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Heimat der Greifen. Lina Lintu
Читать онлайн.Название Heimat der Greifen
Год выпуска 0
isbn 9783752965315
Автор произведения Lina Lintu
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Aber es passt.“
„Die anderen hier sind Glen, Akira, Madame und Wren.“ Nacheinander deutete Robin auf einen honiggoldenen, einen kupferfarbenen und zwei braune Greifen.
Nina machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. Näher zu dem schwarzen Greifen.
„Ist Shadow ein er oder eine sie?“
„Shadow ist männlich. Die Männchen haben einen etwas dunkleren Schnabel als die Weibchen.“ Robin deutete auf die anderen Greifen. Doch Nina erkannte ehrlich gesagt keinen nennenswerten Unterschied. Sie traute sich aber auch nicht, den Greifen länger als nötig ins Gesicht zu schauen. Kein Blickkontakt.
„Wie lange arbeitest du schon hier im Bail… hier im Cottage?“, fragte sie stattdessen. Robin wirkte entspannter als vorher und das wollte Nina gleich ausnutzen.
Robin sah nicht von Shadows Gefieder auf. „Wird das jetzt ein Interview oder was?“
Das war der Moment, wo Ninas Diplomatie ein Ende fand. „Da wo ich herkomme, nennt man das Smalltalk. Oder einfach nur ehrliches Interesse.“ Ihr Tonfall war spitz genug, dass Shadow unruhig mit den Flügeln raschelte.
Robin drehte sich zu ihr um. Nina erwartete jetzt erst recht eine unfreundliche Antwort, doch stattdessen sah sie ein Grinsen in Robins Gesicht.
„Vielleicht hast du ja doch was von dem Temperament deiner Oma geerbt.“
Nina erwiderte das Grinsen vorsichtig. „Vielleicht?“
„Wenn du es wirklich wissen willst: Ich arbeite hier, seit ich vierzehn bin. Also seit acht Jahren schon. Und es heißt Bailangryph Cottage.“
Sie sprach Bailangryph wie Beil-an-Griff aus.
„Bailangryph“, wiederholte Nina langsam. „Ist das Gälisch?“
„Ja, genau. Eigentlich hieß es ursprünglich Baile an gryph, hat mir Josephine mal erzählt. Das heiß so viel wie Heim oder Heimat der Greifen. Daraus ist dann mit der Zeit Bailangryph geworden. Und ohne das e kann man es mit Sammle den Greifen ein übersetzen, was auch gut passt, weil manche Greifen gerade im Sommer lieber draußen bleiben wollen und sich im Wald verstecken, wenn ich sie rufe.“
Da war sie wieder. Diese Faszination, die Nina schon im ersten Augenblick gespürt hatte. Es brauchte also nur ein Thema, für das Robin sich begeistern konnte.
„Gut zu wissen.“ Nina hätte gerne noch mehr gefragt, aber sie wollte weder ungebildet noch übermäßig neugierig wirken. Also biss sie sich auf die Lippe.
Doch Robin erzählte auch von sich aus mehr. Als sie mit den Streicheleinheiten bei Shadows Flügeln ankam, erklärte sie Nina deren Anatomie. Wie Vögel hatten auch Greifen Röhrenknochen und unterschiedliche Arten von Federn.
Shadow schien zu begreifen, dass er gerade als Anschauungsmaterial benutzt wurde, denn er spreizte seinen Flügel und plusterte stolz das Brustgefieder auf.
Dabei fiel Nina auf, dass er nur einen Flügel frei bewegen konnte. Der andere war mit einem breiten Ledergurt an seinen Körper gebunden. Das sah nicht sonderlich bequem aus, aber zu dem Thema erklärte Robin leider nichts. Und Nina ahnte, dass eine Nachfrage ihr wahrscheinlich wieder einen genervten Blick einhandeln würde, also schwieg sie.
Zum Abschluss streichelte Robin Shadow behutsam über den Schnabel. Das eigentümliche Schnurren wurde lauter.
Zu gerne hätte Nina ihn auch gestreichelt, vor allem das Gefieder am Hals, das so schön weich aussah. Aber wenn Robin das nicht von sich aus anbot, würde sie auch nicht danach fragen. Denn so viel wusste sie inzwischen sowohl über Greifen als auch über Robin: Man musste erst mit ihnen warm werden.
Auch wenn Shadow Robins Streicheln genossen hatte, wollten die Greifen ihre Zeit im Freigehege offenbar lieber mit ihren Artgenossen verbringen. Deshalb entfernten sie sich langsam, aber sicher von den beiden Frauen am Tor und diese nahmen es als Anlass, die Tiere in Ruhe zu lassen.
