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Viktor. Levi Krongold
Читать онлайн.Название Viktor
Год выпуска 0
isbn 9783742779670
Автор произведения Levi Krongold
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Damals waren mehr als zwei Millionen Menschen von der Seuche befallen, litten an diesen Symptomen, die ein Absterben der Hirnsubstanz zur Ursache hatten, sowie völliger geistiger Verblödung, schließlich Ausfall aller vegetativen Zentren im Körper und grauenhafter qualvoller Tod infolge stetigen Verfalls des Nervensystems. Damals wurde befürchtet, dass die Seuche sich explosionsartig über die ganze Welt ausbreiten würde, was nur dadurch verhindert werden konnte, dass man die gesamte brasilianische Bevölkerung durch den glücklicherweise eilig erzeugten Impfstoff immunisierte und entsprechende Impfzentren an Bahnhöfen und Flughäfen einrichtete. Ein Riesengeschäft für den Pharmakonzern.
Seither herrschte staatlich angeordneter Impfzwang in fast allen Ländern der Erde. Bürger aus Ländern, die nicht mitmachen konnten, erhielten keine Reiseerlaubnis oder wurden teils mittels drakonischer Strafen zur Impfung gezwungen. Obwohl die Datenlage über die Ausbreitung der Seuche, die punktuell immer wieder an verschiedenen Punkten auftrat, mehr als dürftig war, galten die Impfgegner als staatsgefährdend und wurden mit Entzug der Bürgerrechte bestraft. So konnte Kritik erst gar nicht in größerem Maße entstehen. Dummerweise hielt die Impfung lediglich maximal zwei Jahre und musste dann aufgefrischt werden.
Ich selbst hatte zwar in meinem Studium und meiner späteren Klinikzeit noch nie einen am Zoga-Virus Erkrankten gesehen, konnte aber alle Aspekte der Erkrankung theoretisch runterbeten. Und die Symptome waren alles andere als angenehm. Ich hätte also bereits der ersten Aufforderung zur Auffrischimpfung nachkommen sollen, hatte es aber bewusst oder unbewusst ‚vergessen‘, bis heute.
»Sie wissen, dass Ihnen dies nicht nur den Job kosten könnte?«
»Ich werde es nachholen«, seufzte ich ergeben.
»Worauf Sie sich verlassen können!«, zischte sie. »Was wollten Sie also wirklich in dem Viertel?«
Mir war klar, dass ich mit der Wahrheit nicht weiterkam. Aber welche Ausrede fiel mir ein, die die Dicke zufrieden stellen konnte?
Statt dessen sprach sie weiter. »Ich sag Ihnen, was Sie dort wollten! Sie wollten mit einem terroristischen Netzwerk Kontakt aufnehmen..!«
»Ich bitte Sie, das ist absurd!« Meine Empörung war echt.
»Wie erklären Sie es dann, dass mit dem Guthaben Ihres Kontos offenbar Waffen und Munition angeschafft wurden!«
»Wie bitte?«, fuhr ich hoch, was mein Kopf mir trotz der Schmerztablette sehr übel nahm.
»Wir haben den Weg Ihrer Quians durch das Netz verfolgt, obwohl versucht wurde, es durch vielfältige Umbuchungen über Deckadressen zu waschen. Es landete, Sie dürfen raten wo..!«
Ich war viel zu schockiert, um antworten zu können.
»Im Sudan, bei einer Rebellengruppe.«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«, stotterte ich fassungslos.
Sie war aufgesprungen und schrie mich an. »Es ist mein verdammter Ernst! Und wenn Sie Bürschchen mir weiter solche Märchen auftischen wollen, dann werden Sie mich kennenlernen!«
Damit entschwand sie aus dem Raum und der Knall der zufliegenden Tür schoss mir fast ein Loch ins Hirn.
Ich kann nicht behaupten, dass mich diese Szene kalt gelassen hätte. Eine dumpfe Vorahnung von den übelsten Komplikationen keimte in mir auf, die sich später nur zu sehr bestätigen sollten. Vorerst tanzte vor meinen inneren Augen nur ein überdimensionale. »0 Quians« einen wilden Tango auf meinem geistigen Display. Wenn sich tatsächlich jemand meiner Chips bedient hatte, um Geld von meinem Konto abzuheben, dann musste er seltsamerweise auch den Übermittlungsschlüssel außer Kraft gesetzt haben, was bei der heutigen Technologie, die auf der Quantensicherung und einem Gen-Code beruht, eigentlich komplett unmöglich wäre. Und dass ich selbst in einem umnachteten Zustand Geld an Rebellengruppen im Sudan überwiesen haben sollte, war komplett ausgeschlossen. In was für eine Schweinerei war ich da hineingeraten? Aber es sollte noch dicker kommen, viel dicker!
