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bezeichnete. Er hätte sich nun anderen, wichtigeren Themen zugewandt, berichtete er, um dann sehr angenehm die beiden Damen ihrerseits zu persönlichen Enthüllungen zu bewegen. Judiths Begleitung trug den exotischen Namen Elania, was ihre Erscheinung automatisch ins geheimnisvolle transportierte.

      So wie sich die Indizien aneinanderreihten, musste diese noch schlafende Person Elania sein. Als sich nun so langsam die Müdigkeit aus seinem Gehirn verabschiedete, konnte er, bis auf seine Schlafenszeit, die letzten Stunden davor recht genau rekapitulieren. Sie waren auf dem Heimweg nochmals im Corazon gelandet, haben die gleichen Drinks wie zum Start, nur in umgekehrter Reihenfolge getrunken und waren dann zu viert aufgebrochen. Da Elania außerhalb wohnte, es schon sehr spät war und Frau Bieler ein Auge auf Gärtner geworfen hatte, war die unaufdringliche Notwendigkeit gegeben, Ihr sein Bett, mit dem Hinweis er nehme die Couch, anzubieten.

      Sie meinte, dass sie beide doch erwachsen genug seien, um auch das Bett zu teilen, falls groß genug und verschwand direkt im Badezimmer. Der Anblick, als sie zurückkam und nur einen Slip und ein Unterhemdchen trug, erregte ihn und er beeilte sich mit seiner Körperhygiene. Er wollte sich auf jeden Fall von seiner sauberen Seite präsentieren. Allerdings schlief sie schon, als er nach zehn Minuten zurückkehrte und er tat es ihr gleich. Er war ehrlich zu sich und auch froh darum, weil er ebenfalls hundemüde war.

      „Moin, moin, lieber unaufdringlicher Gastgeber“, schalte es von der eben noch Schlafenden herüber und der norddeutsche Gruß passte nun so gar nicht zu ihrem Namen und seinen dazugehörigen Phantasien. „Guten Morgen“, entgegnete er mit einem noch verschlafenen Lächeln. „Wenn Du zuerst ins Bad gehst, ist die Maschine heiß, wenn Du fertig bist und wir können wie zivilisierte Menschen mit einem guten Kaffee in den Tag starten“. Mit einem gespielt zackigem „zu Befehl“ folgten Sie seinem Vorschlag und er machte sich in der Küche zu schaffen.

      Das tanzende Smartphone unterbrach sein Vorhaben. Auch wenn er sich im Vergleich zu den meisten „Always-Online-Junkies“ als autarken, selbstbestimmten Menschen bezeichnete, war es für ihn als Freiberufler doch wichtig, zu überprüfen, ob hinter dem Smartphone-Rhythmus etwas finanziell Wichtiges steckte. Da er über die Mund-zu-Mund-Propaganda eine gewisse Bekanntheit unter Eventorganisatoren genoss, kamen auch ohne sein Zutun immer wieder Anfragen. Diese E-Mail las er gewissenhaft, denn sie kam von einem befreundeten Unternehmen mit dem langen aber aussagekräftigen Namen „TausendDingeDieNochKeinAndererKenntAberGenialSind.de“.

      Er rief direkt an, da er es hasste, auf diesen kleinen Dingern längere Texte zu schreiben. Der gute Hans Hamacher begrüßte ihn hörbar erfreut: „Man Randolf, Danke, dass Du so schnell zurückrufst! Du musst mich retten …“. Metzger machte sich Notizen: eigentlich französischer Koch gewünscht, aber wenn kurzfristig niemand frei auch deutscher Koch mit extravaganten Ansätzen, leider schon morgen, Honorar tausend plus Spesen, aber in Frankfurt und das war doch ein positiver Aspekt. Er notierte sich die Adresse mit dem Zusatz „Villa Steinfeld“. Es hörte sich machbar an, die Gästezahl war überschaubar und er kannte sich in Frankfurt aus. Sonst keine Vorgaben, aber es sollte kein Standard sein, was natürlich der vermittelnden Agentur geschuldet war.

      19

      Frank Landweil musste noch einige Zeit auf dem Bahnsteig warten, bis Monique mit einer entschuldigenden Handgeste aus dem Zug stieg und auf ihn zukam. Ohne ihre strenge Kontrolleur-Uniform gefiel sie ihm noch besser, wobei er einen anderen Kleidungsstil erwartet hätte. Sie trug eine weit ausgeschnittene Stoffhose, auf der sich verspielte Paisleymuster ihren Weg bahnten. Ihr Oberteil würde er in die Kategorie eines langärmligen T-Shirts einordnen, vielleicht etwas besser geschnitten, aber doch sehr locker. Das Bild der beiden war selbst für die modebewussteren Mailänder schwierig einzuordnen. Da stand ein Mann in den Dreißigern in adrettem Stil neben einer Mittzwanzigerin, zumindest vermutete er das, die geradewegs von einem Independent-Musikfestival hätte kommen können. Die entgegenströmenden Personen musterten zunächst Landweil, bevor sie mit leicht aufgerissenen Augen Monique ansahen. Da verspürte er das Bedürfnis, sie an die Hand zu nehmen und den Leuten zu signalisieren, dass sie ihm gefällt, wie sie ist, unterließ es jedoch. Es war auch nicht von Nöten, im Gegenteil. Monique fühlte sich augenscheinlich sehr wohl in ihrer Kleidung und warf den irritierten Gesichtern ein selbstbewusstes Lächeln entgegen, was ihr wiederum einige verschmitzte Blicke einbrachte.

