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ein selbstgefälliges Grinsen, lehnte sich verschwörerisch nach vorne und flüsterte mit gesenkter Stimme. »Also hör zu. Es scheint, dass einige Abteilungen sehr beunruhigt sind, weil die Klientin nicht nur schizophren sein soll, sondern sich auch auf eine eigenartige Art und Weise der Überwachung entzieht.«

      »Überwachung?«, fragte ich verwundert nach.

      »Naja, du weißt schon. Eigentlich sollte sie irgendwo wohnen. Offiziell tut sie das auch, aber dort ist sie nie anzutreffen. Daraufhin wurde man aufmerksam auf diese Person und begann sie zu überwachen, Terrorgefahr, du verstehst?«

      »Eine Verrückte?«, gab ich ungläubig zurück.

      »Warum nicht, meinst du, die Terroristen wären alle ganz klar im Oberstübchen?«, konterte er.

      Das deckte sich auch mit meiner Einschätzung. »Und weiter?«, forschte ich.

      »Es stellte sich heraus, dass auch die im öffentlichen Raum zulässigen Mittel und auch die weniger offiziellen Mittel, wie Arm-Pad-Überwachung, nicht dazu führten, lückenlos heraus zu bekommen, wo sich diese Person aufhält. Sie scheint sich immer wieder in Luft aufzulösen.«

      »Echt?«, fragte ich erstaunt. Es war mir natürlich bereits klar, dass die inoffizielle Überwachung entgegen aller offiziellen Versionen breite Anwendung findet, insbesondere als ich durch einen Zufall herausbekam, dass jedes Handy zwei Leitungen gleichzeitig benutzen kann, eine offizielle Gesprächsleitung und eben eine weitere, die ohne Wissen des Teilnehmers funktioniert.

      »Und?«, regte ich ihn zu einer weiteren Erklärung an, da er mich abwartend anschaute.

      »Es scheint in ihrem Umfeld Leute zu geben, die eine Technik anwenden, die sie vor Überwachung wirksam schützt. Das ist natürlich für die Abwehr von potentiellen Gefährdern ein großes Problem.«

      Das verstand ich.

      »Aber was habe ich damit zu tun?«, versuchte ich, nun langsam Licht in die Angelegenheit zu bringen.

      »Man war der Ansicht, es wäre am unauffälligsten den üblichen Routineweg zu gehen. Einen Gutachter erwartet man ja in solchen Fällen und daher erregt dieser bei einem eventuell gefährlichen Umfeld am wenigsten Verdacht.«

      Mir wurde ein wenig mulmig. Was aber, wenn das möglicherweise gefährliche Umfeld nun auf die Idee kam, mich einfach wegzubomben?

      »Dafür bin ich zu deinem Schutzpatron ernannt worden«, gab er grinsend von sich.

      »Ich kann dir auch nur versichern,« nickte er. »dass ich dich so gut wie möglich mit Rat und Tat unterstützen werde, wenn du nicht zurechtkommen solltest.«

      »Firma dankt!«, erwiderte ich frostig.

      Im Rausgehen rief er mir noch nach. »Ich kann mich auf dich verlassen, ja? Denk dran, die Sache eilt!«

      Ich kann nicht behaupten, dass ich mich an Einzelheiten bezüglich des Rückweges zu meinem Zimmer wirklich erinnern kann. Ich war damit beschäftigt, über die vielen Ungereimtheiten nachzudenken, als mein Arm-Pad angeplingt wurde. Raskovnik, einer meiner wenigen Bekannten im Amt, lud mich ein, kurz einmal in der Cafeteria vorbeizuschauen. Erfreut drehte ich auf dem Absatz um und erlaubte mir den kleinen Umweg durch das Erdgeschoss.

      Raskovnik ist ein merkwürdiger Mitmensch. Er passt so gar nicht ins Amt. Offenbar ist er jedoch genauso hier gestrandet wie ich. Sein Vater soll ein hohes Tier bei der Uno gewesen sein. Das war, bevor die Eurasische Union zwischen Russland und China, Tuanti Sojus, kurz TUS, die militärische und wirtschaftliche Schwäche der USA nach deren strategischer Niederlage im Nahen Osten ausnutzte und die Hebel der Macht an sich riss. Zurück blieb eine ausgebombte, radioaktiv verseuchte und unbewohnbare vorderasiatische Region, mit der wirklich niemand mehr etwas anfangen kann und eine durch innere Konflikte auseinanderfallende Rest-USA, die Western Union, die im Weltgeschehen praktisch bedeutungslos geworden ist.

      In diesem Verlauf wurde die UNO als nutzlos und zu kostspielig aufgelöst. Raskovnik's Vater floh offensichtlich in die TUS, wo er jedoch keine wesentliche Funktion mehr innehatte und sein Sohn, Vladic Raskovnik, versumpfte hier im Amt ohne Aussicht auf eine nennenswerte Karriere. Dennoch hatte er bei der besagten Abteilung für Gefährdung und Sicherheit eine unbedeutende, jedoch gesicherte Tätigkeit als Dolmetscher erstreiten können, auch wenn er unter ihrer Leitung nicht ganz glücklich zu sein schien.

