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Schleichen die majestätischen Katzen hervor in das grelle Tageslicht. Bald füllte sich der Raum zwischen den Einhegungen vor dem Pegma und der Säule mit den reißenden Großtieren Afrikas und Indiens. Rollend erscholl das Gebrüll zweier Löwen, die, sobald sie einander erblickten, zu einem Kampfe losbrachen. Das Geheul der durch Hunger und Helle aufs äußerste erzürnten anderen Tiere begleitete den Zweikampf der beiden Feinde.

      »Hispo! – Hispo!« hetzte jubelnd die Menge den riesigen Berberlöwen.

      Hispo war ein Liebling der Zirkusbesucher, ein alter Wüstling der Arena. Er hatte sich über seine Mitgefangenen eine Art Herrschergewalt angemaßt, die er immer wieder siegreich verteidigte. Auch diesmal wurde er seines Widersachers Herr.

      Ein Tierwärter war auf die Maschinerie geklettert. Von dort aus warf er kleine Fleischstücke unter die Bestien. Die Aufmerksamkeit der Tiere sollte auf den Ort gelenkt werden, von dem her sie die Befriedigung ihres Hungers zu erwarten hatten.

      Rasch sammelte sich der schnaufende, knurrende Haufen vor dem Pegma und der Säule und balgte sich mit kurz aufbrüllendem Fauchen um die Brocken. Aufgeregt wartend, sprangen die Großkatzen gegen die Umhegung, bleckten Zunge und Rachen zu der Maschinerie empor, nachdem der Wärter die kärgliche, nur anreizende Fütterung eingestellt hatte.

      Jetzt schleppten Männer den Alten herbei, der sich vergeblich gegen die ihm angetane Gewalt zu wehren suchte. Man zwang ihn auf die bis zum Boden herabgezogene Plattform der Maschinerie. Immer wieder sprang er herunter und warf sich lallend vor Todesangst seinen Henkern zu Füßen. Sie stießen ihn wieder auf die Bretter, bis er sich in sein Schicksal ergab, in die Knie brach und erstickt lallend sein Antlitz verhüllte.

      Die Tiere witterten ihr Opfer. Sie wußten, durch Erfahrung belehrt, Menschen in der Arena bedeuteten baldige Stillung des nagenden Hungers. So standen sie, mit glühenden Augen und gähnend knurrend, die Szene bei dem Pegma belauernd.

      Auf den Sitzen des Volkes murmelte Fufidius: »Ewige Götter, das ist doch der Stumme Volusius. Was tat der arme Mensch, daß man ihn verurteilte?«

      Verres flüsterte zurück: »Er hat den Kaiser beleidigt, indem er ihm den Heilruf versagte. Ich war in der Menge, als man den Alten gefangennahm.«

      »Ein Stummer – den Heilruf!« –

      »Schweig!« zischte Verres. Er sah besorgt um sich. Dieser Fufidius war zu unvorsichtig! Ob nur keiner seine Kritik des kaiserlichen Urteils gehört hatte!

      Er konnte beruhigt sein. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer galt allein den Vorgängen bei der Maschinerie. Jetzt brach schmetternder Jubel los. Ein Handgriff des Werkmeisters hatte den Hebel gelöst – das ungeheure Gegengewicht der Steine riß die Plattform blitzschnell nach oben – ein Menschenkörper, der stumme Volusius, schnellte hoch empor, sauste gegen das knatternde Sonnensegel, prallte daran zurück, wirbelte durch die Luft und schlug inmitten der Raubtiere in den Sand der Arena. Die Bestien hatten den Flug der ihnen zugedachten Beute mit lauernden Blicken verfolgt. Als man sie endlich in ihre Gefängnisse zurückscheuchte, wurde ein armseliger Rest zermalmter blutiger Knochen auf den Kehricht des Zirkus geworfen. Alles, was von dem schuldlosen Volusius übriggeblieben war.

      Während die Menge aus den Volkssitzen das Geschehene als etwas wirklich Neues eifrig lobend besprach, hatte der Gerber Fufidius die Ellbogen auf die Knie gestützt und drückte seine von der Lohe gebräunten Hände vors Gesicht. Er verbarg die Tränen des Mitleids, die ihm der schauerliche Tod des Stummen in die Augen trieb.

      Auch auf der Tribüne Caligulas wagte es einer, sich des Schuldlosen anzunehmen. Der Kaiser hatte soeben das Lobgehudel seiner Kreaturen entgegengenommen.

      »Nun, mein Abalanda, mein großartiger Einfall scheint nicht sehr tiefen Eindruck auf dich gemacht zu haben?« wandte der Cäsar sich an einen Fremden.

      Es war ein Mann, der unfern stand und mit ernst zusammengezogenen Brauen in die Arena niederblickte, deren Sand geglättet und von den Blutspuren gereinigt wurde.

