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Aber wenn er sie gedeckt hatte, warum? Sollte sie versteckt bleiben? Und wenn, weshalb? Was sollte dort verborgen werden? Hatte ich in ein Terroristennest gestochen? Mein Hirn begann auf Hochtouren zu arbeiten und gleichzeitig fühlte ich neue Lebensenergie durch mich fluten. Meine Neugierde erwachte. Da war aber noch mehr! Diese angenehme Frauenstimme, sie hatte fast dieselbe Stimmlage, die Montenièr. Ich versuchte, mich wieder zu entspannen. Ruhig bleiben. Nachdenken. Es gab da viel zu viele Unbekannte in der Gleichung. Was war mit Raskovnik? Wer wollte mich in diese Falle schicken und warum? Ich musste vorsichtig sein. Ich würde es langsam angehen müssen. Aber eins wusste ich damals, ich würde sie suchen, die Montenièr!

      3.*

      So in Gedanken versunken schaue ich die Montenièr an, die wie ein Schatten vor der milchweißen Fentsersilouette steht.

      »Niemand versteht, weil niemand verstehen will!«, murmelt sie in die dimensionslose Leere der Welt hinter der Glasfensterfront.

      »Wie bitte?«, fahre ich aus meinen Gedanken auf.

      Sie antwortet nicht, dreht sich nur zu mir um und schaut mich mit ihren großen dunklen Augen ausdruckslos an.. »Was werden Sie jetzt tun?«, fragt sie mich.

      »Setzen wir uns erst einmal«, antworte ich ohne auf ihre Frage einzugehen, denn genau dieselbe Frage stelle ich mir auch. Unschlüssig schaue ich mich im Raum um. Mein Gott, wie konnte sie hier nur leben? Die Wohnung, wenn man einen leerstehenden Büroraum eines Abrisshauses so nennen konnte, bot nichts, was einen längeren Aufenthalt möglich gemacht hätte. Außer dem Sofa, ein paar Packkartons mit notdürftig zusammengeworfenem Hausrat sowie diesem merkwürdigen Gerät mit der großen Metallspule entdecke ich nichts, was mir Anlass gegeben hätte, hier länger als einen Augenblick zu verweilen.

      »Gibt es einen Anschluss hier, einen Zugang zum Netz?«. Sie stößt scharf und empört die Luft aus. »Wo denken Sie hin? Meinen Sie, ich will sie direkt hierher locken?« Ich schaue auf mein Arm-Pad, auf dessen Monitor nur ein weißes Rauschen zu sehen ist.

      »Sie sind völlig isoliert hier?«

      Sie nickt und ich meine, einen feuchten Glanz in ihren Augen zu entdecken. Das rührt mich zutiefst. Am liebsten wäre ich zu ihr hingegangen und hätte sie einfach nur getröstet. Aber erstens geht man seit Langem nicht mehr einfach zu einer Frau und berührt sie, ohne vorher eine Kontaktanfrage gesendet zu haben und zweitens begann ein Notprogramm in mir zu arbeiten, dass mich auch vor mir selbst schützen sollte.

      »Ich bin Psychiater, wissen Sie?«

      Sie lacht schrill und kurz auf und ich meine, die Spur eines Anzeichens ihres Wahnsinns erkennen zu können.

      »Sie meinen, Sie waren Psychiater!«

      Ich schlucke. Es ist, als wäre plötzlich alle Energie aus mir gewichen und ich fühle, wie meine Beine weich werden.

      »Ja, ich fürchte, Sie haben recht. Ich, ich muss mich setzen.«

      Bis eben zu dem Moment war ich Psychiater gewesen. Auch dieses letzte Teilstück meiner Existenz zerbröselte nun zu feinem illusionären Staub. Was eigentlich blieb übrig, wenn alle Illusionen zerstört waren, mit denen man seine Existenz notdürftig gefüllt hatte?

      Ich spüre ihren Arm um meine Schulter. Als ich aufblicke, stelle ich fest, dass wir auf dem Sofa sitzen und sie mich sanft berührt. Wie wir dahin gekommen waren, kann ich nicht sagen, doch auch mir laufen die Tränen über die Wangen. Meint Gott, wie lange habe ich nicht mehr geweint?

      Sie will ihren Arm zurückziehen, doch ich fasse schnell nach ihrer Hand auf meiner Schulter. »Nein, nicht, bitte, es tut so gut, bitte lassen Sie ihre Hand dort liegen!«

      Ich schließe die Augen und spüre die Berührung des fremden Körpers. Es ist, als wenn aus ihrer Hand ein Strom von Wärme in mich fließen würde.

