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10, es bleiben ganze 16 Arbeitstage, von denen der Tag für den Kollegiumsausflug abzuziehen wäre, und schließlich feiert jede Lehrperson im Durchschnitt etwa 15 Tage krank im Jahr. Eigentlich hat man es immer schon gewusst: Lehrer arbeiten absolut nicht einen einzigen Tag im Jahr, was zu beweisen war.“

      Bei soviel Bestätigung für die offensichtlich angeborene Faulheit von Lehrern sollte man nun annehmen, dass Lehrer wenigstens untereinander sich sehr kollegial verhalten und natürlich wissen, wie fleißig sie in Wirklichkeit sind. Wieder weit gefehlt. Der einzige wirklich fleißige Lehrer bin nur immer ich ganz allein. Und das behauptet schlichtweg jede Lehrerin und jeder Lehrer von sich. Die Kolleginnen und Kollegen, na ja, sprechen wir lieber nicht darüber. Man schaue sich nur den Stundenplan genau an: „Herr Fiori, aus welchem Grunde haben Sie eigentlich nur drei Springstunden in Ihrem Plan? Müssten Sie nicht wegen Ihrer Sonderstunde als Beratungslehrer noch eine Stunde mehr im Schulgebäude sein? Sie haben doch für diese Tätigkeit schon zwei Stunden weniger zu unterrichten!?!“ Und wieder, selbst hier im vertrauten Kollegenkreis überkommt mich das gewohnte, nicht mehr aus meinem Leben wegzudenkende Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. Oder sollte ich lieber antworten: „Ach, liebe Kollegin, Sie können ja gerne die Ausbildung zum Beratungslehrer absolvieren und mich danach ablösen!“ Was sage ich aber tatsächlich: „Ach, wissen Sie, Frau Kollegin, im Augenblick habe ich soviel mit Beratung zu tun, dass ich schon weit mehr Stunden damit verbringe als ich an Ermäßigung erhalte. Allein die Schülerin ..... .“ Lerne ich es denn nie? Schweigen ist Gold!„Ja, ja, damit haben wir doch alle unser Kratzen, oder meinen Sie, ich würde meine Schülerinnen und Schüler nicht beraten!?!“ Das hat wieder mal gesessen. Soll ich etwas erklären, mich rechtfertigen? Ich glaube ich resigniere einfach und erzähle, wie ein fauler Lehrer auf die Welt kommt und eben ein wirklich fauler Lehrer wird. Beinahe hätte ich die Hauptpersonen vergessen im Leben eines Lehrers, oder die, die Hauptpersonen sein sollten, wenigsten meiner Meinung nach: „Die lieben oder nicht immer lieben Schülerinnen und Schüler.“ Solange ich als Lehrer tätig war, war ich bei den Schülerinnen und Schülern immer sehr beliebt, was bedeutet, dass ich eigentlich mit meiner Berufstätigkeit sehr zufrieden sein könnte, da ich meiner Meinung nach diese Beliebtheit erworben habe durch besonderen Fleiß ( wie bereits oben angemerkt!) und besonderen Einsatz für die Belange der Schülerinnen und Schüler. Außer der Tatsache, dass diese Aussage sehr nach Eigenlob stinkt, klingt sie gleichzeitig auch ein wenig nach Rechtfertigung und nach Entschuldigung, diesem ständigen Begleitphänomen in meinem Leben. Denn auch bei den Kindern, die ich zu betreuen hatte, kam es immer wieder vor, dass ich mich entschuldigen musste: dafür, dass die Arbeit noch nicht benotet war, dafür, dass einige andere Lehrer zu streng waren in den Augen der Kinder, dafür, dass es trotz großer Hitze keine Stunde Hitzefrei gab, dafür, dass ich wegen eines dringenden Gespräches mit einer Mutter oder mit einem Vater drei Minuten zu spät in den Unterricht kam, dafür, dass ich nun wirklich die lange angekündigte Klassenarbeit schreiben ließ, obwohl doch die armen Kinder aus mancherlei Gründen gerade in dieser Unterrichtsstunde eigentlich gar nicht dazu in der Lage waren, dafür, dass ich überhaupt da war und nicht wegen meiner Erkältung oder wegen meiner unerträglichen Rückenschmerzen oder wegen des hohen Fiebers zu Hause geblieben war, wie die Kinder gehofft hatten, dafür, dass ich eine schlechte Arbeit tatsächlich schlecht benoten musste, und so ließe sich diese Liste endlos fortsetzen. Entschuldigt bitte, dass ich geboren bin!!!

      Lehrer werden geboren

       Geburtstag, 02. Februar 1941: Ein Kriegskind

      Zur Zeit meiner Geburt wohnten meine Eltern mit meiner Schwester Ursula, die schon sechs Jahre alt war, in Essen, im Ortsteil Margarethenhöhe , Im Stillen Winkel 40.

      Diese Wohnung in der ersten Etage auf der rechten Seite des Hauses hatten meine Eltern bekommen, nachdem meine Mutter herzzerreißend beim Verwaltungsdirektor darum gebettelt hatte, wie sie mir oft erzählte, weil sie so sehr verliebt war darin, kaum dass mit dem Neubau begonnen worden war..