      „Woher wusstest Du, dass ich nicht Maximilian heiße?“, fragte Landweil als sie geradewegs Richtung Taxistand liefen.

      „Das war leicht. Man merkt es Menschen an, wenn sie einen anderen Namen angeben. Es ist, als ob sie den Namen rufen würden, sie verbinden ihn nicht mit sich selbst. Das war bei Dir eindeutig der Fall. Außerdem hast Du im Schlaf geredet, bevor ich Dich geweckt habe. Du sagtest ‚Frank Landweil, mitreißender Mittdreißiger, wenn Sie gestatten‘“, entgegnete Monique und konnte nicht widerstehen, sein Zitat ein wenig prustend von sich zu geben.

      Landweil wurde rot. Auch wenn er im Schlaf keinen Einfluss darauf hatte, was er von sich gab, so war es ihm doch unangenehm. Den Satz hatte er schon länger im Kopf gehabt und wollte ihn bei einer Frau ausprobieren, hatte sich bisher aber nie getraut. Und jetzt war er ihm im Schlaf über die Lippen gegangen. Sein fragiles Gedankengebäude, das nunmehr schon mehrere Stunden hielt, drohte wieder ins Wanken zu geraten. Die Souveränität war verloren. Da kamen sie bei den Taxen an.

      Mit seinen spärlichen Italienischkenntnissen erklärte Landweil dem Taxifahrer, dass sie nicht viel Zeit hätten und in die Via Montenapoleone möchten. Dankbarerweise verstand er ihn sofort und prügelte seinen alten Lancia durch die Gassen, als müssten sie nicht von einem Ort zum anderen, sondern dazwischen auch noch ein paar Verfolger abschütteln. Als sie ankamen, bat Landweil den Taxifahrer gegen Bezahlung zu warten. Dieser strahlte ihn mit einem mit wenigen Zähnen ausgestatteten Grinsen an und kramte Tabak und Zigarettenpapiere aus seiner Tasche und lehnte sich an seinen Wagen.

      Die Zeit raste nur so dahin. Wie in einem Trancezustand erlebte Landweil den Kleiderkauf. Monique wusste sofort, was sie wollte. Sie wählte ein Kleid in einem helleren Blau, sie nannte es „Lichtblau“, das sommerlich, aber elegant aussah. Frank Landweil bezahlte, sie bedankte sich, ohne dabei unterwürfig zu sein und sie fuhren zurück zum Bahnhof. Diesmal mit weniger Druck auf dem Gaspedal und, wenn er sich nicht irrte, auch nicht auf dem schnellsten Weg.

      Seine neue Bekanntschaft war keineswegs eine Frau, die man sich einfach kaufen konnte. Sie sprachen kaum miteinander, ab und an fiel eine Floskel über Mailand, dann war wieder Stille.

      Sie hatten kaum zehn Minuten Zeit, als sie am Bahnhof eintrafen und Landweil kaufte sich ein Ticket geradewegs Richtung Frankfurt, Monique fuhr ohnehin umsonst, zumindest versuchte sie gar nicht erst, ein Ticket zu kaufen. Die Ereignisse des Tages hatten ihn müde werden lassen und er passte gerade noch den Moment ab, als ein Kontrolleur seinen Fahrschein sehen wollte. Es war natürlich nicht Monique, er hatte sie nicht mehr gesehen, seitdem sie am Bahnhof angekommen waren und er den Ticketschalter angesteuert hatte. Bevor er sich weitere Gedanken darüber machte, schlief er ein und seinen Geist eroberten wieder surrealistische Träume. Er lief durch eine tiefe Häuserschlucht und konnte seine Augen wieder nicht richtig öffnen. Hinter sich hörte er eine unruhige Menschenmenge, aber irgendetwas hinderte ihn daran, sich umzudrehen. An einer Kreuzung saß ein Mann auf einer roten Kuh und schüttelte den Kopf, als er ihn erblickte. Als er aus dem Schlaf hochschreckte, war es bereits dunkel draußen. Mailand, ein paar Stunden.

      20

      Glücklicherweise gab es einen Bäcker an der nächsten Ecke und der Erwerb der Brötchen und Croissants nahm nicht allzu viel Zeit in Anspruch. Als er die Tür wieder aufschloss, saß sein Überraschungsübernachtungsgast schon am Tisch und hatte sich nützlich gemacht. Er bereitete zwei Café zu und stellte noch ganz unprätentiös eine Karaffe Leitungswasser dazu. Es hatte schon seinen Grund, dass Elania bei ihm übernachtete. Es lag weniger an ihm, als an Urs Gärtner, mit dem sich seine Nachbarin gestern bestens amüsiert hatte und der ihrer ziemlich besten Freundin die versprochene Betthälfte nicht mehr anbieten konnte oder besser wollte.

      Elania war, wie sollte es auch anders sein, nicht Elania, sondern Rebecca von

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