      »Sie Armer!«, flüstert sie, entzieht mir dann aber doch sanft ihre Hand. Ich kann nicht mehr an mich halten und breche in ein verzweifeltes Weinen aus, krümme mich zusammen und verberge mein Gesicht in meinen Händen. Als ich wieder zu mir komme, sehe ich sie wie vorher wieder in der Nähe des Fensters stehen und mit verschränkten Armen hinaus in die Leere sehen.

      »Sie sind ein Controller, nicht wahr?«

      Ihre Stimme hat einen harten, verbitterten Klang angenommen.

      »So sagt man wohl«, nicke ich.

      »Sie haben ihn getötet!«, flüstert sie.

      »Ich?«

      Sie stößt einen spitzen Lacher aus. »Nein, die!«

      »Die?«, frage ich verständnislos.

      Sie schweigt. »Sie haben ihn einfach umgebracht«, fährt sie fort, ohne auf mich zu achten. »Kaltblütig abgeschlachtet.«

      Ich warte auf eine Erklärung, die nicht zu kommen scheint.

      »Was werden Sie jetzt tun?«, fragt sie mich nochmals.

      »Ich kann nicht mehr zurück, nicht wahr?«, frage ich, weil mir dies langsam klar wird.

      »Vermutlich nicht.«

      Ratlos schaue ich mich nochmals im Raum um. »Wie kommt das hier her?«, frage ich sie mit dem Blick auf das technische Ungetüm in der Mitte des Raumes.

      »Schweigen Sie!«, fährt sie mich an, geht dann mit einigen entschlossenen Schritten auf mich zu, hält mir drohend ihren Zeigefinger vor das Gesicht und stößt mit vor Wut verzerrtem Mund zischend aus. »Niemand, verstehen Sie, niemand darf erfahren, dass es so etwas überhaupt gibt! Verstehen Sie? Niemand!« Sie verharrt in dieser Geste, bis sie aus meiner Reaktion herauslesen kann, dass ich sie verstanden habe.

      Ich nicke, erschrocken über die Gewalt ihres plötzlichen Ausbruches. Ich bin beeindruckt, weil ich eine derartige Energie bei ihr gar nicht vermutet hätte.

      »Was also werden Sie jetzt tun?«, fragt sie mich nochmals fast zischend.

      »Wir sind zu weit gegangen, nicht wahr?«, entgegne ich ratlos.

      Sie nickt. »Ich bin zu weit gegangen. Mein Gott wie konnte ich nur so töricht sein? Ein Controller!!«

      »Von mir haben Sie nichts zu befürchten«, versuche ich es.

      Sie fährt herum. »Mann, begreifen Sie es denn nicht? Es sind nicht Sie, den ich fürchte. Es sind die Leute, die Sie zu mir geführt haben!«

      »Ich bin nicht zu Ihnen geführt worden!«

      »Mein, Gott, wie naiv kann man denn sein?«, fährt sie auf.. »Glauben Sie etwa, Sie könnten auch nur einen Schritt tun, ohne dass Sie manipuliert werden?«

      »Glauben Sie mir«, entgegne ich entschieden. »Ich wollte Sie treffen und ich habe alles unternommen, um ihnen zu entkommen!«

      4.*

      Der Plan reifte damals langsam in mir heran. Ja, ich hatte beschlossen, die Montenièr dennoch aufzusuchen! Doch zuerst musste ich einige Vorbereitungen treffen.

      Zunächst einmal musste ich mir über meine eigenen Motive klar werden, schließlich war ich offiziell nicht mehr mit dem Fall betraut, solange ich das Hausverbot im Amt hatte. Wenn ich mir über meine Motive nicht klar war, konnte ich auch nicht einschätzen, welches Risiko ich eingehen wollte. Denn ein Risiko würde ich eingehen, das war mir klar. Oder besser gesagt, ein Risiko würde ich eingehen wollen, es drängte mich geradezu nach dem Risiko. Ich würde es ihnen schon zeigen! Rache! Ja, es war der pure Rachegedanke, der mich trieb. Rache für die erlittene Schmach, für die Demütigungen. Rache für die monatelangen Frustrationen, wenn ich aus meiner Bürotür trat und diese Tür gegenüber sah. Rache für die schlaflosen Nächte, in denen ich in meiner Fantasie alle meine Vorgesetzten niedergekämpft hatte, um dann, sobald der Monitor meldete, dass es Zeit sei aufzustehen, dass es Zeit sei unter die Ultraschalldusche zu gehen, das Frühstück aus dem Küchenautomaten zu ordern, die Vergeblichkeit meiner Wut zu

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