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Der Trockene Tod. Alexander Köthe
Читать онлайн.Название Der Trockene Tod
Год выпуска 0
isbn 9783754177211
Автор произведения Alexander Köthe
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mit großen Augen blickte er auf den reichlich gedeckten Tisch vor sich.
“Wow, danke!”, sagte Lu begeistert mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Er hatte mächtigen Hunger.
Die Oberin lächelte zurück und ließ ihn in Ruhe sein Frühstück genießen. Im Gegensatz zu dem traurigen Eintopf von gestern schmeckte das Essen wirklich hervorragend. Besonders der kalte Braten und der Gator-Speck waren so gut, dass Lu gar nicht bemerkte, dass sich die Fesseln an seinen Albtraum gelöst hatten.
Während er genüsslich und ausgiebig aß und trank, blickte er sich im Schankraum des ‘För Fremdigar’ um. Lu befand sich in einem ausladenden Raum, in dem zahlreiche kleine und größere hölzerne Tische standen, an denen braune, grüne und weiße Plastikstühle ordentlich angerichtet waren. Im vorderen Teil, nahe der hölzernen weißen Eingangstür, befand sich eine lang gezogene leicht gebogene Theke aus breiten Stücken blank poliertem Metalls, die mit schwarzen Nieten miteinander verbunden waren.
Neben der Theke stand ein hoher und breiter mechanischer Automat aus grauem Metall, aus dem sich ein Einheimischer gerade frisch gemahlenen braunen Kertush zapfte, indem er seinen Stadtausweis vor einen kleinen Sensor hielt. Außerdem spendete der Automat auf Wunsch Wasser, Tee und süßen Dornbeerensaft. Ein sehr modernes technisches Gerät, das wahrscheinlich nur wenige Gasthäuser in Istendah besaßen.
Der gesamte Boden des Speiseraums war mit hellen hölzernen Bohlen ausgelegt. Von der weiß gestrichenen Decke hingen große schwarze elektrische Lampen.
Ungefähr in der Mitte des Raumes befand sich ein echter alter Kohlekamin, der jetzt am Morgen jedoch aus war. Lu vermutete, dass er abends, wenn die Gäste ihren Feierabend genossen, angezündet wurde, um eine gemütliche, heimelige Atmosphäre zu schaffen. Zum Heizen diente der Kamin jedenfalls nicht, denn das erledigten deutlich sichtbare Radiatorrohre aus reinem Silber, die an den bis zur halben Deckenhöhe weiß vertäfelten Wänden entlang liefen.
Früher einmal war Silber wertvoll gewesen, zwar nur mäßig, aber immerhin wertvoll. Aber seit man in den ‘Rodesischen Bergen’, nahe der Stadt Rodesia, riesige Vorkommen gefunden hatte, war das Metall nicht mehr wert als dieselbe Menge herkömmliches Eisen.
Lu trank den Rest seiner Ziegenmilch und stellte den leeren Becher auf den hölzernen Tisch. Satt und glücklich erhob er sich von seinem Stuhl.
Sofort schoss ein leichter, stechender Schmerz durch sein linkes Bein, der die wohlige Blase platzen und ihn zurück in die harte Realität fallen ließ.
Verdammter Mist!
Nur vorsichtig auftretend, wollte Lu gerade zurück auf sein Zimmer gehen, wo eine wunderbare beheizbare Kupferwanne auf ihn wartete, als drei Männer lautstark den Schankraum betraten. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, gehörten sie zur hiesigen Stadtwache. Sie trugen dunkelblaue Uniformröcke mit goldenen Knöpfen und Streifen an Hüfte und Ärmelenden und königsrotem Innenfutter, was durch den Rockaufschlag unterhalb des Bauches deutlich zu sehen war. Auf ihren Schultern prangten goldfarbene Rangabzeichen. Dazu trugen sie dunkelblaue Hosen und schwarze, hohe, feste lederne Stiefel. Ihre Köpfe wurden von dunkelblauen Schirmmützen mit goldenem Band und dem Wappen Istendahs bedeckt, das den Carob Toran als Zeichen für Fortschritt und Wissen und den roten Krebs als Symbol für das Meer zeigte, welches die Bürger der Stadt schon seit Angedenken ernährte.
Im Gegensatz zu den blitzsauberen Uniformen wirkten deren Träger eher mau. Der vordere, ein mittelalter bärtiger Mann mit der Statur eines Bären und dem Aussehen eines ungewaschenen Wildschweins, schien der Hauptmann zu sein, was man unter anderem an seiner Uniform erkennen konnte, die von einer dicken goldenen Kordel an der rechten Schulter geziert wurde. An seinem breiten, schwarzen Ledergürtel trug er eine große, eiserne Stichwaffe, einen Säbel.