      Er wirkt ein wenig phlegmatisch, trotz des Stiernackens und seines fast quadratischen Körperbaus, was einem Ringer mehr entspräche als einem Sesselpfurzer. Allein die senkrechte Falte über seiner Nasenwurzel und sein verschlossenes, wortkarges Auftreten lassen den geschulten Psychiater die mühsam beherrschte Wut ahnen, die diese Seele peinigen muss. Dennoch, Raskovnik sprach gleich von Anfang an eine Seite in mir an, die ihm meine Zuneigung sicherte. Ihn traf ich häufiger in der Cafeteria. Auch wenn es nie zu einem tiefer gehenden Gespräch kam, so plingte er mich des Öfteren an, nur um mir ein paar belanglose Worte zu simsen.

      Hinzu kam, dass auch Raskovnik als Mitarbeiter der Sicherheit ei. »Grauer« ist und dass er mir gegenüber im Laufe der Monate seinen Klarnamen erwähnte, was einen eklatanten Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen darstellt, zeigte mir, dass unsere Sympathien wechselseitig sein müssen. Kurz und gut, ich freute mich nach dem Gespräch mit Eschner vielleicht ein paar Hintergrundinformationen von ihm zu erhalten. Umso mehr wunderte es mich, dass er sich, wie ich mich erinnere, nur auf wenige Sätze beschränkte, nachdem ich ihm kurz die Zusammenhänge erläutert hatte.

      »Levi, sei auf der Hut vor Eschner! Da scheint eine riesige Sauerei im Amt zu laufen. Ich versuche heraus zu bekommen, woher der Wind weht. Ich melde mich bei dir!« Damit verließ er die Cafeteria eilig, ohne sich noch einmal nach mir umzuschauen.

      Ich verbrachte den Rest des Tages vergeblich damit, meinen Bearbeitungsrückstand bezüglich der offenen Fälle zu verringern. Schließlich gab ich es trotz blinkender Warnhinweise wegen der Bearbeitungsdauer längst überfälliger Akten und tiefrot im Minus verweilender PC- Zeiten auf und beschloss, für heute Schluss zu machen, zumal auch keine Termine zur persönlichen Begutachtung mehr eingetragen waren. Ich bestellte per App ein AuTaX, eine automatische Fahrkabine, die die Funktion früherer Taxis übernommen hat, zum Amt.

      Nachdem ich am Ausgangsterminal meinen Daumenabdruck und meine Iris gescannt hatte und ich erfolgreich ausgeloggt war, umfing mich feuchtkühler Nachmittagsnebel. Das AuTaX wartete bereits in der Haltebucht, so dass ich es mit dem Chip am Fingerring aktivieren konnte.

      Ich zögerte kurz, wählte dann aber nicht meine Wohnadresse, sondern das italienische Bistro im benachbarten Park am See und legte mich entspannt zurück, als das AuTaX lautlos seine Fahrt aufnahm. An mir floss der dichte Personenverkehr mit viel Lärm und Gestank vorbei, während ich auf meiner AuTaX-Spur problemlos das Chaos neben mir zurückließ.

      Ich fragte mich, wann es wohl gelingen werde, das vor 20 Jahren begonnene AVS-System endlich zu realisieren. AVS ist die Abkürzung für ‚Automatisiertes Verkehrssystem‘. Die Idee war ja nicht schlecht, alle innerstädtischen Fahrzeuge automatisiert und vor allem elektrisiert und auf Mietbasis zu betreiben. Keine lästige Parkplatzsuche mehr, keine verstopften Straßen, keine Staus. Leider stehen zwischen einer Idee und deren Verwirklichung die Dämonen der Verwaltung und auch des Besitzstanddenkens. Nicht nur die Autoindustrie zeigte sich eher schwerfällig, denn es sollten ja letztendlich keine privaten Pkw mehr auf die Straße, sondern statt dessen automatisierte Fahrkabinen, die auf Anforderung das gewünschte Fahrziel ansteuern. Auch die Verkehrsbehörde hatte massive Bedenken und torpedierte das Projekt, wo sie konnte. Übrig blieb vorerst nur die AuTaX-Fahrspur für automatisierte Taxikabinen, die in allen größeren Straßen realisiert worden war, immerhin. So fließt denn der führerlose Taxiverkehr weitgehend ungestört neben intelligenten Autos, die dennoch ständig irgendwelche Unfälle verursachen, und dem herkömmlichen Personenverkehr dahin, mit dem Ergebnis größtmöglicher Ineffektivität. Ich verzichte gerne auf den Besitz eines prestigeträchtigen Pkws, wenn ich so für die Überbrückung einer normalen Fahrstrecke nur ein Drittel der sonst üblichen Zeit benötige. Ganz zu schweigen von den öffentlichen Verkehrsmitteln, die inzwischen zu reinen Sicherheitsrisiken geworden sind und nur noch vo. »Mobb« benutzt werden.

      Als

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