Außerdem hatte Robin auch noch Arbeit vor sich.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Nina als sie wieder im Stall waren. Jetzt bestand die Möglichkeit, dass Nina sich tatsächlich nützlich machen und Pluspunkte bei Robin sammeln konnte. Doch Robin schüttelte den Kopf.
„Die meiste Arbeit ist schon erledigt. Erst heute Abend, wenn ich die Greifen in den Stall bringe, gibt es wieder was zu tun. Außer du hast so viel Langeweile, dass du mir beim Ausmisten der Boxen helfen willst.“ Robins Blick war herausfordernd und Nina wusste, dass sie gerade geprüft wurde.
„Natürlich. Ich brauche nur eine zweite Mistgabel.“
Wieder grinste Robin. „Erstaunlich mutig für ein Stadtkind“, neckte sie. „Aber du musst mir wirklich nicht helfen. Mach dich lieber bei Irena nützlich. Sie sagt immer, dass sie noch alles kann, aber ihre Knie sind nicht mehr die besten. Wenn sie also was vom Dachboden holen will, übernimm du das bitte.“
„Mach ich.“
Das mit dem Dachboden war ein guter Hinweis, schließlich lagen Josephines Sachen noch dort oben. Doch vorher wollte Nina noch in die Stadt.
Sobald sie das Bailangryph Cottage wieder betrat, war Irena allerdings schon zur Stelle, um ihr eine Tasse Tee hinzuhalten. „Hier, wärm dich erst mal wieder auf.“
Zuerst wollte Nina protestieren, doch mit der heißen Tasse in den Händen wurde ihr bewusst, wie kalt und taub ihre Finger waren. Im Stall war es zwar wärmer als draußen, weil die Körper der Tiere die Luft aufgeheizt hatten, aber die Kälte war ihr trotzdem unbemerkt in die Knochen gekrochen.
2. Kapitel
Ardara war ein kleiner, beschaulicher Ort, der im nördlichsten Teil Südirlands lag. Es gab nur eine große Straße, die grob der nordwestlichen Küste folgte und Ardara war eine von vielen kleinen Perlen, die sich lose entlang dieser Kette aufreihten. Rings um den Stadtkern herrschte nach wie vor die Natur.
Nina hatte ihr Auto bei einem kleinen Supermarkt geparkt und beschlossen, von dort aus den Ort zu Fuß zu erkunden.
Es gab mehrere Hotels, B'n'Bs, Restaurants, Bäcker, Pubs und die üblichen Geschäfte. Alles sprach für ein ruhiges Leben mit moderatem Tourismus, der mehr der wunderschönen Landschaft im Umland geschuldet war als der Stadt selbst.
Nina erinnerte sich vage an einen Besuch vor vielen, vielen Jahren. Damals war sie noch nicht mal in die Schule gegangen. Sie war mit ihren Eltern und Josephine an die nahegelegene Küste gefahren, wo Nina die meiste Zeit am Strand gespielt hatte. Aber auch an steile Hügel und an einen Wasserfall konnte sie sich noch dunkel erinnern.
Das war definitiv ein Ziel, das sie in den nächsten Tagen oder Wochen nochmal besuchen würde. Doch erst einmal wollte sie sich in der Stadt orientieren.
Nachdem sie einmal die Hauptstraße rauf und wieder runter spaziert war, hatte Nina schon einen guten Überblick, der ihren ersten Eindruck bestätigte.
Zeit für eine Pause. Sie kaufte sich eine Tageszeitung und setzte sich damit in ein kleines Café. Bei Croissant und Heißer Schokolade blätterte sie durch die Stellenanzeigen und versuchte, auf dem winzigen Tisch nichts umzuwerfen.
Die meisten Anzeigen sprachen sie nicht an. Sie wollte nicht in einer Metzgerei arbeiten und auch nicht in der Zahnarztpraxis. Dafür reichte ihre Ausbildung als Einzelhandelskauffrau definitiv nicht. Der Souvenirladen, der eine Aushilfe suchte, kam aber in die engere Auswahl. Ebenso wie das Geschäft für Gartenbedarf, auch wenn Ninas Erfahrungen mit Pflanzen sich hauptsächlich auf anspruchslose Zimmerpflanzen mit drastisch reduzierter Lebenserwartung beschränkten. Aber versuchen konnte sie es ja trotzdem.
Und wenn sie ohnehin schon mal im Ort war, konnte sie auch gleich in den jeweiligen Geschäften vorbeischauen.