      Ein hochgewachsener Recke von etwa dreißig Jahren, der Sohn eines angesehenen römertreuen Germanenfürsten. Obwohl Abalanda kein Römer war, hatte Caligula ihm die Gnade gewährt, sich in die Toga, das Ehrenkleid des römischen Bürgers, zu kleiden, die jedem anderen Fremden verwehrt war. Der Purpursaum am Staatskleide war ebenfalls eine Auszeichnung des jungen Germanen.

      Doch trotz des Nationalgewandes erkannte man in Abalanda sofort den Nordländer an seinem hohen, stattlichen Wuchse und dem rötlich blonden Vollbarte. Die blonden Haare allerdings trug er, entgegen der Sitte seiner Heimat, verschnitten, da in Rom nur Stutzer oder Lustknaben sich das Haupthaar lang wachsen ließen.

      Caligula fingerte ungeduldig an einer Kette, die aus seine Brust herabhing. Dieses Geschmeide bestand aus fingergliedlangen bläulichen Edelsteinen von glattem Schliffe, deren Enden in Goldkapseln gefaßt und durch seine goldene Kettchen miteinander verbunden waren. Leise klirrte der weibische Schmuck.

      »Möchtest du dich herablassen, mir zu antworten, mein Freund?« knurrte endlich Caligula, heimlich drohende Blicke unter den gesenkten Lidern verbergend.

      »Dein Einfall hat sogar sehr tiefen Eindruck auf mich gemacht, hoher Herr,« nahm Abalanda das Wort.

      »Du sagst das mit seltsamer Betonung. Der Eindruck scheint nicht allzu günstig gewesen zu sein.«

      »Nein, Herr.«

      Der Imperator wollte auffahren, beherrschte sich jedoch. Nur das Beben des Kinnes verriet seine Erregung. Doch seine Stimme klang klar und ruhig, eisig.

      »Du sprichst nicht nur sehr rein und ausdrucksvoll unsre Sprache, Abalanda,« warf er hin. »Du sprichst in dieser Sprache auch mit kühner Aufrichtigkeit.«

      »Ich bin dein Gast, Cäsar, und soweit mir bekannt, ist auch in deinem Rom der Gast heilig wie in meiner Heimat. Mein Vater sandte mich, deiner Einladung folgend, zu dir, damit ich eure Sitten kennenlerne und das Gute an ihnen in unsere armen, unwirtlichen Gaue heimbrächte.«

      »Die Gründe deiner Sendung kenne ich hinlänglich, mein nordischer Prinz,« höhnte der Imperator. »Warum führst du sie mir so weitläufig auf?«

      »Um dir zu erläutern, o Cäsar, weshalb ich mich – wie du es nennst – einer kühnen Aufrichtigkeit befleißige,« versetzte Abalanda unerschrocken. »Oder ist dem, den du einlädst, eure Sitten zu studieren, verboten, sich ein Urteil über eure Bräuche zu bilden? Ist dem verwehrt, auf deine Frage ohne Scheu zu sagen, was er denkt?«

      »Keineswegs. Also heraus mit der Sprache! – Was mißfällt dir an meinem Einfall?«

      Abalanda sah den Imperator fest an. Caligula liebte es nicht, scharf betrachtet zu werden, weil er sich seiner frühen Glatze schämte. Er fürchtete den Spott über seinen kahlen Kopf und sah in eingehend musternden Blicken oft eine todeswürdige Beleidigung.

      Ungeduldig rief er dem nordischen Fürstensohne daher zu: »Wende dich ab, wenn du mit mir sprichst!«

      »Die Jugend in meiner Heimat ist dahin erzogen, offenen Blickes gerade mit jenen zu sprechen, denen am meisten Achtung und Ehrerbietung gebührt,« widersprach Abalanda, mit seinen klaren blauen Augen dem feigen Basiliskenblick des Kaisers begegnend. »Und was ich nun an deinem Einfall auszusetzen habe, o Cäsar: du erwähntest bei Beginn des Schaustückes selbst, wir würden den sehr listig ersonnenen Tod eines Menschen zu schauen bekommen, eines Menschen, den du zu diesem Tode verurteiltest, weil er dir den Gruß versagte. Nun erzählt man aber im Zirkus, dieser arme Alte sei stumm und in seiner Stummheit gar nicht fähig gewesen, dir den gebotenen Gruß zu bieten. Nennt ihr Römer das Gerechtigkeit der Strafe?«

      Haßerfüllt betrachtete Caligula lange den unverletzlichen, mutigen Widersacher. Endlich sagte er: »Bist du fertig?«

      Erregt über den grausamen Tod des Alten, fuhr Abalanda fort:

      »Der Arme büßte nicht seine Schuld, sondern ein Verschulden der Natur, die ihm Stimme und Sprache vorenthielt.« Er sprach in scharfem Tone.

      »Ich sehe keine Ungerechtigkeit,« lächelte Caligula boshaft,

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