Später, nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit die Zimmerdecke angestarrt hatte, meldete sich der Screen mit einer Videonachricht. Eine Krankenschwester kündigte den Impftermin an, ich solle mich bereit halten. In der Zwischenzeit sollte ich die Kontaktdaten von meinem Rechtsanwalt herausfinden, um eine juristische Vertretung für meinen Fall zu beauftragen. Fü. »meinen Fall«? Jetzt war ich von einem medizinischen Fall schon zu einem juristischen Fall upgegradet worden? Das war wohl ein schlechter Scherz!
War es nicht.
Es half auch nicht, dass ich an die Vernunft meines Gegenübers in Form eines weiteren und wohl ranghöheren Sicherheitsbeamten, der mich noch vor der angedrohten Nachimpfung aufsuchte, appellierte. So meine Argumentation: Wieso sollte ich mich einer sudanesischen Rebellentruppe anvertraut haben und mich als Belohnung anschließend verprügeln lassen?
Er antwortete mit einer traurig ernsten Miene, die jedoch nicht mir galt, sondern offenbar Bestandteil seines Gesichtes war, ‚Das sei zwar alles sehr unschön, er müsse nun einmal von den Fakten ausgehen und die sprächen eindeutig gegen mich‘.
Welche Fakten bitte?
Erstens, so zählte er an seinen Fingern auf, sei ich unmotiviert nach meiner beruflichen Tätigkeit angeblich zufällig in diese berüchtigte Gegend gekommen, um angeblich zu speisen, obwohl ich nachweislich bereits Essen für den Abend geordert hatte. Noch dazu, weil, zweitens, ein angeblicher Geheimdienstmitarbeiter, der nachweislich nicht existierte, mich dazu aufgefordert habe. Drittens sei mit dem Geld, und zwar nicht nur dem Guthaben auf meinem Konto, sondern bis zur Ausschöpfung des gesamten Überziehungsrahmens, über verschleierte Umwege Geld an Rebellen zwecks deren Bewaffnung geflossen. Und das eindeutig mit meinem Gen-Code und unter Verwendung des modernsten Sicherheitsschlüssels, so dass eine unbeabsichtigte oder durch Dritte verbrecherisch durchgeführte Transaktion undenkbar sei. Viertens weise meine Impfverweigerung darauf hin, dass ich das Gemeinwohl nicht sehr ernst nehme und möglicherweise sogar sabotieren wolle. Das seien die Fakten. Warum und weshalb es zu den anschließenden Verletzungen bei mir gekommen sei, sei trotz meiner engagierten Aussage, die überprüft werde, in den Bereich der Spekulation einzuordnen und leider ohne jeglichen Belang.
Angesichts dieser erdrückenden Beweislage zog ich es beinahe vor, die Waffen zu strecken. Es fiel mir schwer, ihm nicht eine gewisse Logik in seiner Sichtweise zu bescheinigen.
»Halt, Moment mal! Warum fragen Sie nicht unseren Dienststellenleiter, der wird ihnen wohl alles erläutern können!«, hoffte ich ihn überzeugen zu können.
»Das haben wir bereits veranlasst, obwohl derzeit nur sein Vertreter Herr Dr. Eschner zu erreichen ist. Er gab an, dass er sich ihr Verhalten auch nicht erklären könne und einen Mitarbeiter namens Raskovnik kenne er auch nicht.«
An dieser Stelle fiel mir der Unterkiefer runter. Dieser Kotzbrocken! Dieser Widerling, dieser, dieser...! Erschöpft ließ ich mich auf mein Kissen zurücksinken. De. »Oberwachtmeister« verabschiedete sich traurig, nachdem er mir mitgeteilt hatte, ich müsse verstehen, dass ich zur Zeit unter Haft stehe und das Krankenzimmer nicht verlassen dürfe, bis ein Richter über mein weiteres Schicksal entschieden habe.
Er notierte eifrig den Namen meines Anwaltes in sein Pad und verließ das Zimmer, nicht ohne mir einen Blick zuzuwerfen, mit dem man üblicherweise nur seinen todkranken Dackel beerdigt.
In meinem Kopf spielten die Gedanken ‚Fang mich‘. Man sollte doch besser auf sein Bauchgefühl hören. Das hatte mich eindeutig vor dem ganzen Fall gewarnt! Ich dachte über meine momentanen Möglichkeiten nach und konnte sie ohne große statistische Überlegungen überschlagsmäßig als null bezeichnen. Das Bild von Frau Montenièr fiel mir wieder ein bzw. ihre Augen. Genau diese Augen waren es wohl, die mich in das ganze Schlamassel gerissen hatten, neben meinen übermäßigen Gefühlen der Rachsucht gegenüber Dr. Dr. habil Arschloch Eschner.
Buddha