      Hinter dem Haus gab es einen Garten, der in insgesamt vier Abschnitte aufgeteilt war, für jeden Mieter einen. Der Gartenabschnitt, der zur Wohnung meiner Eltern gehörte, grünte und blühte seitlich neben dem Haus, freundlich strahlte ein weißer Lattenzaun anmutig zur Straße hin, der den Garten von der Straße abtrennte. Heute erinnert daran nur noch ein Bild, das meine Schwester und mich beim Spiel vor diesem Zaun zeigt. Denn nach dem Krieg wurde das Haus leicht umgebaut und statt des Gartens eine Garagenanlage hinter dem Haus eingerichtet, um der vielen Autos des Nachkriegswunders Herr zu werden.

      Über zwei Treppenabsätze gelangte man zur Wohnungstür in der ersten Etage. Von dort ging es zunächst in einen Korridor oder Flur, von dem aus sich die Zimmertüren der einzelnen Räume links und rechts erstreckten.

      Mittelpunkt der Wohnung war das Wohnzimmer. Dort thronte als Blickfang an der Wand ein majestätisch aussehendes, sogenanntes Büffet, ein Wohnzimmerschrank aus glänzendem rotbraunem Nussbaumholz. Es schaute freundlich von der langen Zimmerwand herab und erinnerte mich immer an eine Mutter, die lieb und sorgend in das Zimmer blickt.

      Dieses Büffet war der Stolz der Familie. Es bestand aus insgesamt drei Teilen. Der etwa 2,20 m breite und 1.20 m tiefe Unterschrank stand auf runden Füßen und war mit einer etwa zehn Zentimeter breiten massiven Leiste unten an den Seiten und der Vorderfront eingefasst. Beide Türen waren reich verziert mit plastischen Blumen und Rankenornamenten, abgedeckt war dieser Unterschrank mit einer massiven Platte, die über den Schrankkorpus genau so weit herausragte, wie die Unterleiste. Als besonders moderner Clou befand sich zwischen zwei Schubladen und der Abdeckplatte eine herausziehbare drei Zentimeter starke Arbeitsplatte, mit zwei runden Knöpfen links und rechts zum Herausziehen.

      Über diesem Unterschrank, der etwa einen Meter hoch war, erhob sich ein, auf zwei runden, gedrechselten etwa dreißig Zentimeter hohen Zierpfosten stehendes Oberteil, das hinten von einem Abschlussbrett gehalten wurde. Dieses Oberteil war insgesamt genau so hoch wie der Unterschrank und bestand aus einem mittleren schmalen Schrankteil mit zwei ebenso reich verzierten Türen, wie sie auch der Unterschrank aufwies.. Zu beiden Seiten dieses Mittelschrankteils befanden sich zwei kleine Schrankfächer, die etwa vierzig Zentimeter hoch waren und dreißig Zentimeter tief, wie auch der Mittelschrank, und dreißig Zentimeter breit.

      Die beiden Seitenteile schauten wie seitlich stehende Augen mit ihren grünen Gläsern in das Zimmer. Verschlossen wurden sie mit Türen mit einer grünen Bleiverglasung. Auf diesem prunkvollen, gediegenen Möbelstück ruhten auf der Unterschrankplatte echte Kristallschalen und Kristallvasen, ebenfalls reich mit eingeschliffenen Ornamenten verziert.

      Vom ersten Tag meines Lebens an, besser von dem Tage an, als ich lernte, meine Umgebung bewusst wahrzunehmen, war ich in dieses Büffet verliebt. Es war für mich der Inbegriff des gemütlichen Familienlebens, das ich auf jeden Fall einmal erben wollte, wenn es denn so weit wäre.

      Dass sich im oberen Teil des Schrankes das so genannte gute Geschirr verbarg, sei auch erwähnt. Es bestand aus hauchdünnem Porzellan, mit rotbraunen Zeichnungen, die an Beeren oder Kleeblüten erinnerten. Angeblich sollte aus diesem Kaffee-Geschirr der Kaiser selbst getrunken haben. Das war bei einer gutbürgerlichen Familie wohl auch nicht anders zu erwarten.

      Zu zwölf Tassen, Desserttellern und Untertassen gehörten eine Kaffeekanne, eine Teekanne, ein Milchkännchen und eine Zuckerdose mit Deckel.

      Im Unterschrank befand sich das gute Ess-Geschirr, mit Goldrand verziert, bestehend aus zwölf Suppentellern, zwölf flachen Tellern, zwei Schüsseln, einer Sauciere und vier Vorlege-Tellern. Natürlich war der Goldrand echt, wie es sich für eine Familie unseres Standes gehörte.

      Zum Büffet gehörte in gleichem Holz eingefasst ein etwa mannshoher Spiegel, der immer in der Diele bzw. im Flur von der Wand herab dem Eintretenden sein eigenes Bild in voller Größe zeigte.

      Passend zu diesem Büffet gab es ein so genanntes Nähschränkchen, das nicht nur aus dem gleichen Holz bestand, sondern auch ebenso reich verziert war. Es war etwa siebzig Zentimeter breit und lang und besaß einen schweren Deckel, den man nach hinten aufklappen konnte. Drinnen bot es, mit rotem Samt und roten Satin ausgeschlagen, Platz für diverses Nähzeug,

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