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Schicksalhafter Kompromiss. Christine Feichtinger
Читать онлайн.Название Schicksalhafter Kompromiss
Год выпуска 0
isbn 9783754178041
Автор произведения Christine Feichtinger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Listig fragten die Bauern, wo denn Patriks Eltern wären und beobachteten schadenfroh, wie rot und verlegen sie wurde.
Um das Fehlen von Patriks Eltern zu beschönigen, erklärte sie eindrucksvoll, dass Patriks Vater Schiffskapitän wäre. „Er ist nicht viel zuhause. Leider ist Patriks Mutter auch verreist, sodass heute niemand mitkommen konnte“, log sie, um Eindruck zu schinden.
Die Verwandten lästerten: „Wer weiß, wo seine Mutter umeinander liantscht (haust) und wer weiß ob sie weiß, wer Patriks Vater ist. Vielleicht ist er bali gegangen (abgehauen).“
Sogleich begann Großmutter am Tisch vor sich Platz zu schaffen, damit die Speisen vor ihr hingestellt werden konnten. Dann befehligte sie die Aufträgerinnen gebieterisch, die Speisen vor ihr hinzustellen. „Die haben keinen Respekt vor uns. Denen musst du alles sagen“, erzürnte sie sich zu Großvater.
Kaum war das Essen auf dem Tisch, entrüstete sie sich zu ihrem Mann. „Es sind so viele Fliegen und Gelsen im Raum und auf dem Essen. Im Zimmer waren abends auch so viele, so dass ich nicht schlafen konnte. Das ist unter unserem Niveau.“
Dann beklagte sie sich, das schmackhafte Essen vor sich: „Mein empfindlicher Magen kann die fetten Speisen, mit Schmalz zubereitet, nicht vertragen. Ich werde wieder Sodbrennen bekommen und vom Zwiebel im Kartoffelsalat Kopfweh bekommen“, obwohl sie aß wie ein Drescher und die Leute sie auslachten. Kurz darauf mokierte sie sich darüber, dass das Geschirr nach Abwaschwasser stinke. „Kein Wunder, sie sind noch so rückständig und waschen das Geschirr mit Waschln aus alten Baumwollunterhosen ab“, erklärte sie wütend. Und als beim Essen gekochte Dörrpflaumen als Kompott gereicht wurden, vertraute sie Patrik bedauernd an, dass diese Dörrpflaumen nicht mit dem silbernen Löffel ins Glas gegeben wurden, so wie sie es bei der Zubereitung des Kompottes immer tat.
Als geladene Gäste bei Familienfesten aßen und tranken sie mit einer am Hals eingeklemmten Serviette übermäßig viel, so dass es jedem auffiel. Außerdem hatte seine Großmutter ständig ein Nylonsackerl bei sich, worin sie Essen ins Tascherl verschwinden ließ. „Die Wiener fangen wieder zu hamstern an“, schrie einmal ein Betrunkener, der alles beobachtet hatte. Bald lachten die Verwandten: „Habt ihr gesehen, wie viel die am Tisch gegessen haben. Gefressen haben die wie die Drescher, als hätten sie schon acht Tage lang nichts gegessen. Und wieder werden wir wie immer das restliche Essen einpacken müssen und den armen Schluckern mitgeben müssen, obwohl die angesehene Beamtengattin in ihrem Tascherl etliche Speisen und Krapfen schon verschwinden hat lassen.“
Um Eindruck zu schinden und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, prahlte Großmutter laut, dass sie am Opernball in Wien gewesen wären.
Dann haben sie ein halbes Jahr vorher nur Kartoffel gegessen, um sich das leisten zu können, hörte Patrik jemanden sagen. Sie haben es zu nichts gebracht und sind die ärmsten Leute unter uns. Aber angeben wie die Grafen. „Dass sie ab Monatsmitte nur mehr eingebrannte Linsen essen, weil sie kein Geld mehr haben, sagt sie nicht. Dabei sagt sie, dass sie sich für uns schämen muss. Wir müssen uns für sie schämen.“
Um so einen Besuch brauchst nicht ruiseln (Sehnsucht haben) hörte Patrik, während sein Gesicht blutrot vor Scham anlief.
Während Patrik und Angelique damals nach dem Besuch bei Großmutter nebeneinander schlenderten, war Patrik sehr schweigsam. Warum soll ich dir von Großmutters Macken erzählen? Das würde nichts ändern. Trotz ihrer Hirngespinste liebte er seine Großmutter wie eine Heilige, so wie sie ihn abgöttisch liebte. Keine andere Frau hatte je den Stellenwert, den seine Großmutter hatte.
Damals hatte Patrik beschlossen, mit Angelique nie wieder seine Großmutter zu besuchen. Wie zum Trotz hatten Patrik und Angelique geheiratet, als hätten sie sich gegen Patriks Großmutter verschworen. Die Welt ständig schön getrunken, geblendet vom täglichen Geldrausch lobte Patrik bald Angeliques einzigartige Schönheit und Geschäftstüchtigkeit, sodass sie bald glaubte, sie sei durch ihn eine besonders begehrenswerte Frau geworden.
