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Schicksalhafter Kompromiss. Christine Feichtinger
Читать онлайн.Название Schicksalhafter Kompromiss
Год выпуска 0
isbn 9783754178041
Автор произведения Christine Feichtinger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Auch das noch, erschrak Angelique. In seinen Augen war sie eine alte, billige Hure, die zu wenig Geld einbrachte. Woher wusste er, wie ihre jungen Konkurrentinnen arbeiteten? Sie schaute ihn aus eiskalten Augen wortlos an, sodass er erstarrte. Wenn sie jetzt eine Waffe in Händen gehabt hätte, hätte sie ihn bedenkenlos abgeknallt. Sie erkannte in diesem Moment, dass er nicht besser war als ihr vorheriger Zuhälter Schurli, den alle Adlerauge nannten, weil er alles sah und den sie oft gedanklich aus Wut erschoss.
Angelique war als junge Frau mit dem festen Vorsatz nach Österreich gekommen, um hier Arbeit zu finden. Als dies nicht gelang, wollte sie frei und unabhängig ihrem Gewerbe nachgehen, anstatt eines Zuhälters ihre rumänische Familie unterstützen und einen ruhigen Lebensabend mit ihrem Erspartem in ihrer Heimat verbringen, dort wo ihre Wurzeln waren. Aber schon beim ersten Mal, als sie auf dem Straßenstrich stand, wurde sie in einer stockdunklen Nacht wortlos zusammengeschlagen. Als sie weinend mit blauen Flecken übersät dalag, half ihr ihr vermeintlicher Wohltäter auf, wischte den Staub von ihrer Kleidung und riet ihr, sie solle sich einen Beschützer besorgen, allein wäre es viel zu gefährlich. Nach einigem Zureden stimmte sie zu, was sie später oft bereute. Noch dazu gelangte sie immer mehr zur Erkenntnis, dass ihr Angreifer und Wohltäter dieselbe Person, nämlich ihr nunmehriger Ausbeuter Schurli war.
„Unser Unternehmen ist ausbaufähig“, hatte Patrik gesagt, wobei sie das Wort unser störte. Er trägt nichts bei zu unserem Unternehmen, er kassiert nur. Ich allein hole die Kastanien aus dem Feuer. Sie erkannte in dem Moment, dass alle Freier in ihrer Gier nach Geld gleich waren und ihre Huren bis zum letzten ausquetschten. Nur, dass sie das auf unterschiedliche Art und Weise taten. Patrik war nicht besser als ihr ehemaliger Zuhälter Schurli, ein gefürchteter Strizzi.
Schurli hatte sie meist aus unmittelbarer Nähe ihres Stammplatzes beobachtet. Wenn er sah, dass sie entgegenkommende Männer nicht absichtlich anrempelte, augenzwinkernd schmutzige Bemerkungen wie „Wie wär’s mit uns beiden“ und dergleichen zurief, die Männer nicht unsittlich wie zufällig am Schritt berührte, die Männer sich nicht in ein Gespräch zwecks Geschäftsabwicklung einließen oder wenn sie zu wenig Geld heimbrachte, schlug er sie grün und blau. Brachte sie viel Geld heim, verwöhnte er sie und hievte sie in den Himmel. Dann erfuhr sie selten, aber doch so etwas wie Anerkennung und Stolz, ein Gefühl, das sie sonst nicht kannte. Als Schurli dann eines Tages sagte, er brauche wegen seiner schwachen Lungen Luftveränderung und müsse ans Meer fahren, drohte er ihr, sie müsse ihm das ganze Geld nachschicken, denn an seiner statt würde sie von seinem besten Freund kontrolliert. „Wehe, du betrügst mich. Dann Gnade dir Gott, wenn ich wieder zurückkomme.“
Bald kam sein erster Brief von seinem Aufenthalt am Meer mit der Kontoverbindung. Und so überwies sie ihm das Geld auf sein Konto aus Angst, von seinem Freund verdroschen zu werden. Als ihr aber jemand zuflüsterte, der Schurli sei mit seiner neuen Flamme ans Meer auf Urlaub gefahren, den du bezahlst, hätte sie ihn am liebsten getötet. Ab dann schickte sie ihm kein Geld mehr nach. Aus Angst, Schurli würde zurückkommen, wenn er von ihr kein Geld mehr bekäme, hatte sie sich Patrik angelacht als ihren neuen Freier und Beschützer.
Und nun wollte Patrik mehr Geld und quetschte sie ebenso aus wie eine Zitrone, eine Erkenntnis die schmerzhaft für sie war. In ihrem Zorn hätte sie Patrik am liebsten den Laufpass gegeben. Dennoch, eines musste sie Patrik zugutehalten. Wenn er auch öfters bemängelte, sie bringe zu wenig Geld heim, schlug er sie nie grün und blau. Er verstand es auf eine andere Art und Weise, sie wie ein billiges Flittchen hinzustellen, welches wie ein kleines, dummes Kätzchen nach seiner Pfeife zu tanzen hatte und von ihm Belehrungen hinzunehmen hatte, um mehr Gewinn zu erzielen.
Zwar wusste Angelique, dass sie leichtgläubig war und sich zu leicht von den Männern einwickeln und besänftigen ließ, aber um dagegen anzukämpfen, war sie zu schwach.
