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Der Trockene Tod. Alexander Köthe
Читать онлайн.Название Der Trockene Tod
Год выпуска 0
isbn 9783754177211
Автор произведения Alexander Köthe
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die drei Männer hielten in ihren Bewegungen inne und schauten Lu verdutzt und gleichzeitig voller Misstrauen an.
Lu mochte weder ausladende Floskeln noch langes Drumherumreden. Er stellte lieber auf direkte Art Fragen und bekam unerwartet oft eine passende Antwort. Vielleicht waren die überrumpelten Befragten - seiner aggressiven Offenheit wegen - einfach zu überrascht, um falsch oder gar nicht zu antworten. Auf jeden Fall hatte Lu durch seinen Stil schon die ein oder andere brisante oder gar geheime Information erhalten.
Da ihn der Hauptmann und seine beiden Grünschnäbel immer noch erstarrt anstierten, beschloss er, die Spannung nicht ausarten zu lassen, sondern seine Frage in eine kleine, beruhigende Lüge einzubetten.
“Es tut mir leid. Das Ganze geht mich natürlich nichts an, aber ihr müsst verstehen: Ich bin erst seit ein paar Tagen in Istendah und die Leute reden, wo auch immer ich hinkomme, nur von diesem einen Thema, den Morden. Ich möchte nur wissen, ob ich mich nachts überhaupt noch auf die Straße trauen kann.”
Der Bärtige war der Erste, der seine Worte wiederfand. Er prustete laut los, wohl, um seine Unsicherheit zu überspielen.
“Auf die Straße trauen könnt ihr euch schon. Ihr braucht lediglich ein reiches Waffenarsenal und Mumm für drei!”
Die beiden dürren Lappen lachten pflichtbewusst, genau wie Lu - anstandshalber.
Nur nicht die Stimmung kippen lassen.
Als das Lachen langsam abebbte, fragte Lu interessiert, aber bewusst beiläufig:
“Und jetzt mal im Ernst, die Herren? Wie siehts aus? Habt ihr schon eine Spur oder eine Ahnung, wer sich da draußen rumtreibt und Leute abmurkst?”
Das Grinsen des Bärtigen stoppte abrupt. Er kniff seine stechenden Augen fest zusammen und fixierte Lu erneut voller Misstrauen.
Es dauerte einige Herzschläge, bis der Hauptmann das angespannte Schweigen brach.
“Wer seid ihr, dass ihr so seltsame Fragen stellt? Man könnte meinen, ihr habt mehr Interesse an den Morden, als ein normaler Bürger haben sollte.”
In Lus Kopf arbeitete es. Seine Gedanken rasten. Blitzschnell versuchte er, die verschiedenen Vorgehensweisen abzuwägen.
Plan A: Sich für die Neugier entschuldigen, noch einen Krug Schwarzbier ausgeben und sich möglichst schnell verdrücken.
Plan B: Offensiv vorgehen.
Er entschied sich für Plan B und sagte mit fester, ernster Stimme:
“Mein Name ist Luhni Mahjos, Sohn des ‘Ersten Beraters’ des Stadthalters von Sahrip in Danarien.”
Den Titel seines Vaters erwähnte Lu nur, wenn er sich schnell Respekt verschaffen musste.
“Mein Job ist es, ungewöhnliche Geschehnisse aufzuklären, egal welcher Art. Ich habe im offiziellen Auftrag des Stadthalters von Grauheim in Mordfällen ermittelt, ebenso in Truhnheim, Takajan, Barkstadt und zahlreichen weiteren Orten, wenn die Kopfjäger versagten und die Stadtsoldaten und Inspektoren nicht weiterkamen.”
Lu machte eine kurze Pause, damit die Soldaten das Gehörte verarbeiten konnten.
“Nun bin ich hier in Istendah. Und wie es aussieht, könnte diese Stadt ebenso meine Hilfe gebrauchen.”
Lu griff in die Brusttasche seiner schwarzen Jacke und holte zwei zusammengefaltete Blätter gelblichen Papiers heraus. Im selben Moment erhob sich der bärtige Riese und breitete seine ganze Größe vor ihm aus. Er schien wenig beeindruckt von Lus Worten, schaute verärgert auf ihn hinab und überlegte womöglich, ob er den zu neugierigen Fremden nicht einfach ins Gefängnis werfen sollte.