Das Rotlichtmilieu war Patriks wirkliche Heimat geworden. Hier ging sein Stern auf und seine Leuchtkraft strahlte im zwielichtigen Dunstkreis dieser niederträchtigen Scheinwelt. Hier regierten zweifelhafte, gierige, geile Typen der Unterwelt, mit ihren eigenen, selbst geschaffenen Gesetzen, erhaben über jede Weltordnung vor der Tür, denen Patrik ebenbürtig sein wollte. Sie waren Herrscher in ihrem eigenen Reich. Einmischung und Widerspruch wurde nicht geduldet. Patrik bewunderte ihre unantastbare Autorität. Er sah, wie sie geliebt, verehrt und zugleich gefürchtet wurden von den unterknechteten, dienenden, ausgebeuteten, meist weiblichen Lakaien.
Wie gerne hätte er an ihrer Stelle jeden Tag das Geld als seines gezählt und das Schwarzgeld sichergestellt.
Und dennoch traten bald dunkle Schatten in Patriks Leben auf. Immer öfters machte Patrik betrunken Ärger, wenn er beim Spiel viel Geld verlor.
An einem Donnerstagabend, als er wieder einmal von den Schlägertrupps des Rotlichtmilieus zusammengeschlagen, nackt, blutend im Straßengraben mit blauen Flecken übersät lag, dann langsam voller Schmerzen heimhumpelte, überlegte er verbittert, sein aufreibendes, kriminelles Leben in der Stadt zu beenden und ein ruhiges Leben mit Angelique auf dem Land zu führen. Vielleicht würden sich die Kameraden im Dorf wieder freuen, wenn er sie wieder besuchen würde. Sie könnten die alten Erinnerungen und Bubenstücke wieder auffrischen.
Großvater mit seiner Besserwisserei und Großmutter mit ihrer unleidlichen Überheblichkeit, Angeberei und Überfürsorglichkeit beschämten ihn und machten ihn anfangs zum Außenseiter, sodass er gemieden und ausgelacht wurde von den Dorfbuben. Deshalb war er oft böse auf seine Großeltern.
Eigentlich durfte er zufolge des Verbotes seiner Großmutter nicht mit den dummen Bauernlümmeln beisammen sein.
Sobald sich neugierige Bauernkinder, Kleinkinder, von älteren Geschwistern am Rücken getragen, mit ausgewetzten, geflickten Schürzen und Schuhen ihm näherten und hinter vorgehaltener Hand kicherten, stieß Großmutter sie hochnäsig weg. „Geht weg ihr stinkenden Bauernkinder. Wir sind aus der Stadt. Wir sind was Besseres. Ihr stinkt vom Misthaufen, von der Jauche und vom Stall. Unser Patrik ist vornehm und gebildet. Er darf nicht spielen mit euch. Wir wollen mit euch nichts zu tun haben.“
Im nächsten Moment betrachtete er seine Narbe an der Hand, die er den Dorfbuben zu verdanken hatte.
Plötzlich breiteten sich seine schlimmen Erinnerungen mit den Buben ungehindert aus, welche wie ein Brandmal an ihm hafteten. Unweigerlich musste er daran denken, wie ausgelacht und verhöhnt seine Großeltern und er von den Buben, den Dorfleuten und ihren Verwandten wurden. Nicht genug, dass er oft von den Buben wegen seiner Großeltern gehänselt wurde, wurde er oft auch als Sündenbock und Bauernopfer missbraucht. Patrik war es äußerst peinlich, wenn seine Großmutter ihn als Grund dafür vorschob, Forderungen an ihre Verwandten zu stellen. „Unser Patrik ist was Besseres. Er ist es nicht gewohnt, in einem Federnbett zu schlafen. Das Brot essen wir nur vom Bäcker. Die Eier, das Fleisch und die Milch müssen gekauft werden, denn von den dreckigen, stinkenden Ställen essen wir keine Produkte. Dass wir die Notdurft im von Hühnern verdreckten Abort im Freien verrichten müssen, ist eine Zumutung für uns“, erklärte sie vor ihren Verwandten.
Wenn Patrik hinfiel, sich seine Knie aufschürfte, glich dies einem Weltuntergang. „Der arme Bub hat sich verletzt und schuld dran seid nur ihr, weil ihr ihn verführt habt. Es hätte viel schlimmer ausgehen können, er hätte tot sein können“, schimpfte sie die Dorfbuben.
„Diese Bauernkinder sind rückständig und zu gewöhnlich für dich. Du brauchst dich nicht abgeben mit ihnen“, belehrte sie Patrik vor den anwesenden Buben.
Die Buben äfften seine Großmutter nach. „Deine Großmutter tut so, als wärest du ein Prinz.“
Ebenso durfte Patrik nie auf einen Baum klettern, da seine Großmutter Angst hatte, er könne sich verletzen.