

      Damit ist das Thema vergessen, schliesslich muss der Sieg von Max gefeiert werden. Sein Biervorrat schmilzt, aber er reicht.

      «Das Radio kommt uns langsam teuer zu stehen», bemerkt Rosa beim wegräumen der Bierflaschen, «ich bin heil froh, dass sich keiner übergeben musste».

      «Wegen ein paar Flaschen Bier, das macht doch nichts. Die Feier war auf jeden Fall lustig.»

      «Schon gut, ich meine ja nur.»

      «Manchmal muss man investierten», meint Franz, «ich will für den Stadtrat kandidieren und ein solcher Abend bringt Stimmen.»

      «Hast du zu wenig Arbeit?»

      «Bedenke, du bist dann Frau Stadtrat, das tönt doch gut oder.»

      «Wenn es den sein muss, meinetwegen.»

      «Die Wahlen sind erst im Mai, die im Schachklub haben mich gefragt. Die Liberale Partei braucht noch ein paar Kandidaten, vier bisherige treten nicht mehr an.»

      Rosa spielt die entrüstete, doch insgeheim ist sie mächtig stolz auf ihren Franz.

      Die nächsten Wochen machte Franz Wahlkampf. Er zeigt sich in den Kneipen des Quartiers. Seine Aufgabe ist es, die Wähler in seinem Quartier zu gewinnen. Gar nicht so einfach, denn er ist nicht der typische Kneipengast. Er beginnt sehr vorsichtig und hört nur zu, bis er langsam herausfindet, was die Leute hier bedrückt.

      Ein Thema ist der kalte Winter. Noch nie war es in Worms so kalt wie im Februar 1929. Am Fastnachtsdienstag sank das Thermometer auf minus 24 Grad. Der Rhein hat schon eine dünne Eisschicht und friert schliesslich ganz zu.

      Schiffe werden im Eis eingeschlossen und müssen frei gesprengt werden. Nachdem das Eis so fest geworden ist, dass man es ohne Gefahr betreten kann, trifft sich die Bevölkerung auf dem Rhein. Es herrschte Volksfeststimmung. Man kann zu Fuss auf die andere Flussseite flanieren. Der Rhein zieht viele Leute aus der Umgebung an. Das darf man nicht verpassen, das erlebt man nur einmal im Leben. Der gefrorene Rhein ist das einzig Interessante in diesem kalten Winter. Die Leute frieren und sie müssen viel mehr Geld zum Heizen der Wohnung ausgeben. Die Stadt hatte mit geborstenen Wasserleitungen zu kämpfen. Ausgaben die so nicht vorgesehen waren.

      Rosa sehnt die Wahlen herbei. Franz kommt zu oft leicht betrunken nach Hause. Als sein Name offiziell auf der Liste der Liberalen Partei auftaucht, muss er auch einige Runden bezahlen, das geht ins Geld. Diesmal muss er sich die Dividenden auszahlen lassen, sonst hätte er Rosa

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