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Teufelsjahr. Kerstin Teschnigg
Читать онлайн.Название Teufelsjahr
Год выпуска 0
isbn 9783750224568
Автор произведения Kerstin Teschnigg
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„…und ich freue mich ganz besonders, dass meine Tochter Bettina ihren Freund Tobias mitgebracht hat. Wie schön, dass du heute mit uns dieses Fest der Familie feierst.“
Bettina reckt ihr Kinn selbstbewusst in die Höhe und grinst zufrieden. Tobias Leitner, der neue Freund von Bettina sitzt dagegen etwas wortkarg neben ihr und scheint ein wenig verlegen über Papas ausschweifende Worte zu sein. Ich würde sogar sagen, er ist ein bisschen rot geworden. Etwas genervt verdrehe ich die Augen. Auch wenn ich vor ein paar Wochen achtzehn geworden bin, Papa würde es nie erlauben, er würde durchdrehen wenn ich zu den Feiertagen einen Freund anschleppe. Wobei, ich wüsste gar nicht wen ich mitbringen sollte. Meine Schultern sacken wieder ein bisschen ein.
„Heidi, ich glaube wir können jetzt essen“, lächelt Papa meine Mama an, die ihm warmherzig zunickt und aufsteht.
„Alexandra, hilfst du deiner Mutter bitte, du scheinst ja ohnehin mächtig gelangweilt zu sein.“ Er wirft mir einen ernsten Blick zu.
„Ja Alexandra, hilf doch Mama…“, lästert Bettina und legt ihre Hand auf die ihres geliebten Schnuckelchens. Ich hasse es, Alexandra genannt zu werden und das weiß sie ganz genau. Sie grinst mich schadenfroh an, was ich nur allzu gerne zurückgebe. Ich reiße mich aber zusammen und unterlasse es der weihnachtlichen Ruhe zuliebe, ihr die Zunge heraus zu strecken. Tobias kämpft mit einem Grinsen und sieht weg, als ich zu ihm sehe. Er ist so ein blöder Trottel. Ein ziemlich einfältiger Typ. Zwar gutaussehend, aber erfahrungsgemäß sind alle hübschen Jungs Deppen. Außerdem ist er wie Bettina von Sport und Fitness besessen. Man muss ihn dafür nicht besonders gut kennen, das erkennt man auf den ersten Blick. Groß. Durchtrainiert. Lässig. Cool. Eingekleidet mit den topaktuellen Sportmarken. Er ist einer der Typen die ständig nach der perfekten Braut suchen, und sich dabei auf Äußerlichkeiten beschränkt. Eben solche Mädchen wie meine Schwester. Für mich leicht durchschaubar. Mal sehen, wie lange es dauert, bis er sie satt hat. Obwohl sie viel mehr verdient hätte. Zusätzlich scheint er ziemlich verwöhnt zu sein. Sein Vater ist ein bekannter Zahnarzt in Wien, Geld dürfte also keine Rolle spielen. Er selbst studiert auch Zahnmedizin, auch wenn er meiner Meinung nach mehr Zeit mit irgendwelchen Reisen und bei Sportveranstaltungen verbringt. Für seine fast zweiundzwanzig Jahre wirkt er nicht besonders reif. Ich ignoriere die beiden Turteltäubchen und helfe Mama die Vorspeise zu servieren. Nach dem Essen gibt es Bescherung. Ich komme mir heute mächtig unnötig vor. Mama, Papa, Bettina und Tobias sind die Traumpaare des Abends. Ich sitze allein in einer Ecke und freue mich zwar über den neuen iMac den ich bekommen habe, bin aber trotzdem weiterhin genervt. Darum entschließe ich mich ganz unaufgefordert das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Nachdem ich damit fertig bin, sehe ich noch einmal ins Wohnzimmer.
„Ich geh schlafen, ich bin müde.“
Mama sieht auf die Uhr. „Jetzt schon? Es ist doch noch nicht einmal zehn. Setz dich doch noch ein bisschen zu uns…“
„Nein…Gute Nacht.“ Ich setze ein gespieltes Lächeln auf.
In meinem Zimmer kuschle ich mich in meinen warmen Pyjama und drehe den Fernseher auf. Wie jedes Jahr zu Weihnachten läuft der gleiche Blödsinn. Kurz vor Mitternacht reicht es mir dann, ich bin wirklich müde. Auf dem Weg ins Badezimmer denke ich darüber nach, wie ich die nächsten Tage voll geschwollener Familienidylle überstehen soll. Gedankenversunken öffne ich die Badezimmertür und bleibe stocksteif stehen. Tobias knabbert lediglich mit Boxershorts bekleidet an Bettinas Hals, die kichernd ihren Kopf in den Nacken legt.
