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man ihr nicht zu, als wäre sie die Kaiserin selbst? Sie gedachte einer Weissagung, an deren stolzer Verheißung sie zweifelte. Dann öffnete sie die Augen und ließ deren tiefes, rätselhaftes Dunkel über die ekstatisch rufenden Menschen schweifen. In plötzlicher Wallung hob sie die rechte Hand und erwiderte mit fürstlicher Gebärde den Gruß.

      Das hatte vor ihr nie eine der edeln Frauen Roms getan. Stets noch waren alle Huldigungen der Plebs Blicken des Hochmutes, der Überheblichkeit und des verachtenden Stolzes begegnet. Und dieses schöne königliche Mädchen erwiderte wie in einer Gegenhuldigung, als grüße sie ihresgleichen?

      Rasender Begeisterungstaumel erfaßte die Menschen. Alle schrien und tobten in der Dankesfreude verachteter Geschöpfe, die sich plötzlich erhoben und geehrt fühlen. Gegen die lebendige Mauer der Prätorianer flutete die erregte Welle der Beglückten an. Man suchte Valeria Messalinas Sella zu erreichen. Wenn möglich, wollte man den Tragsessel von den Schultern der Liburner heben, selbst tragen dieses junge Götterkind, das durch die zierlich grüßende Hand mehr Glück in das tiefste Elend der Armut gestreut hatte als je die geldsäenden Hände des Kaisers und seiner Großen.

      Da rollte die Straße herauf der Donner brausenden Stimmengewirrs: »Der Kaiser naht!«

      Die Soldaten, eben noch lachend sich wehrend gegen die der Valeria Messalina huldigende Menge, machten rasch Ernst. Mit pressenden Lanzenschäften, mit Fußtritten gegen die empfindlichen Schienbeine der Vornstehenden stauten sie die in Bewegung geratene Menschenflut zurück. Bis das Gewoge starr stand wie die ragenden Tempelsäulen des Platzes.

      Dabei zwangen die wilden, scharf achtenden Blicke der Centurionen den abertausend Kehlen der Plebs den Kaisergruß: ave Imperator! ab. Wehe dem, der zu schweigen wagte und ob seines Schweigens entdeckt wurde oder gar verraten ward von den Umstehenden! Er wurde zu einem neuen Opfer des Todeskampfes in der Arena, falls der Herr Roms nicht in gnädiger Laune der Milde dem frevelnden Schweiger sogleich den Hals abschneiden zu lassen geruhte.

      Ein Menschenleben, ob hoch, ob niedrig, galt schon früher nicht allzuviel in der Cäsarenstadt. Jetzt, im Zeitraume der Herrschaft des Gajus Cäsar Caligula, war es nicht mehr als ein fallendes Blatt im Winde.

      Todesqual war Augenweide nicht nur für den Kaiser, nicht nur für des Kaisers Umgebung. Nein, auch für den, der im Augenblicke des Sichweidens am Sterben eines Menschen nicht sicher war, ob er nicht wenige Stunden später selbst wieder zur Ursache ward, daß andere seine Todesqualen als gräßlich belustigendes Schauspiel bejubelten. –

      Angeber sind unter der Menge, irgendwo entsteht Bewegung. Zwei bärenstarke Männer haben einen Alten gepackt und verstehen es, den Ertappten durch das Menschengeknäul nach vorn zu bringen. Dort übergeben sie ihn den Prätorianern.

      »Was verbrach er?« erkundigt sich der Gardist, dem Gefangenen die Faust als Fessel ins ergraute Haar krallend.

      »Er schwieg, als alle jubelnd des Kaisers Namen riefen,« erklären die Spitzel.

      Der Prätorianer nickt nur und will den Alten abführen. Man wird Caligula den Vorfall melden. Dieser Bericht bedeutet qualvollen Tod. Der Greis sucht sich mit seltsam gelallten Lauten zu verteidigen.

      Da ruft eines Weibes Stimme grell in die einen Augenblick herrschende furchtbeklommene Stille: »Laßt den Armen! Wie könnte er, der von Kindesbeinen an stumm ist, den Kaiser grüßen?«

      Der Prätorianer überlegt kurz, dann lacht er gallig auf. »Buhlst du mit dieser Jammergestalt, Weib, die deine widerwärtige Unzucht nicht ausplaudern kann?« Und er schleppt den in gurgelnden Tönen klagenden Mann von dannen.

      Der Jammer des Weibes, der Enkelin des Stummen, erstickt in den aufs neue aufbrausenden Rufen: »Heil dir, Kaiser – wir grüßen dich!« Ihre Klage verstummt unter den Füßen der Menschen, die über die vor Leid besinnungslos Zusammenbrechende nach vorn drängen. Was gilt eines Weibes Dasein, wenn der mit aberwitzigem Prunk nahende Caligula schon sichtbar wird!