Die Sekunden verstrichen in angespannter Stille. Nur ein kleiner Muskel unter dem rechten Auge des Hauptmanns zuckte ganz leicht. Dann öffnete sich plötzlich sein Mund und Lu hörte ihn zu seiner Überraschung fragen:
“Geht der nächste Krug auch auf euch?”
Vollkommen perplex brauchte Lu einige Sekunden, um das Gehörte zu verarbeiten. Als er wieder ins Hier und Jetzt fand, sagte er:
“Äh, klar!
Hey, Oberin? Noch einen Krug Schwarzbier für die stattlichen Herren hier!”
Der Hauptmann grinste breit und setzte sich wieder auf seinen grünen Plastikstuhl, der unter seinem Gewicht bedenklich knarzte. Die Spannung löste sich.
Lu faltete die beiden Schriftstücke auseinander und überreichte sie dem Hauptmann. Es handelte sich um beglaubigte Dokumente aus dem merkanischen Grauheim und dem shinsundischen Takajan, die ihn als offiziellen Ermittler der Städte auswiesen, unterzeichnet von den jeweiligen Stadthaltern höchstpersönlich, die ihm für seine Verdienste dankten.
Während der Hauptmann las, murmelte er die geschriebenen Worte leise vor sich hin. Als er fertig war, gab er die Dokumente mit einem anerkennenden Nicken an Lu zurück. Jetzt schien er doch beeindruckt oder zumindest zufrieden gestellt, einen Gleichgesinnten, möglicherweise sogar einen Verbündeten an seinem Tisch zu wissen, einen behördlich anerkannten Ermittler. Er begann zu erzählen.
Sein Name war Marti Riderick, Hauptmann der Stadtwache, zuständig für das Hafenviertel Istendahs. Lu erfuhr, dass es sich bei allen fünf Mordopfern um Männer handelte. Stets wurden die leblosen Körper in seinem Revier - dem Hafenviertel - gefunden, dort, wo auch Benem ermordet worden war. Alle Leichen waren grausam verstümmelt und ihres Blutes beraubt entdeckt worden.
“Aber das ist noch nicht alles”, fuhr der Hauptmann der Stadtwache fort, nachdem auf Lus Geheiß der dritte Krug Schwarzbier serviert worden war.
“Wir haben fünf Tote. Dazu kommen noch acht vermisste Kinder!”
Lu erschrak. Gleichzeitig breitete sich in seinem Innern eine unendliche Erleichterung aus. So schrecklich die Situation auch war, so sicher konnte er sich jetzt sein, dass er der richtigen Spur nachgegangen war, dass richtige Monster verfolgt hatte. SIE!
Ermordete Männer, blutleer, verstümmelt.
Dazu entführte Kinder.
Das ist das Muster.
Das ist IHRE Handschrift.
…
Bist du es wirklich?
Riderick riss Lu aus seinen Gedanken.
“Alle Kinder sind innerhalb der letzten vierzehn Tage aus verschiedenen Stadtteilen verschwunden und bislang nicht wieder aufgetaucht. Das hat sogar die Aufmerksamkeit des Ministeriums erregt.”
Das ‘Sdotrische Ministerium’ in Istendah war das politische Zentrum, die höchste Instanz des ganzen Landes und kümmerte sich um die übergeordneten Themen Sdotriens. Es gab innenpolitische Abteilungen, die sich zum Beispiel um Gesetzes-, Bildungs- oder Gesundheitsangelegenheiten kümmerten.
Außenpolitisch erarbeitete es unter anderem Handelsabkommen, schloss Wirtschaftsverträge oder Koalitionen mit anderen Ländern. Auch militärische Belange gehörten zu den ministeriellen Aufgaben.
In Istendah selbst kümmerte sich das Ministerium vor allem um das Ansehen der Stadt, den Glanz, den sie ausstrahlte, ihre kulturelle Vielfalt und die zahlreichen Orte des Wissens.
Ein banaler Mord hingegen fiel in den Aufgabenbereich des Stadthalters und hatte für die höchste Instanz eine ähnlich große Bedeutung wie ein Rattenschiss in der Gosse. Wenn also schon das Ministerium den grauenhaften Untaten seine Aufmerksamkeit schenkte, musste die Situation von ganz oben als gravierend eingestuft worden sein.
“Das Ministerium hat sogar eine Belohnung ausgesetzt”, fuhr der Hauptmann fort.
“Wer den Mörder stellt, bekommt einen satten Beutel voller Münzen.”
“Und was ist mit den verschwundenen Kindern?”, erwiderte Lu gespannt.
“Nun, das ist ein anderer Fall. Müssen wir natürlich