Die beiden einfachen Soldaten hinter ihm, beides noch junge und dürre Burschen, schulterten je eine silberne Zweihandgan, sehr seltene längliche Feuerwaffen aus der ‘Alten Zeit’, die Lu zum ersten Mal in behördlichem Dienst sah. Absolut tödlich.
Die Soldaten setzten sich an einen Tisch, der direkt vor einem der großen, schwarz gestrichenen Sprossenfenster stand, durch die die Sonne hell in den Schankraum schien. Normalerweise hätte Lu die Männer einfach ignoriert und wäre in froher Erwartung eines heißen Bades auf sein Zimmer gegangen. Aber die Worte des Hauptmanns ließen ihn innehalten.
Während dieser lauthals von einem Mord am Ufer der Sanzea berichtete und seinen beiden Frischlingen ausgiebig seine Theorien zu den Geschehnissen darlegte, setzte sich Lu scheinbar willkürlich an einen Nebentisch und lauschte gespannt dem intensiven Wortschwall.
Der bärtige Hauptmann wischte sich mit einem Stofftaschentuch einige Schweißtropfen von der Stirn, winkte die Oberin heran und bestellte einen großen Krug Schwarzbier samt drei Tonbechern. Die Oberin nickte nur und verschwand schnell hinter dem Schanktisch, nur um wenige Augenblicke später mit einem vollen Tablett in der Hand wieder hervorzukommen.
Lu erfasste die Situation blitzschnell und reagierte sofort. Bevor die Oberin den drei durstigen Männern ihr Schwarzbier bringen konnte, sprang er auf, fing die Oberin kurzerhand ab und nahm ihr das Tablett aus der Hand. Verschwörerisch zwinkerte er der verdutzten Frau zu.
Dann ließ er sich einen vierten Becher geben und lief, das Tablett mit beiden Händen fest umklammert, zu dem Tisch, an dem die drei Soldaten der Stadtwache schon sehnlichst auf die kühle Erfrischung warteten.
“Die Runde geht auf mich, meine Herren. Darf ich mich setzen?”
Alkohol galt in Istendah als Luxusgut und musste im Gegensatz zu den meisten anderen Getränken auch von den Einheimischen bezahlt werden. Den Soldaten ein Schwarzbier auszugeben würde ihm somit Tür und Tor öffnen und auch die Zungen der Anwesenden lösen. Das hoffte Lu zumindest.
Der Hauptmann der Stadtwache unterbrach seinen lautstarken Monolog abrupt und verstummte. Alle drei Soldaten richteten ihre erstaunten Blicke auf den Fremden, der an ihren Tisch getreten war.
Der bärtige Riese fixierte Lus Augen und schien nicht ganz zu wissen, was er von ihm und seinem Angebot halten sollte. Lu hatte das Gefühl, von einem Stilett durchbohrt zu werden. Der Hauptmann blickte nicht einfach in seine Augen, sondern durch sie hindurch, direkt in seine Seele.
Plötzlich lag eine gefährliche Spannung in der Luft. Lu meinte zu ahnen, dass der Bärtige gleich wutentbrannt hochfahren und auf ihn losgehen könnte.
Doch der Moment verstrich so schnell, wie er gekommen war. Der kantige Blick des Hauptmanns löste sich in einem Lachen auf.
“Jeder, der eine Runde gibt, ist bei mir willkommen. Also setzt euch, stellt die Becher auf den Tisch und schenkt ein.”
Genau das tat Lu. Als er fertig war, nahm er seinen Tonbecher, prostete den Männern zu und trank einen winzigen Schluck Schwarzbier, wobei er das Glas länger an seinem Mund ließ, als dafür notwendig war. Schließlich wollte er den Schein wahren, richtig mitzutrinken.
In Wahrheit hasste er Alkohol. Lu verstand zwar, dass sich Menschen und auch andere intelligente Lebewesen gerne die Sinne benebelten, zum Beispiel, um ihre Gedanken von dem eigenen Elend abzulenken. Er selbst weigerte sich aber normalerweise, jegliche Form von Getränken zu sich zu nehmen, die seinen Geist beeinflussten. Wahrscheinlich war er einfach schon in zu viele Situationen geraten, in denen er ohne die volle Funktionsfähigkeit seines Körpers, vor allem seines Kopfes, nicht überlebt hätte. Und eine solche Situation konnte jederzeit und überall auftreten.
Aber was tut man nicht alles, um ein paar Informationen zu bekommen.
Der Hauptmann der Stadtwache leerte seinen Becher in einem einzigen Zug, wobei ein guter Teil des Bieres den Mund verfehlte und seinen Bart besudelte, was ihm nichts auszumachen schien. Einen tiefen Rülpser später verlangte er Nachschub, wobei er Lu erwartungsvoll anstarrte.
Lu nahm den schon fast leeren Krug Schwarzbier und schenkte dem Bärtigen nach. Dieser nickte