      Der Prätor Proculejus Gillo eröffnete den vom Kapitol kommenden Auszug. Ehrgebietend in Haltung und Miene, nicht wenig stolz auf sein Scheinamt und dessen fragwürdige Wichtigkeit, fuhr der stattliche Mann daher auf einem reich geschmückten Wagen. Ein Dreigespann von Maultieren in roter, geschmeidestrotzender Lederschirrung zog das Gefährt. Die beiden Räder des Fuhrwerks blinkten mit ihren silbernen Speichen und schwergoldenen Naben in der Form von Löwenhäuptern. Als Augen der grimmigen Löwenfratzen funkelten leuchtende Topase, in deren Mitte als Pupille ein schwärzlichgrün glimmernder Stein gefügt war. Auf den Basaltplatten des Platzes scholl das schrille Gekling des aus purem Silber gefertigten Hufbeschlages der Maultiere.

      Purpurn leuchtete die Tunika des Prätors. Zu Goldstickerei strebten Palmenzweige vom Saume des Gewandes zum Gürtel empor. Von den Schultern Gillos wallte die Toga wie eine Wolke, die überhaucht ist von dem Glanze kampagnischer Abendröte. Es war, als hätte des Jupiters Statue im Kapitol sich vom Elfenbeinsessel erhoben, an der Pompa circensis teilzunehmen.

      Ein Farbenrausch von Gewändern, getragen von den vornehmsten Männern der kaiserlichen Umgebung, folgte dem Wagen des Prätors. Jeden dieser Höflinge geleitete ein Schwarm seiner Sklaven, deren stattlichste und schönste man für die Teilnahme an dem Aufzuge ausgewählt hatte.

      Schon füllte sich das von den Kohorten umsäumte Viereck des Platzes mit einem Strom von Adeligen und Rittern, Freigelassenen und Sklaven. Über ihren Häuptern schwebten die Sänften und Kathedren der erlauchten Frauen und Mädchen.

      Nun schritten ernst und gemessen die Soldaten der Leibwache des Kaisers daher. Die Sonne flimmerte auf unzählbaren Lanzenspitzen, glitzerte auf Brustharnischen, flirrte zurück von gleißenden Helmen, funkelte wider von den Metallbeschlägen des Rüstzeuges. Die Garden umgaben wie ein Gatter aus Gold, Silber und Eisen die von sechzehn riesenhaften Sklaven getragene Lektika Caligulas. Auf diesem Ruhebette ein Berg von Kissen, über die Kissen gebreitet aus amethystfarbener Seide eine Decke; ihre Ränder waren rings beschwert von Goldplättchen, deren jedes einzelne in steter Abwechslung von Rot, Weiß und Grün einen Rubin, einen Diamant und einen Smaragd in sich faßte. Fransen aus Fäden schieren Goldes säumten die sybaritische Pracht der Decke.

      Der dicke Mensch mit dem wachsbleichen, schrecklich häßlichen Antlitz, der bald bäuchlings, bald auf den Ellbogen sich stützend, auf dieser Lektika ruhend sich einherschleppen ließ, dieser Mann war des römischen Weltreiches absoluter Herrscher: Gajus Cäsar Caligula.

      Hervor unter einer breiten Stirn, die zu massig und zu plump war, um edel oder gar geistvoll zu sein, hervor unter finsteren Brauen lugten die grünlich schillernden Augen. Wachsame, suchend ausspähende Augen, die trotz der schläfrigen und scheinbar teilnahmlosen Miene des Cäsars scharf achteten, ob nicht irgendein Vorfall in der Menge ihm Gelegenheit böte, sofort die Wollust seiner Grausamkeit zu befriedigen. Denn Caligula langweilte sich auf dem Wege durch die mit Menschenleibern vollgepfropfte Straße und gierte nach einer Sensation des Blutes.

      Pfui, der Hauch dieser schwitzenden Plebs! War nicht der Gestank der Menge, war nicht der wüste Lärm ihres tollen Geschreis »Heil dir, Kaiser!« schon eine tödliche Beleidigung der empfindlichen Person eines Cäsars? Böte diese Belästigung der Nase, des Gehörs und der Nerven des wieder einmal von Schlaflosigkeit zermürbten Herrschers der Welt nicht den willkommenen Anlaß zu einer allgemeinen Niedermetzelung? Freilich, er hatte dem Pöbel ein Zirkusfest versprochen und mußte den Dank seiner lieben, innig gehaßten Römer geduldig über sich ergehen lassen. O Last der höchsten Würde!

      Wie das Haupt eines Albs hob sich der große, glatzige Kopf auf dem lächerlich dünnen Halse, drehte sich hierhin und dorthin, lauernd vertierten Blickes. Und Caligula, der es liebte, sein wildes Gesicht durch das Einüben schauerlicher Grimassen noch mehr zu verzerren, noch furchtbarer zu machen, richtete sich langsam auf. Zurück streifte er die Ärmel seiner Tunika und entblößte die affenartig schwarzbehaarten, dürren Arme, als bereite er sich vor zu einer blutigen Schlächtertat. Und nun hob er an, dem gaffenden Pöbel fürchterliche Gesichter zu schneiden, mit seinem Ohre lauschend, ob jemand lache.

      Das durch die Grausamkeiten seines Herrn gelehrig gewordene Volk wußte, daß dem plumpen, häßlichen Menschen auf der Lektika

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