„Gott…habt ihr kein Zimmer, oder könnt ihr nicht zumindest abschließen?“, beschwere ich mich und drehe mich genervt um.
„Du brauchst dich gar nicht so aufzuregen, du bist doch nur neidisch!“, ruft mir meine Schwester hinterher.
„Ich wüsste nicht worauf“, blöcke ich zurück.
„Dann brauchst du auch gar nicht rot zu werden“, fügt sie noch hinzu.
Ich werfe meine Zimmertür hinter mir zu und schüttle den Kopf. „Warum sollte ich denn rot werden…“, murmle ich in mich hinein.
Ein paar Minuten später höre ich die beiden an meinem Zimmer vorbeikichern. Ja…sehr witzig. Alles sehr witzig. Ich mache mich erneut auf den Weg ins Badezimmer um mir meine Zähne zu putzen. Als ich fertig bin, begegnet mir Tobias schon wieder am Gang. Zumindest hat er sich jetzt ein T-Shirt angezogen. Ich sehe ihn nicht an.
„Gute Nacht Lexi“, sagt er im Vorbeigehen.
„Gute Nacht…“, murmle ich.
Er bleibt ein paar Schritte weiter stehen. „Ach Lexi…“
Ich sehe auf.
„Entschuldige wegen vorhin.“
„Schon gut.“ Ich sehe wieder weg und gehe in mein Zimmer.
31. Dezember 2009
Irgendwie habe ich die letzten Tage überstanden. Ich bin froh, dass Bettina und Tobias heute zurück nach Wien fahren. Dieses ewige Geschmuse geht mir bereits mächtig auf die Nerven. Sie sind irgendwo zu einer Silvesterparty eingeladen. Ich weiß nicht warum, aber die letzte Zeit komme ich mit meiner Schwester nicht besonders gut aus. Von meiner einst besten Freundin ist nicht viel übrig geblieben, sie ist schrecklich egoistisch und oberflächlich geworden. Aber so ist es wohl. Wir haben uns in den letzten Jahren einfach in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Sie in Wien. Ich in Graz. Früher war ich mir sicher, auch in Wien studieren zu wollen, aber jetzt will ich das absolut nicht mehr. Ich werde im nächsten Herbst mit Rechtswissenschaften in Graz anfangen. Papa meint immer es könnte eine äußerst gefürchtete Richterin aus mir werden. Man wird sehen. Ein Schritt nach dem anderen. Ich muss erst einmal anfangen. Keine Ahnung warum, aber ich kann heute schon seit kurz nach fünf Uhr morgens nicht mehr schlafen, obwohl ich hundemüde bin. Ich krabble aus meinem Bett und schlüpfe in meinen Morgenmantel. Im ganzen Haus ist es noch leise. Darum gehe ich ebenso leise nach unten und setze Teewasser auf. Weil es gar so still ist, mache ich das Radio an und sehe aus dem Fenster. Auch heuer gab es wieder keine weißen Weihnachten. Heute soll es sogar ziemlich föhnig werden. Ich werde mich später mit meiner Freundin Klara auf einen Kaffee treffen, darauf freue ich mich schon, ich habe sie die ganzen Feiertage nicht gesehen. Was ich am heutigen Silvesterabend machen werde, weiß ich immer noch nicht. Vielleicht gehe ich mit Klara ein bisschen in die Stadt, mal sehen. Ich gieße den Tee auf, als ich über das Zufallen der Haustüre erschrocken zusammen zucke, und deshalb etwas Wasser verschütte.
„Super…“, murmle ich, und bin froh mich nicht verbrannt zu haben.
„Guten Morgen!“ Tobias steckt äußerst fröhlich und vor allem munter seinen Kopf zur Küchentüre herein, während ich die Wasserpfütze auf der Küchenfläche wegwische. Er ist im Laufdress und zieht seine Mütze vom Kopf und grinst mich an. Seine dunklen Haare sind vermutlich seiner Kopfbedeckung zuschulden ziemlich zerzaust, was ungewohnt ist, denn eigentlich ist er immer top gestylt. Darum versucht er diese auch gleich mit seinen Händen wieder irgendwie in Form zu bringen, was ich mit vermutlich verständnislosem Blick verfolge. Er sollte froh sein, nicht meine Haarstruktur zu besitzen, denn die macht es mir unmöglich jemals gut frisiert auszusehen.
„Guten Morgen“, erwidere ich dann doch als er in die Küche kommt. „Möchtest du auch Tee?“
„Ja gerne.“
Er öffnet seine Laufjacke und setzt sich auf den Hocker bei der Anrichte, während ich noch eine Tasse aus dem Schrank über mir nehme.
„Bist du immer so früh wach?“, fragt er mich, und mustert mich dabei augenscheinlich in meinem Aufzug. Ich ziehe meinen Morgenmantel etwas fester zu.