Patrik wusste, wie er seine Ziele durchsetzen konnte. Die Regeln bestimmte er. Als er sie das nächste Mal stürmisch liebte, wandte er seine oft erfolgreich erprobte Taktik an, um sie umzustimmen. Als sie miteinander schliefen, sie im Liebesrausch von überwältigender Sinneslust beherrscht war, hielt er plötzlich inne. „Nein“, schrie sie laut protestierend. „Dann musst du mir versprechen, mein Vorhaben durchzuführen“, stöhnte er.
„Ja“, schrie sie, unfähig, dagegen zu protestieren, während sie ihn unsanft in ihren Schoß drückte, um wohltuende Befriedigung zu finden. So holte er sich in ihrem höchsten Liebestaumel ihre Zusicherung, sein Einkommen zu vermehren.
Vordergründig galt es bei diesem Abkommen, sein Einkommen zu erhöhen. Und so instruierte er sie wie bei einer Dressur, die Vorlieben und Illusionen ihrer Kunden herauszufinden, um ihren Verdienst zu erhöhen und um mehr Stammkundschaften anzulocken. „Wichtig ist ein gepflegtes Äußeres. Deine Hände müssen manikürt, die Füße pedikürt sein. Du musst immer allerfeinste Unterwäsche tragen und nie nuttig aussehen. Dein Freier muss alles besser als zuhause vorfinden, als befände er sich in einer anderen Welt. Du musst ihm all das bieten, was er zuhause nicht hat. Sauberkeit, gute Düfte, ein gutes Parfüm ist oberstes Prinzip. Denn er muss denken, dass er dafür bezahlen muss, sich in dieser besseren Welt aufhalten zu dürfen. Verschwiegenheit ist eines der obersten Prinzipien. Der Kunde ist König und muss sich bei dir sicher fühlen, noch dazu, wenn er liiert ist. Du darfst ihn niemals verraten. Besser du wechselst die Straßenseite, wenn du ihn mit seiner Frau oder Freundin begegnest. Für den Freier bist du oft wie ein psychologischer Sozialdienst. Du bist Ersatz, entweder für seine Mutter die ihn nie geliebt hat, für seine Lehrerin, die er bewunderte und die ihn durchfallen ließ, für ein Mädchen, das er anhimmelte und nie bekommen hat. Aber du bist auch ein Fußabstreifer für jene Freier, welche von Schuldgefühlen geplagt sind, und deren Gewissensbisse du erleichtern sollst. Du bist ein Ventil für jene Freier, deren Wut über ihr erlittenes Unrecht du entgelten und ihre offenen Rechnungen bezahlen sollst. Du bist für den Freier Freiwild. Alles, was ihm gefällt, muss dir gefallen, alles, was er liebt, musst du lieben. Seine Vorlieben darfst du niemals belächeln.“
Sie müsse sich scheu und unerfahren geben, als wäre sie zum ersten Mal bereit, mit ihm zu schlafen. Es gehöre zu ihrem Geschäft, jedem Mann höchste Erregung vorzutäuschen, um jedem ihrer Freier das Gefühl zu geben, er wäre was ganz Besonderes.
Auf Wunsch müsse sie gekleidet wie ein Püppchen in einem kurzen rosa Rüschenkleid mit weißen Kniestrümpfen, mit einer Federboa mit Zöpfen und Haarmaschen piepsen und zappeln wie ein Kind. Sie müsse sich die Zeit genau einteilen, nicht dass sich die Freier die Klinke in die Hand geben. Auch müsse sie genug Zeit haben, sich einerseits zu waschen und zu pflegen, um immer frisch, aus dem Ei gepellt, auszusehen. Selbst wenn sie ihre Tage hätte, müsse sie Geld verdienen, indem sie sich ein Diaphragma und dann noch einen sterilisierten Schwamm hineinstopfe, der jedes Leck dicht machen würde. Jedem Freier müsse sie das Gefühl geben, sie hätte mit keinem anderen Mann derartiges Glück erlebt und er ihr lang begehrter Traummann wäre, auf den sie Zeit ihres Lebens gewartet hätte. Zärtlich müsse sie ihm mit unschuldigem Augenaufschlag versichern, dass sie erst kürzlich entjungfert wurde und völlig unschuldig in diese Situation geraten wäre, denn nachdem sie keinerlei Unterstützung bekäme, müsse sie ihr Medizinstudium selber finanzieren. Oder sie müsse gegebenenfalls, wenn es gewünscht wurde, bei den unterwürfigen Freiern derbe Sprüche anwenden, gegen zusätzliches Geld als Domina in Lax und Leder, Riemen, in Stiefeln und Reitpeitsche fungieren, sich als Herrin, oder Meisterin anreden lassen und ihn um Schläge bitten lassen. Schläge müsse sie mit der Haarbürste auf seinen Hintern tätigen, um keine Striemen zu hinterlassen. Selbst wenn es ihr eine große Überwindung kosten würde, müsse sie die sexuellen Wünsche ihrer Freier ausreizen. Diese Freier müssten für sie die Drecksarbeit machen und sie waschen und ankleiden. Sie dürfe sie nur mit einem größeren Geldbetrag über ihre Schwelle treten lassen, dabei dürften sie sie nie direkt ansehen, nur wenn sie es ihnen erlauben würde. Sie müssten ihr Treue schwören und ihr bedingungslos folgen, denn was sie befehle, müsse Gesetz für sie sein. Kurzum müsse sie dem Freier die lang gehegten Fantasien, ein lustvoll leidender Sklave einer grausamen Herrin zu sein, erfüllen.
„Wenn der Freier sagt, du bist dein Geld wert, ich komme wieder, weißt du, dass du es gut gemacht hast. Bevor du in ein Auto zum Freier steigst, frage vorher